Rede von Katharina Dröge Regierungserklärung zum Europäischen Rat

Foto von Katharina Dröge MdB
16.03.2023

Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Merz, ich finde es sehr bedauerlich, wie Sie Ihre Rede begonnen haben.

(Widerspruch bei der CDU/CSU)

Sie haben es nicht geschafft, einmal anzuerkennen, was dieses Land, was diese Gesellschaft gemeinsam im letzten Jahr geleistet hat

(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Hat er doch!)

und dass das ein Grund für Zuversicht und Hoffnung ist. Ich finde daher: Sie haben einen Teil Ihres Jobs an dieser Stelle nicht gemacht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Haben Sie zugehört? Nee, Sie haben nicht zugehört!)

Dieses Land ist gemeinsam, solidarisch, besser und stärker durch die Krise gekommen, als wir uns das selber vielleicht zugetraut hätten. Das haben wir alle gemeinsam geschafft. Das haben Bürgerinnen und Bürger geschafft, indem sie beispielsweise Gas gespart haben. Das haben Unternehmen geschafft, indem sie Produktionsprozesse umgestellt haben. Das haben auch wir als Politiker geschafft, indem wir eine Krise gelöst haben, für die es vorher keinen Masterplan gab.

(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Mit der Gasumlage, oder was?)

Ich finde, Sie haben absolut recht: Wir sollten an unseren Taten gemessen werden. Ich lasse mich sehr gerne an dem messen, was wir im letzten Jahr geschafft haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Putin hat versucht, die Europäische Union zu spalten. Es ist ihm nicht gelungen, weil wir als europäische Mitgliedstaaten gemeinsam gesagt haben: Unsere Antwort auf seinen Krieg ist Solidarität. Unsere Antwort auf seinen Krieg ist Demokratie, ist Rechtsstaat und ist die Unterstützung der Ukraine.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Er hat nicht damit gerechnet, dass wir als Europäische Union die Ukraine so entschlossen unterstützen würden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Putin hat auch nicht damit gerechnet, dass wir mit der Energiekrise, die er herbeigeführt hat,

(Thomas Ehrhorn [AfD]: Die Sie herbeigeführt haben!)

mit der schwersten Energiekrise, vor der die Bundesrepublik Deutschland stand, auch der schwersten Energiekrise, die die Europäische Union lösen musste, so gemeinsam und entschlossen umgehen würden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Sehr geehrter Herr Merz, ich lasse mich gerne an unseren Taten messen. Wir haben im letzten Jahr beschlossen, mehrere 100 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen, um die Unternehmen, um die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land gut durch eine Zeit zu bringen, in der hohe Kosten für fossile Energie viele belastet haben. Ich lasse mich gerne daran messen, dass wir mit dem aufgeräumt haben, was CDU-geführte Regierungen unter Angela Merkel

(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Und die SPD!)

in 16 Jahren vor die Wand gefahren haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir haben es innerhalb eines Jahres geschafft, dieses Land von russischem Gas, russischer Kohle und russischem Öl unabhängig zu machen. Wir haben in einem Rekordtempo eine neue Infrastruktur aufgebaut. Wir haben die Gasspeicher so gut gefüllt, dass wir schon jetzt sagen können: Auch durch den nächsten Winter wird dieses Land gut kommen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Wir haben die Abhängigkeit von russischen Konzernen beendet, in die Sie uns in Ihrer Regierungszeit geführt haben. Und wir haben gleichzeitig das Einzige gemacht, was mit Blick auf die Energieversorgung eine vernünftige Antwort für diese Zukunft bietet: Wir haben endlich Ernst gemacht mit dem Ausbau der Erneuerbaren, mit dem Ausbau von Wind- und Solarenergie.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Viele Menschen hatten im letzten Jahr Sorgen. Sie hatten Sorgen davor, dass sie mit den hohen Energiepreisen nicht fertigwerden könnten. Unternehmen hatten Sorgen davor, dass sie das vielleicht nicht schaffen würden. Viele hatten Sorgen davor, dass es nicht gelingen kann, die Energieversorgung so kurzfristig umzustellen.

(Thomas Ehrhorn [AfD]: Und es ist ja auch nicht gelungen!)

Und da muss man Sie als Union auch an Ihren Taten messen. Sie haben nichts dazu beigetragen, unserem Land Mut, Zuversicht und Hoffnung zu geben. Was Sie im letzten Jahr gemacht haben und was Sie auch in dieser Rede wieder machen, ist, alles schlechtzureden, ist, überall Sorgen und Ängste zu schüren,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

auch solche, die überhaupt nicht begründet sind. Sie tun das, weil Sie hoffen, kurzfristige parteipolitische Gewinne daraus zu erzielen, dass Sie mit den Ängsten der Menschen spielen. Das ist keine verantwortungsvolle Politik, auch in der Opposition nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Ach, du liebe Güte! Das ist ja grausam! Das ist ja Pippi Langstrumpf hier!)

Ich finde, die Lehre aus dem letzten Jahr ist: Wir haben gezeigt, was geht, wenn in der Politik nicht immer die Haltung des „Das geht aber nicht“ oder des „Da haben wir aber Bedenken“ im Vordergrund steht,

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Dafür stehen die Grünen! Genau dafür!)

sondern einfach das „Lasst es uns mal machen“. Diese Haltung würde ich mir wünschen, wenn es um die andere, noch größere Krise, geht, vor der wir als Menschheit und vor der wir auch als Parlament stehen: die Bekämpfung der Klimakrise.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Aber auch da hören wir von Ihnen als Union immer nur: Es geht nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Verbrenner? Geht nicht! Ölheizungen? Geht nicht! Gasheizungen? Geht nicht!)

Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Diese Rollenverteilung wird nicht mehr funktionieren. Wir sitzen alle im selben Boot. Wir haben nur einen Planeten. Die Klimakrise wird uns bzw. unsere Kinder am Ende alle gleich treffen. Und mit einer politischen Debatte, die immer nur so läuft, dass die einen Vorschläge machen, wie man es schaffen kann, und die anderen die Bedenken formulieren, warum dieser Weg gerade einmal nicht funktioniert,

(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Beschreiben Sie gerade die Regierung?)

kommen wir nicht voran.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Wir können über das Thema Heizen reden. Wir haben uns als Koalition gemeinsam entschieden, dass ab dem nächsten Jahr nur noch der Einbau von Heizungen ermöglicht wird, die auf der Basis von 65 Prozent erneuerbarer Energien betrieben werden.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Ja, super! Super! – Thomas Ehrhorn [AfD]: Da freut sich die Bevölkerung schon drauf, auf Ihre teuren Vorschläge!)

Das Erste, was wir von Ihnen dazu gehört haben, ist: Es geht nicht.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Ja, es geht ja auch nicht! Fragen Sie mal Fachleute!)

Sie sind dagegen. Sie, Herr Merz, sind dagegen. Sie, Herr Dobrindt, sind dagegen.

(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: In welchem Land leben Sie eigentlich?)

Die CSU hat gestern ein fröhliches Sharepic gemacht, durch das sie uns noch mal mitgeteilt hat, wogegen Sie alles sind: Nicht nur gegen das Austauschen von Gasheizungen, Sie sind auch noch gegen den Verbrennungsmotor.

(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Wir sind für den Verbrennungsmotor! – Thorsten Frei [CDU/CSU]: So ein Quatsch! So ein Quatsch!)

– Sie sind gegen das Aus des Verbrennungsmotors. Sie sind auch gegen Klimaverträge in der Europäischen Union.

(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Ihr seid dagegen!)

Sie sind auch gegen Windenergieausbau in Bayern.

(Zuruf des Abg. Christian Dürr [FDP])

Sie sind eigentlich gegen alles, was Klimaschutz in diesem Land bringt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Die größte Unwahrheit ist das!)

Präsidentin Bärbel Bas:

Frau Dröge, gestatten Sie eine Zwischenfrage von der Kollegin Frau von Storch?

Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Nein, definitiv nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Jetzt frage ich mich einfach mal: Wo sind Ihre Alternativen?

(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Lesen Sie unsere Anträge!)

Denn wenn Sie keine haben, dann heißt das: Wir führen in Wahrheit nicht eine Debatte darüber, dass Sie unseren Weg blöd finden, sondern darüber, dass Sie am Ende eigentlich gar keinen Klimaschutz wollen.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: So ein Schwachsinn!)

Zum Heizen kenne ich kein Konzept von Ihnen. Wenn Sie sagen: „Der Europäische Emissionszertifikatehandel soll das Problem lösen“, dann hätte ich gerne eine Antwort von Ihnen auf die Frage: Wie hoch soll der Preis sein? Bislang habe ich von Ihnen nie gehört, dass wir einen Preis im Europäischen Emissionszertifikatehandel oder im Bereich Wärme und Verkehr machen sollten, der dann auch tatsächlich Lenkungswirkung entfaltet.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Sagen Sie! – Peter Boehringer [AfD]: Das ist alles stalinistische Planwirtschaft, was Sie hier predigen!)

Im Verkehrssektor sagen die Experten flächendeckend, dass ein CO2-Preis bei über 200 Euro die Tonne CO2 liegen müsste, damit wir unsere Klimaziele 2030 erreichen. Wollen Sie das?

(Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD])

Wie teuer sollen Diesel und Benzin aus Ihrer Sicht werden, damit der Europäische Emissionszertifikatehandel das Problem löst?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Oder das Beispiel Wasserstoff. Setzen Sie darauf, dass wir in Zukunft unsere Heizung mit Wasserstoff betreiben können? Mit grünem Wasserstoff? Wie teuer wird das für die Haushalte?

(Thomas Ehrhorn [AfD]: Technisch keine Ahnung von irgendwas!)

Wie viel Strom brauchen wir, um 40 Millionen Gasheizungen in Zukunft mit grünem Wasserstoff zu betreiben?

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Also, so viele Wärmepumpen gehen jedenfalls physikalisch nicht! Physik! Physik!)

Haben Sie das einmal durchgerechnet? Haben Sie den Menschen gesagt, wie teuer das Ganze wird?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Sie scheuen genau diese Antworten. Sie haben auch keine Konzepte dafür, weil Sie den Menschen eigentlich vorgaukeln wollen: Lasst uns heute nichts machen;

(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Völliger Blödsinn! Völliger Blödsinn!)

irgendwann in Zukunft wird es eine Lösung geben, die alle Probleme löst. – Und dabei verkennen Sie, dass es heute Lösungen gibt, die markttauglich sind, die bezahlbar sind, die von Unternehmen entwickelt werden

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: … und die Industrie ins Ausland treibt! Genau das passiert jetzt! Sie sorgen für Deindustrialisierung!)

und die von den Leuten auch genutzt werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Sie müssen keine Angst vor der Wärmepumpe haben. Der Betreiber von Vaillant hat gesagt: Nicht die Wärmepumpe ist das Problem, sondern die Klimakrise. – Und im Neubau ist das Betreiben einer Wärmepumpe jetzt schon günstiger als das Betreiben einer Gasheizung.

(Zuruf des Abg. Norbert Kleinwächter [AfD])

Auch mit einem Elektroauto zu fahren, ist im Betrieb jetzt schon günstiger, als mit Diesel und Benzin zu fahren. Sie verteufeln Technologien, die heute schon da sind.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Wir verteufeln gar nichts! Sie verbieten!)

Sie entscheiden sich nicht dafür, diesen zum Durchbruch zu verhelfen, weil Sie am Ende in Sachen Klimaschutz nicht wirklich handeln wollen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Und diese Debatte lassen wir Ihnen nicht mehr durchgehen.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Danke, gleichfalls!)

Sie können andere Vorschläge haben. Wir Grünen sind da komplett undogmatisch. Das Einzige, was für uns zählt, ist, dass es funktioniert,

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Das finden Sie aber selber lustig, oder? – Zuruf des Abg. Norbert Kleinwächter [AfD])

dass am Ende Klimaschutz dabei rauskommt, und da warte ich bis heute auf einen Vorschlag.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Präsidentin Bärbel Bas:

Nächster Redner: für die AfD-Fraktion Tino Chrupalla.

(Beifall bei der AfD)