Rede von Britta Haßelmann Regierungserklärung zum Europäischen Rat

Foto von Britta Haßelmann MdB
19.10.2023

Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Angebot der Zusammenarbeit und Sachlichkeit hat ja nicht so lange gehalten.

(Zuruf von der SPD: Richtig! – Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)

Dabei ist das gerade in diesen Zeiten so wichtig und notwendig. Ich bedaure das sehr; denn demokratische Kräfte sind gefordert, in diesen Zeiten zusammenzuarbeiten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Meine Damen und Herren, wir sind in schweren Zeiten: der Terror der Hamas auf Israel, der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine. Krieg, Krisen, Konflikte in der Welt – da ist es gut und wichtig, dass der Europäische Rat zusammenkommt und in dieser so schwierigen Lage berät und unterstreicht, wie wichtig Europa und unsere gemeinsame Sicherheits- und Friedensordnung ist; denn sie ist von entscheidender Bedeutung, gerade mit Blick auf die konfliktreichen und geopolitischen Ausgangslagen dieser Welt. Das wissen wir alle, und deshalb, glaube ich, sind wir alle auch sehr beunruhigt. Deshalb erfordern schwere Zeiten gemeinsame Anknüpfungspunkte.

Seit über einer Woche blicken wir mit Trauer, mit Entsetzen und mit großer Sorge auf diesen terroristischen Großangriff auf Israel, eine neue, wirklich schreckliche Dimension des Terrors der Hamas im Nahen Osten: 1 400 Tote auf israelischer Seite, über 3 000 Verletzte, 199 von der Hamas verschleppte Geiseln. In der Debatte waren Angehörige anwesend. Niemand von uns kann ermessen, was es bedeutet, einen seiner Liebsten in Geiselhaft der Hamas zu wissen. Es ist ein unermesslicher Schmerz, der schon uns alle trifft. Ich vermag mir gar nicht vorzustellen, wie Familien diese Situation aushalten. Deshalb ist es so wichtig, Herr Bundeskanzler und auch Frau Außenministerin, dass Sie ohne Wenn und Aber auch den Familien, den Angehörigen das deutliche Signal gegeben haben: Ohne Vorbedingungen fordern wir die Befreiung der Geiseln aus den Händen der Hamas.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Auch die Lage der Menschen in Gaza ist verzweifelt. Hunderttausende sind auf der Flucht. In aller Deutlichkeit: Dafür ist einzig und allein die Hamas verantwortlich.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP und des Abg. Sepp Müller [CDU/CSU])

Denn sie nutzt die Menschen, die Zivilistinnen und Zivilisten, die Kinder, Familien, Alte und Kranke, indem sie ihre zivile Infrastruktur als Deckung und Schutzschild missbraucht. Das ist zynisch und menschenverachtend, meine Damen und Herren. Wir alle wissen das, und die Welt sieht das.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Sepp Müller [CDU/CSU])

Israel hat das Recht, sich selbst zu verteidigen, und der Terror der Hamas muss bekämpft werden. Deshalb ist es richtig und wichtig, dass Deutschland in dieser schwersten Stunde Israels fest an der Seite Israels steht. Ich danke Ihnen, Herr Bundeskanzler, für die Reise als Regierungschef in die Region, nach Israel, und ich bin auch froh, dass die Außenministerin dort war. Das unterstreicht noch einmal unsere uneingeschränkte Solidarität. Es ist in diesen Stunden und Tagen wichtig, dies immer wieder zu betonen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Gleichzeitig wissen wir, dass es humanitäre Hilfe für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen geben muss: Lebensmittel, Wasser, Energie, Medikamente. Auch hier bin ich dankbar für jede diplomatische Bemühung, jede Möglichkeit, darüber nachzudenken, dass es humanitäre Korridore gibt, dass Grenzöffnungen stattfinden. Wir wissen klar, wo wir stehen, und deshalb können wir auch umso klarer gemeinsam mit Israel darüber reden, was an humanitärer Hilfe jetzt notwendig ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Meine Damen und Herren, der Europäische Rat wird zusammentreten und mit großer Geschlossenheit auch darüber sprechen. Das wird ein wichtiges Signal sein, auch europäisch, das an Israel und die Welt im Nahen Osten geht.

Mit Erschrecken und mit Entsetzen sehen wir alle die Situation hier in Deutschland. Ich habe mir nicht vorstellen können, dass wir in eine solche Situation kommen, mit so gravierenden Anfeindungen, Angriffen und Brandanschlägen in diesem Ausmaß.

(Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD])

Ich glaube, die Sicherheit und Sicherung jüdischen Lebens in Deutschland als demokratische Verpflichtung von uns allen, an jedem Ort und zu jeder Zeit, das ist das Versprechen, das von diesem Parlament und von den Menschen im Land ausgehen muss: Solidarität mit den Jüdinnen und Juden hier in Deutschland und die scharfe Ablehnung jedes Antisemitismus in diesem Land.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie der Abg. Kathrin Vogler [DIE LINKE])

Für ein solches Verhalten gibt es keine Rechtfertigung, durch nichts. Es braucht ein entschiedenes Handeln; das steht fest. Denn für uns alle gilt: „Nie wieder!“ – und das ist jetzt, meine Damen und Herren.

Die Ukraine ist in einer wirklich dramatischen Situation; das darf nicht in den Hintergrund geraten. Deshalb ist es so wichtig und notwendig, dass der Europäische Rat jetzt auch über ein Winterpaket und weitere konsequente Unterstützung, humanitär, wirtschaftlich und mit Waffen, nachdenkt, darüber redet und Beschlüsse fasst. Denn klar muss sein: Die Ukraine braucht weiterhin Unterstützung, auch mit Waffen, um diesen Krieg gegen Russland gewinnen zu können.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Christian Dürr [FDP])

Deshalb muss von der europäischen Ebene, vom Europäischen Rat das klare Zeichen ausgehen, dass wir das ernst meinen und weiterhin entschlossen sind.

Zur Migration will ich kurz sagen: Wir haben hier eine ganze Reihe von Dingen auf den Weg gebracht, gemeinsam als Bundesregierung, gemeinsam als Parlament. Die gemeinsame europäische Asylpolitik wird endlich ernsthaft beraten. Der Trilog steht an. Jahrelang ist hier nichts passiert, meine Damen und Herren. Migrationsabkommen werden versucht zu verhandeln; sechs an der Zahl, hat der Bundeskanzler gerade gesagt. Unser Parlament hat ein klares Signal zur Seenotrettung ausgegeben, und das ist gut und wichtig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Wenn die Europäische Union sich darauf nicht verständigen kann, dann müssen andere Akteure helfen.

Auch für die Frage der dauerhaften und verlässlichen Finanzierung der Kommunen braucht es ein klares Signal des Bundes und der Länder. Das ist völlig klar; denn hier wird die Integrationsarbeit geleistet, und die Kommunen sind darauf angewiesen, Unterstützung zu erhalten, verlässlich und dauerhaft.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Gerade mit Blick auf den Fachkräftemangel und den Arbeitskräftemangel sage ich: Einer der Schlüssel zur Integration in diesem Land ist der Zugang zu Arbeit, die Arbeitsintegration, die Aufhebung der Arbeitsverbote. Deshalb wird das von Wirtschaft, Industrie und Handwerk so eindringlich gefordert; das wissen wir alle. Die Integration in den regulären Arbeitsmarkt, das ist die Perspektive, die wir brauchen, für die Kommunen, für die Wirtschaft und das Handwerk und für die geflüchteten Menschen. Es ist gut und wichtig, dass wir hier mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz, dem Chancen-Aufenthaltsrecht und jetzt auch mit der Aufhebung von Arbeitsverboten endlich vorankommen. Das ist dringend notwendig, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Zuletzt lassen Sie mich sagen: Bei allem, was wir tun, geht es um Humanität, geht es um Ordnung. Ja, es geht um Verantwortung und Solidarität in Europa und auch um Menschlichkeit.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Präsidentin Bärbel Bas:

Als Nächster hat das Wort für die AfD-Fraktion Tino Chrupalla.

(Beifall bei der AfD)