Rede von Katharina Dröge Regierungserklärung zum Europäischen Rat, G7-Gipfel und NATO-Gipfeltreffen
Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Merz, es gibt einen Punkt in Ihrer Rede, bei dem ich Ihnen zustimmen würde.
(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Einen nur? Schade! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Immerhin!)
Wir erleben gerade Krisen, die tatsächlich unser Leben, das Leben der Menschen in Europa, nachhaltig und auf Dauer verändern werden. Dazu gehört der Krieg in Europa, der furchtbare Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, ein Angriffskrieg gegen die Menschen in der Ukraine, aber auch gegen unser aller Sicherheit. Dazu gehört eine sehr hohe Inflation im Euroraum, die die Menschen belastet,
(Dr. Alice Weidel [AfD]: Na, wo bleibt denn das Klima?)
eine Inflation, die insbesondere die Energie- und Lebensmittelpreise betrifft.
Aber es gibt eine Krise, die Sie zum wiederholten Male nicht angesprochen haben in Ihrer Rede, und das ist die globale, sich verschärfende Klimakrise.
(Dr. Alice Weidel [AfD]: Da ist es ja!)
Politik auf der Höhe dieser Zeit zu machen, heißt, in der Lage zu sein, alle Krisen zu erkennen, die wir gerade bearbeiten müssen, zu erkennen, wie diese Krisen zusammenhängen, und zu erkennen, dass wir diese Krisen nur gemeinsam beantworten können. Da war in Ihrer Rede eine riesige Leerstelle.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Wir sind diejenigen, die gewählt sind, diese Krisen gleichzeitig zu lösen, und dabei kommt es wie nie auf die Europäische Union an.
Die Menschen in der Ukraine kämpfen jeden Tag um jeden Quadratmeter ihres Landes, um ihre Städte, um ihre Dörfer, aber auch um ihr Leben, um ein Leben in Freiheit und Selbstbestimmung. Es ist unser Auftrag als Europäische Union, alles dafür zu tun, alles, was in unserer Möglichkeit steht, die Ukraine hierbei zu unterstützen. Ich war froh, dass wir es geschafft haben, gemeinsam und fraktionsübergreifend hier im Deutschen Bundestag einen Antrag zu beschließen, der eine klare Richtung dafür beschreibt, wie wir die Ukraine unterstützen können und müssen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, genau das tun wir auch. Wir unterstützen die Ukraine auf der einen Seite durch scharfe wirtschaftliche Sanktionen. Wir unterstützen die Ukraine durch enorme finanzielle Hilfen. Wir unterstützen die Menschen, die aus der Ukraine zu uns geflüchtet sind, indem wir sie hier aufnehmen.
Und ja, wir unterstützen die Ukraine auch mit der Lieferung von militärischem Material und schweren Waffen. Wir alle hätten uns mit Sicherheit gewünscht, dass das schneller geht. Wir alle bedauern, dass es Restriktionen gibt wie Ausbildungszeiten, wie die Verfügbarkeit von Materialien, die es nicht sofort möglich gemacht haben, all das zu liefern, was wir bereits beschlossen haben. Umso wichtiger ist, dass die ersten schweren Waffen jetzt auch in der Ukraine angekommen sind. Umso wichtiger ist, dass wir uns gemeinsam verpflichten, hier zu handeln.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Es gibt eine Sache – wir alle haben mit dem ukrainischen Außenminister Kuleba gesprochen, als er hier in Berlin zu Besuch war –, worum die Ukraine ganz besonders gebeten hat, die ihr ganz besonders wichtig war, und das war eine klare Beitrittsperspektive zur Europäischen Union. Deswegen ist es so fundamental wichtig, wenn vom Europäischen Rat jetzt das Zeichen ausgeht, dass die Ukraine und dass auch Moldau den Kandidatenstatus bekommen werden. Das ist ein wichtiges, gemeinsames und entschlossenes Zeichen vonseiten der Europäischen Union.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Auswirkungen dieses brutalen Krieges spüren natürlich zuallererst die Menschen in der Ukraine. Aber die spüren auch wir hier. Russland versucht mit allen Mitteln, die EU wirtschaftlich zu schwächen. Russland setzt insbesondere fossiles Gas in diesem Konflikt als Waffe gegen uns ein. Wir sehen momentan eine angespannte Lage auf dem Gasmarkt durch gedrosselte Gaslieferungen. Wir alle schauen natürlich mit Sorge auch auf die Situation im Herbst. Aber hier – und deswegen ist es so wichtig, die unterschiedlichen Krisen gleichzeitig zu sehen – zeigt sich eben auch die Gleichzeitigkeit verschiedener Krisen. Denn unser Hunger nach fossilen Energien, der hat uns nicht nur in ein massives Sicherheitsrisiko geführt, der hat uns nicht nur massiv erpressbar gemacht von Russland, sondern der ist auf der anderen Seite auch der Brandbeschleuniger für die Klimakrise und trägt die Verantwortung, wenn wir die Zukunft unserer Kinder zerstören. Deshalb müssen wir diese Krisen gleichzeitig lösen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Da sind die kurzfristigen Maßnahmen wie das Kaufen von fossilem Gas aus anderen Regionen der Welt, um durch den Winter zu kommen. Aber da sind vor allen Dingen auch die strukturellen Maßnahmen, die wir jetzt angehen müssen. Und da kann ich mir einen Blick in die Vergangenheit nicht verkneifen. Denn hätten Sie gehandelt, dann stünden wir heute anders da. Hätten wir mehr erneuerbare Energien, hätten Sie Ernst gemacht mit der energetischen Gebäudesanierung, dann wären die Leute nicht so abhängig von den hohen Preisspitzen bei den Fossilen. Hätten sie Ernst gemacht mit der Förderung des Umtauschs von Heizungen, dann wären die Leute jetzt nicht so empfindlich getroffen von den hohen Preisen für fossile Energien. Sie haben in der Vergangenheit massive Fehler gemacht, indem Sie in diesen Bereichen nicht gehandelt haben. Sie müssen jetzt mit uns alle gemeinsam den Weg gehen, diese strukturellen Fehler zu beheben. In der Reduzierung des Gasverbrauchs liegt die einzige vernünftige Antwort auf diese Krise.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Wir haben gleichzeitig die Aufgabe, die Menschen in dieser Zeit, in der sie von hohen Kosten für fossile Energien belastet werden, zu unterstützen. Wenn jeder Sechste angibt, dass er aufgrund der hohen Inflation eine reguläre Mahlzeit täglich ausfallen lässt, dann ist das ein Warnsignal an die Politik, dann ist das ein Handlungsauftrag an die Politik. Insbesondere für die ärmsten Menschen in diesem Lande werden die hohen Lebensmittelpreise zu einem enormen Problem, und deswegen müssen wir insbesondere mit Blick auf die Grundsicherung handeln. Die Sätze sind dort zu niedrig. Die Menschen brauchen hier mehr finanzielle Unterstützung.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Eins begründet diese Inflation nicht: Wir haben eine Inflation, die aufgrund von Preissteigerungen bei Fossilen getrieben wird. Wir haben keine Inflation, die zurückzuführen ist auf eine falsche Geldpolitik, und wir haben auch keine Inflation, die zurückzuführen ist auf eine zu hohe Staatsverschuldung. Angemessene Politik heißt auch, das Problem an den Wurzeln zu packen. Deswegen ist die Lösung jetzt nicht, über angemessene und sachorientierte Geldpolitik und Staatsverschuldung zu sprechen. Die richtige Politik ist, die Preise für fossile Energien in den Blick zu nehmen sowie die Erneuerbaren als günstigste Energieform auszubauen, und mit Sicherheit nicht, mit einem Rollback in die Atomenergie ausgerechnet die teuerste Form der Energieerzeugung wieder anschalten zu wollen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)
Mit Blick auf die Klimakrise ist die Europäische Union gefordert, und die Europäische Union handelt. Sie hat ein weitreichendes Klimapaket mit dem „Fit for 55“-Paket beschlossen, das unsere Unterstützung hat, das Ernst macht mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien, das Ernst macht mit der Energieeffizienz und das Ernst macht mit einer klimafreundlichen, klimaneutralen Mobilität. Auch hier hat die Europäische Union unsere Unterstützung.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Hat der Finanzminister eigentlich auch Ihre Meinung?)
Die Gleichzeitigkeit der Krisen bedeutet aber auch, dass wir die globale Verantwortung sehen müssen. Putin benutzt den globalen Hunger als Waffe, und die Klimakrise verschärft den globalen Hunger, indem sie die Lebensgrundlage gerade der ärmsten Menschen auf diesem Planeten zerstört. Mit Blick auf den G‑7-Gipfel haben wir die Verantwortung, klare Zusagen zu machen für die internationale Klimafinanzierung, klare Verantwortung zu übernehmen für die Finanzierung der Beseitigung von Verlusten und Schäden, die aus der Klimakrise entstehen, und klare, verbindliche Vereinbarungen zu treffen, weil die Länder, die am meisten zum Entstehen der Klimakrise beigetragen haben, jetzt auch die Verantwortung haben, den größten Beitrag zur Bekämpfung der Klimakrise zu leisten. Die ärmsten Länder dieser Welt können am wenigsten dafür, in welcher Situation sich dieser Planet befindet, müssen aber die größte Last tragen. Deswegen: Machen Sie diesen G-7-Gipfel zu einem klaren Zeichen für gemeinsamen Klimaschutz, zu einem klaren Zeichen für entschlossenes Handeln.
Ich danke Ihnen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Präsidentin Bärbel Bas:
Nächster Redner: für die AfD-Fraktion Tino Chrupalla.
(Beifall bei der AfD)