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12.10.2023

Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Botschafter, lieber Ron Prosor, vor genau fünf Monaten haben wir Ihnen hier im Deutschen Bundestag zum 75-jährigen Jubiläum der Staatsgründung Israels gratuliert. Und unser wichtigster Wunsch damals für Sie, für Israel war Frieden. Heute wissen wir, dass dieser Wunsch auf brutalste Art und Weise nicht erfüllt wurde.

Der 7. Oktober 2023 wird in unser aller Gedächtnis eingehen als einer der vielleicht dunkelsten oder der dunkelste Tag seit Staatsgründung Israels. Die Angriffe der Terroristen der Hamas waren darauf ausgerichtet, so viel Leid und so viel Zerstörung wie nur irgendwie möglich zu erzeugen, so viele Menschenleben wie nur irgendwie möglich zu vernichten. Und die Nachrichten sind so brutal, dass einem die Worte dafür fehlen.

Ich möchte in dieser Debatte einer derjenigen eine Stimme geben, die das in Israel selbst erlebt hat. Die Schriftstellerin Zeruya Shalev schreibt heute in einem Artikel:

„Am vergangenen Sabbat bewahrheiteten sich die Albträume meiner Kindheit in den israelischen Siedlungen in der Nähe des Gazastreifens. Hamas-Terroristen stürmten in die Häuser, rissen Babys und Kinder aus den Betten, ermordeten ganze Familien oder setzten die Häuser über ihren Bewohnern in Brand … Auf israelischem Staatsgebiet saßen Menschen in belagerten häuslichen Sicherheitsräumen und flehten stundenlang um Hilfe, bis ihre Stimmen verstummten. In unserem Staat mussten Eltern ihre Babys zum Schweigen bringen, damit das Weinen ihr Versteck nicht verriet. Es waren Stimmen, wie sie aus den Erzählungen aufstiegen, die ich in meiner Kindheit hörte.“

Lieber Ron Prosor, wir sind heute vereint in tiefer Trauer und in tiefem Schmerz. Wir trauern mit den israelischen Menschen, mit unseren Freundinnen und Freunden, mit dem gesamten israelischen Volk. Wir hoffen und wir bangen gemeinsam mit den Angehörigen derjenigen, die als Geiseln genommen und verschleppt wurden. Es gehört zu den perfidesten Methoden der Hamas, israelische Zivilistinnen und Zivilisten, Soldatinnen und Soldaten, aber auch die palästinensische Bevölkerung als menschliche Schutzschilde in ihrem brutalen Krieg zu missbrauchen. Wir alle stehen zusammen in dieser furchtbaren Zeit, und wir verurteilen das zutiefst.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)

Aber während wir hier miteinander diskutieren, gehen die Kämpfe weiter. Israelische Soldaten verteidigen ihr Land gegen die Hamas im Gazastreifen. Es geht darum, jede einzelne Geschichte jedes Opfers zu erzählen. Aber es geht eben auch um die Sicherheit des Staates Israels als Ganzes – ein Staat, der gegründet wurde, um jüdischen Menschen Schutz zu bieten, die in der Geschichte immer wieder schlimmster Verfolgung und Vernichtung ausgesetzt wurden, bis zum Menschheitsverbrechen des Holocausts, ein Staat, der Sicherheit und Schutz bietet. Und diese Sicherheit stellt die Hamas infrage, diese Sicherheit bedroht die Hamas, und das werden wir niemals akzeptieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Deshalb ist es so wichtig, dass dieses Parlament gemeinsam – ich danke allen Fraktionen dafür – noch einmal sein Versprechen an Sie heute mit diesem Beschluss erneuert. Das Existenzrecht und die Sicherheit Israels sind deutsche Staatsräson. Sie können sich auf uns verlassen, gerade in dieser schweren Zeit. Wir werden alles dafür tun, was wir können, um Ihnen in dieser Zeit beizustehen und zu helfen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Israel hat ganz klar, ganz unmissverständlich das Recht, sich in dieser Zeit gegen die Terroristen im Gazastreifen selbst zu verteidigen; da gibt es kein Wenn und Aber. Das Völkerrecht beschreibt den Weg. Es ist zentraler Kern unserer deutschen Außen- und Sicherheitspolitik, hier an der Seite Israels zu stehen. Und wir werden alles tun, was Sie für nötig halten.

Auch wenn es an diesem heutigen Tag so unfassbar weit weg scheint: Unser wichtigster Wunsch ist und bleibt Frieden für Israel. Denn Frieden ist die Garantie für Sicherheit. Dazu gehört, dass die Annäherung mit den arabischen Nachbarstaaten und die Gespräche mit Saudi-Arabien fortgesetzt werden. Gerade das darf nicht zerstört werden durch den Terror der Hamas. Denn genau darauf hat sie es abgesehen. Die Abraham Accords sind ein so wichtiger Beitrag für Frieden und Stabilität in der Region.

Wir brauchen in dieser Zeit alle Facetten der Diplomatie. Wir brauchen in dieser Zeit natürlich auch Maßnahmen zum Schutz der Zivilisten. Es ist gut, dass hier Gespräche über sichere Fluchtwege für unschuldige Zivilisten geführt werden. Und es ist auch wichtig, dass weiterhin humanitäre Hilfe geleistet wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Heidi Reichinnek [DIE LINKE])

Und es braucht in dieser Zeit alle Härte gegen die Feinde der Demokratie, gerade gegenüber dem Iran, der das erklärte Ziel hat, Israel von der Landkarte zu löschen. Deswegen ist es so wichtig, dass wir gemeinsam alle Sanktionen gegen den Iran schon ergriffen haben, dass unsere Außenministerin auf europäischer Ebene genau dafür als eine der stärksten Stimmen wirbt, dass wir uns auch weiter gemeinsam mit Nachdruck auf europäischer Ebene dafür einsetzen werden, dass die Revolutionsgarden als Terrororganisation gelistet werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Wir müssen mit Bestürzung feststellen, dass gerade in dieser Zeit der Antisemitismus auf deutschen Straßen wieder zunimmt. Und unsere klare Aussage ist: Wir werden das in Deutschland nicht akzeptieren. Wir werden niemals akzeptieren, dass diese grauenvollen Taten verherrlicht und gefeiert werden. Hier wird der Rechtsstaat mit all seiner Konsequenz eingreifen, und wir werden dafür sorgen, dass Vereine, die das tun, verboten werden. Wir versprechen den jüdischen Menschen in diesem Land: Euer Schutz ist unsere Verpflichtung. Wir werden alles dafür tun, um jüdische Einrichtungen, um jüdische Institutionen, aber auch das Leben auf deutschen Straßen für jüdische Menschen, so gut wir können, zu schützen und zu sichern,

(Beatrix von Storch [AfD]: Vor wem bloß?)

gerade heute.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Präsidentin Bärbel Bas:

Nächster Redner: für die AfD-Fraktion Dr. Alexander Gauland.

(Beifall bei der AfD)