Rede von Markus Kurth Rente

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28.05.2020

Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als ich vor knapp zwei Wochen von dieser Stelle über das Thema „grüne Garantierente, Mindestrente, Grundrente“ gesprochen habe, hatte ich ja angekündigt, dass ich noch am Nachmittag des nämlichen Tages meiner Friseurin, bei der ich dann nach über zwei Monaten endlich mal wieder einen Termin haben konnte,

(Kai Whittaker [CDU/CSU]: Sieht man!)

erklären würde, wie die verschiedenen Rentenkonzepte aussehen.

(Antje Lezius [CDU/CSU]: Das war aber ein langer Termin! – Ralf Kapschack [SPD]: Das erklärt die Frisur!)

Und ich kann Ihnen jetzt berichten, welches auf Platz eins gelandet ist und wie diese Modelle verstanden wurden.

Es wird Sie wenig überraschen: Die grüne Garantierente – transparent, einfach, klar – hat auf Platz eins das Ziel erreicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Norbert Kleinwächter [AfD])

Sie ist nämlich klar nachvollziehbar: 30 Versicherungsjahre führen zu 30 Entgeltpunkten, also rund 1 000 Euro. Der Erhöhungsmechanismus folgt dem ganz normalen Erhöhungsmechanismus der gesetzlichen Rentenversicherung, und gegebenenfalls in Ergänzung mit Wohngeld wird damit flächendeckend ein Einkommen oberhalb der Grundsicherung erreicht. Damit ist die Garantierente eine echte Rente,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: 912 Euro! Das reicht nicht!)

was man von der Mindestrente der Linken nicht behaupten kann – sie ist eine verbesserte Sozialhilfe – und auch nicht von der Grundrente der Bundesregierung, weil bei ihr dennoch regelmäßig Personen in die Grundsicherung fallen. Darum müssen Sie ja auch einen Freibetrag einführen.

Mitnichten, Herr Weiß, ist es so, dass die Garantierente eine Einheitsrente darstellt,

(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Doch!)

wie Sie hier auf der verzweifelten Suche nach Kritikpunkten behauptet haben. Wer mehr als 30 Entgeltpunkte hat, erhält natürlich, wie bisher, gestaffelt nach dem Äquivalenzprinzip sein Einkommen. Insofern geht dies auch ins Leere.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bei dem Versuch, meiner Friseurin die Grundrente der Bundesregierung zu erklären, bin ich dann leider gescheitert, was nicht an den intellektuellen Fähigkeiten meiner Friseurin liegt.

(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: An deinen etwa?)

Wer gestern im Ausschuss für Arbeit und Soziales erlebt hat, wie die Parlamentarische Staatssekretärin Anette Kramme mehrere Minuten einen hochverdichteten juristischen Text vortragen musste, um Funktionsweise und Anspruchsvoraussetzungen der Grundrente zu erklären, kann sich leicht vorstellen, dass dieses Vorhaben scheitern musste. Es führte bei meiner Friseurin zu einer derartigen Einbuße an Konzentration, dass ich um meinen im Entstehen begriffenen Haarschnitt fürchten musste und dann abgebrochen habe.

(Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der SPD – Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Das erklärt’s jetzt!)

Was das Rentenkonzept der Linken anbelangt, habe ich zunächst mal beschrieben – so wie Sie das ja in Ihrem Antrag auch tun –, dass es mit über 2 Prozent Beitragssatzanstieg in der gesetzlichen Rentenversicherung verbunden ist, 11 Milliarden Euro Kosten für die Mindestrente, 7 Milliarden Euro für eine Erhöhung des Bundeszuschusses. Als ich dann darauf einging, welche Folgen dies hinsichtlich der Steuern und Abgaben auf ihre Bezüge hätte, wollte meine Friseurin von den Einzelheiten nichts mehr wissen.

(Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der SPD)

Worüber sie allerdings empört war: dass bei der Grundrente der Bundesregierung Zeiten der Arbeitslosigkeit nicht zu den Anspruchszeiten dazugehören. Zeiten der Arbeitslosigkeit sind heutzutage leider, weil immer wieder Umbrüche da sind – nicht erst seit Coronazeiten –, Bestandteil einer Erwerbsbiografie. Deswegen, finde ich, müssen sie auch als Anspruchszeiten für eine Mindest- oder Grundrente bzw. Garantierente gezählt werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte – meine Zeit ist leider knapp – noch auf eine Konsequenz aus der Anhörung am Montag eingehen. Was auch immer aus Ihren Beratungen erwächst – ich sage Ihnen: Verzichten Sie wenigstens auf die Anrechnung der Kapitaleinkünfte. Denn das, was da herausgekommen ist, ist ja widersinnig. Die Rentenversicherung sagt, sie müsse dann mit dem Kontenabrufverfahren, das erfunden wurde, um Terrorismus und Geldwäsche zu bekämpfen, auf Konten von Kleinstsparern zugreifen, um dann Einkommen aus Kapital in Höhe von vielleicht nur ein paar Euro zu ermitteln. Das Kontenabrufverfahren, das ist ja gewissermaßen die Elefantenbüchse zur Verfolgung von Schwerstkriminalität und Islamisten. Und die Deutsche Rentenversicherung geht dann mit dieser Elefantenbüchse auf Mäusejagd.

(Zuruf des Abg. Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU])

Das ist doch wahnwitzig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn wenigstens bei dieser Mäusejagd ein paar Mäuse rauskämen! Aber tatsächlich ist es ja so, dass das Ganze mehr kostet, als es einbringt: 80 Millionen Euro Kosten, 20 Millionen Euro Erträge. Ich muss Ihnen sagen: Sie haben im parlamentarischen Verfahren noch eine ganze Menge Arbeit vor sich.

Was auch nicht wirklich funktioniert, ist die automatisierte Auszahlung. Diese bringt mit sich, dass der Bedarf im Moment des Entstehens nicht gedeckt wird. Es dauert zwei Jahre, bis man beim Übergang vom Erwerbsleben in die Grundrente diese Grundrente überhaupt bekommt. In der Zwischenzeit sind wahrscheinlich viele Leute in der Grundsicherung im Alter und werden erst einmal Erspartes aufbrauchen müssen. Ich appelliere sehr an uns alle – das sollte unser gemeinsames Interesse sein –, dass wir nicht Erwartungen wecken, die ein Gesetz nachher gar nicht erfüllen kann, und damit Enttäuschung und Vertrauensverlust gegenüber der gesetzlichen Rentenversicherung produzieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Einfachste, um dem vorzubeugen, wäre unser heute zur Abstimmung stehendes Rentenkonzept einer grünen Garantierente.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nein, unser! – Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Das wäre zu einfach!)

Vizepräsident Thomas Oppermann:

Vielen Dank. – Lieber Herr Kurth, vielleicht sollten Sie öfter einmal zum Friseur gehen, bevor Sie hier im Bundestag reden. Das scheint Ihre Rhetorik sehr zu beflügeln.

(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Nächste Rednerin für die Fraktion der SPD ist die Kollegin Daniela Kolbe.

(Beifall bei der SPD)