Rede von Markus Kurth Rentenversicherungsbericht 2020
Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir leben mit den geburtenstarken Jahrgängen im Erwerbsleben seit Jahren in einer demografischen Schönwetterphase. Wir haben – bis zur Coronapandemie – eine zehnjährige Phase der Hochkonjunktur mit guter Beschäftigungsentwicklung und guter Lohnentwicklung hinter uns. Da müsste es mit dem Teufel zugehen, wenn die Rentenfinanzen nicht relativ in Ordnung wären, was sie sind. Was Sie, Herr Heil, aber verschwiegen haben – Sie schwelgen ja in der Vergangenheit und in der Erinnerung –, ist, dass Sie diese wirklich guten Jahre komplett verschenkt haben, um die Rentenversicherung auf die Zukunft vorzubereiten.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Pascal Kober [FDP])
Ganz im Gegenteil haben Sie mit Mütterrente I und II, Rente mit 63 neue Ausgabenblöcke geschaffen, die aus Steuermitteln hätten finanziert werden müssen und nicht aus Beitragseinnahmen. Das belastet die gesetzliche Rentenversicherung mit insgesamt 13 Milliarden Euro pro Jahr. Das ist die Bilanz von sieben Jahren Großer Koalition.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Und dann sprechen Sie, Herr Weiß, von präzisen Zahlen.
(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Ja!)
Tatsache ist, dass dieser Rentenversicherungsbericht die Wirklichkeit verschleiert. Sie sprechen von einem Gesamtversorgungsniveau von 53 bis 55 Prozent und nehmen dabei an, dass die Leute vom ersten Tag an in die Riester-Rente einzahlen, dass 4 Prozent Rendite dabei herausspringen und dass nicht mehr als 10 Prozent Verwaltungskosten fällig werden.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Irre! Wirklich irre!)
Die Wirklichkeit ist, dass gerade mal 11 Millionen Personen von 35 Millionen Berechtigten überhaupt die Riester-Zulagen kriegen, die meisten davon noch nicht mal vollständig. 4 Prozent Rendite kriegt man bei einer sicheren Anlage niemals, und die durchschnittlichen Verwaltungskosten betragen 25 Prozent, so nach Untersuchung des Vereins Finanzwende. Das ist die Wirklichkeit.
Das habe ich auch Ihr Ministerium gefragt, und das Ministerium, Herr Heil, hat gesagt, das seien alles Modellannahmen, die Praxis – so nahezu wörtlich – sei irrelevant. Also, wenn die Praxis für Sie irrelevant ist, wenn es um so etwas Entscheidendes geht wie das Gesamtversorgungsniveau, dann kann man bei diesem Rentenversicherungsbericht überhaupt nicht von präzisen Zahlen und von der Wirklichkeit sprechen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich sage jetzt ganz klar: Für Bündnis 90/Die Grünen – das haben wir in unserem Grundsatzprogramm erst jüngst beschlossen – hat ein stabiles Rentenniveau oberste Priorität; denn wir wollen eine verlässliche Einkommensabsicherung für alle. Und wenn wir andere Gruppen in die Rentenversicherung einbeziehen wollen, zum Beispiel die Selbstständigen, dann geht dies nur, wenn diese mehr erwarten können als eine etwas bessere Armutsabsicherung.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das geht aber nur, wenn es eine stabile Einkommensabsicherung gibt.
Das sage ich den Leuten, die vielleicht Angst haben vor der Bürgerversicherung: Mit Bündnis 90/Die Grünen kann man sich darauf verlassen, dass das System der gesetzlichen Versicherung intakt und solidarisch bleibt.
Danke.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:
Ralf Kapschack, SPD, ist der nächste Redner.
(Beifall bei der SPD)