Rede von Sven-Christian Kindler Rückzahlung von Krediten aus Griechenland

17.03.2022

Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Um es klar zu sagen: Wir stimmen heute der vorzeitigen und finalen Rückzahlung von rund 1,86 Milliarden Euro an IWF-Krediten und auch der Teilrückzahlung von Krediten der Greek Loan Facility zu. Das stärkt das Schuldenmanagement Griechenlands, das stärkt die Schuldentragfähigkeit Griechenlands, und das sorgt dafür, dass wir mehr finanzielle Stabilität in Griechenland und in Europa haben. Deswegen werden wir heute zustimmen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie den Abg. Bettina Hagedorn [SPD] und Dr. Ingeborg Gräßle [CDU/CSU])

Ich will zu später Stunde noch einmal sagen: Wir sollten in der Debatte hier fair bleiben, wenn wir die Vergangenheit betrachten. Ich will daran erinnern, dass es der Finanzminister der CDU war, der damals versucht hat, Griechenland aus der Eurozone zu mobben. Ich finde, wir sollten unter demokratischen Partnern auch über die ganze Historie im Zusammenhang mit Griechenland reden. Es gab häufig Unterschiede zwischen der Fraktion der Grünen sowie der FDP-Fraktion und der CDU/CSU-Fraktion.

Was aber nicht geht, ist, die FDP mit einer rechtsextremen Partei hier im Plenum gleichzusetzen. Es gab deutliche Unterschiede in der Bewertung Griechenlands in der Europapolitik. Ich finde das, was Sie, Frau Gräßle, in Ihrer Rede hier gemacht haben, nicht in Ordnung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Das, was wir heute machen, ist ein wichtiges Signal für Europa. Wir zeigen: Wir können unsere Probleme in Europa auch selbst lösen.

Wir werden jetzt den IWF als Kapitalgeber ablösen. Der IWF bleibt im Monitoring dabei; das ist so weit auch okay. Aber wir müssen auch sehr klar sagen: Wir wollen, dass Europa seine Probleme selber, souverän löst. Das ist heute der Fall. Deswegen ist es ein gutes Signal für Europa, dass Griechenland jetzt die IWF-Kredite final tilgt.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Ich finde, wir müssen aber auch selbstkritisch mit dem Krisenmanagement in Griechenland umgehen. Es gab in Griechenland viele verkrustete Strukturen – die waren auch selbstverschuldet – beim Justizsystem, bei der Steuerverwaltung, im öffentlichen Sektor insgesamt. Aber wir haben auch gesehen, dass zu harte Sparmaßnahmen in sehr kurzer Zeit das Land deutlich überfordert haben, die Krise verschärft haben; das hat zu mehr Armut, mehr Arbeitslosigkeit und am Ende auch mehr Schulden geführt.

Und wir haben auch falsche Privatisierungsentscheidungen gesehen! Zum Beispiel wurde der wichtige europäische Hafen Piräus, der Hafen von Athen, privatisiert und absurder- und ironischerweise an ein chinesisches Staatsunternehmen verkauft. Jetzt ist einer der wichtigsten Häfen Europas in der Hand eines chinesischen Staatsunternehmens. Das schwächt die europäische Handlungsfähigkeit, das schwächt unsere Souveränität. Das war ein großer Fehler. So etwas darf sich in der Zukunft in Europa nicht wiederholen!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Stephan Thomae [FDP])

Wir erleben gerade in Deutschland und in Europa eine massive Abhängigkeit von einem autokratischen Staat, nämlich Russland, und zwar bei russischem Erdgas und bei russischer Energieinfrastruktur. Deswegen ist es so wichtig, dass wir in den kommenden Debatten in Europa auch gucken, wie wir dafür sorgen können, unsere öffentlichen Güter in Europa und unsere Infrastruktur souveräner zu gestalten, und dafür auch in die Zukunft investieren. Mir und uns als Fraktion ist wichtig, dass wir jetzt schauen, dass wir Europa zusammenhalten.

Europa war in den letzten Jahren nie so einig wie in der Reaktion auf diesen schrecklichen Angriffskrieg Wladimir Putins auf die Ukraine. Diese Einigkeit gilt es auch in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren zu erhalten und zu kräftigen. Zentral dafür wird sein, dass wir unsere Souveränität stärken, gerade auch unsere Energiesouveränität. Wir müssen nicht nur von den fossilen Energieträgern Gas, Kohle und Öl des russischen Staates, sondern auch anderer autokratischer Staaten wegkommen.

Auch unsere digitale Souveränität in Europa müssen wir stärken, um geopolitisch handlungsfähig zu sein; das wird zentral sein. Das müssen wir dann auch bei finanzpolitischen Entscheidungen auf europäischer Ebene in den kommenden Wochen und Monaten absichern.

Wir müssen die richtigen Entscheidungen treffen, damit wir die Fehler der Finanzkrise nicht wiederholen. Wir dürfen uns nicht kaputtsparen, sondern müssen die notwendigen Investitionen in unsere digitale Souveränität und dafür vornehmen, dass wir auch die energiepolitische Transformation bewältigen können.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)