Rede von Katja Keul Rüstungsexporte
Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Um die Irrungen und Wirrungen des Kollegen Willsch zu widerlegen, fehlt mir leider die Redezeit.
(Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Es gibt ja auch nichts zu korrigieren!)
Aber ich empfehle einmal, sich mit den jesidischen Verbänden darüber zu unterhalten, wie sie das mit den Peschmerga sehen. Sie haben durchaus eine andere Sicht darauf, wer sie gerettet hat.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Ich habe die Mail gelesen!)
Zur SPD bzw. zum Kollegen Post. Ich bin durchaus differenziertere Reden von der SPD gewohnt. Das, was Sie hier abgeliefert haben, ist der SPD nicht würdig. Da hat sich selbst Gabriel in der letzten Legislatur mehr Mühe gegeben.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Bernhard Loos [CDU/CSU]: Aber es war richtig!)
Aber jetzt zu den Anträgen. Beim Lesen des ersten Absatzes des Feststellungsteils im Antrag der Linken hatte ich einen ganz ungewöhnlichen Impuls, nämlich den Impuls, Gabriel an dieser Stelle in Schutz zu nehmen. Warum? Sie vergleichen die Zahl der Gesamtgenehmigungen unter Schwarz-Gelb mit der der letzten Legislatur und sagen dann: Sie sind um 20 Prozent gestiegen. Wenn man aber weiß, wie die Verfahren laufen, dann weiß man, dass das nicht ganz fair ist.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Was hat Schwarz-Gelb gemacht? Schwarz-Gelb hat die größten, heikelsten und sensibelsten Kriegswaffenexporte, die wir erlebt haben, kurz vor der Bundestagswahl 2013 nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz genehmigt. Diese Genehmigungen werden uns Parlamentariern nicht mitgeteilt; sie stehen nicht im Rüstungsexportbericht. Sie tauchen netterweise erst zwei Jahre später auf, nämlich dann, wenn die Genehmigungen nach dem Außenwirtschaftsgesetz erteilt werden. Im Mai 2013 hat Schwarz-Gelb die Lieferung von 62 funkelnagelneuen Leopard-Kampfpanzern an Katar genehmigt; das waren 1,8 Milliarden Euro. Im August 2013, unmittelbar vor der Bundestagswahl, wurden dann noch einmal 33 Patrouillenboote für Saudi-Arabien genehmigt. Wenn man allein diese beiden Deals zusammenzählt, dann ist das fast der Jahreswert dessen, was vorher exportiert worden ist.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Insofern muss man schon sagen, dass die Verfahren als solche ein Problem sind. Deswegen ist eine unserer Forderungen, dass zukünftig nicht nur die Ausfuhrgenehmigungen, sondern auch die Herstellungsgenehmigungen, also die Genehmigungen nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz, in den Berichten stehen, damit Transparenz entsteht.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Im Moment haben wir die kuriose Situation, dass wir nach den Sitzungen des Bundessicherheitsrates Auskünfte über die Kriegswaffenkontrollgenehmigungen bekommen. Im Jahresbericht aber sind sie nicht enthalten. Das muss sich doch auflösen lassen, sodass wir in Zukunft alles erfahren.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir Grüne haben mehrfach unsere Eckpunkte für ein Rüstungsexportkontrollgesetz vorgelegt. Es enttäuscht mich sehr, dass die SPD das jetzt schlichtweg ablehnt; denn in der Opposition hat sie dem noch zugestimmt. Wie auch immer, wir brauchen jedenfalls Veränderungen, weil die Rüstungsexporte an Drittstaaten inzwischen die Regel sind und nicht die Ausnahme. Das kann nicht so bleiben. Wir müssen das Verfahren ändern.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Der erste Vorschlag ist die Regelung der Zuständigkeit. Die Zuständigkeit für Rüstungsexportkontrolle – das sieht man sehr schön an der Diskussion in der Union – darf nicht beim Wirtschaftsressort bleiben, sondern muss zum Auswärtigen Amt.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wer, wenn nicht das Auswärtige Amt, kann beurteilen, wie die Menschenrechtslage und die Sicherheitslage im Empfängerland sind?
Wir müssen die Kriterien und Grundsätze in der freiwilligen Selbstverpflichtungserklärung, nämlich die Grundsätze der Bundesregierung, endlich gesetzlich verankern und vor allem justiziabel machen. Warum müssen wir das? Die Grundsätze sind nicht schlecht, sie sind aus der Zeit von Rot-Grün. Dort steht viel Gutes. Die Bundesregierung erklärt immer, dass sie sich daran hält; das tut sie aber nicht. In den Grundsätzen steht: An Drittstaaten darf nur im Ausnahmefall exportiert werden, nur wenn die sicherheitspolitischen Interessen der Bundesrepublik Deutschland dies im Ausnahmefall nötig machen. In der Praxis erleben wir: Es ist der Regelfall. Mehr als 50 Prozent dieser Exporte gehen an Drittstaaten und weniger als die Hälfte an EU- und NATO-Partner.
Wir brauchen also gesetzliche Kriterien. Wir brauchen eine gesetzliche Begründungspflicht; das ist von der FDP zutreffend angesprochen worden. Wir haben zwar keinen verfassungsrechtlichen Anspruch – darauf hat das Verfassungsgericht hingewiesen –, aber wir können als Parlament eine einfachgesetzliche Begründungspflicht auf den Weg bringen, und das müssen wir tun.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Um das Ganze justiziabel zu machen, brauchen wir die Möglichkeit einer Verbandsklage.
(Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: So ein Quatsch!)
Der Präsident des BAFA hat vorgeschlagen, die Genehmigung auf ein Jahr zu befristen. Auch das finde ich sehr gut; das nehmen wir auf. Technische Unterstützung muss in Zukunft genehmigungspflichtig sein. Das können wir ganz einfach in § 49 der Außenwirtschaftsverordnung ändern. Wir wollen keinerlei Lizenzen zur Herstellung von Kriegswaffen an Drittstaaten vergeben.
Das sind unsere Kernpunkte. Darüber sollten wir hier debattieren. Dann kriegen wir das auch hin.
Die Forderung der Linken, einfach gar nichts an niemanden zu liefern, ist unterkomplex, um es einmal vorsichtig auszudrücken. Das ermöglicht uns leider nicht, Ihrem Antrag zuzustimmen. Wir werden uns enthalten, hoffen aber, dass irgendwann wieder eine konstruktive Debatte mit der SPD über unsere Forderungen möglich sein wird.
In diesem Sinne vielen Dank und schönes Wochenende.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)