Foto von Jürgen Trittin MdB
03.03.2023

Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn man sich die Anträge dieser Woche anschaut, fällt einem gelegentlich Nina Hagen ein:

Ist alles so schön bunt hier! … Ich kann mich … gar nicht entscheiden …

Sich nicht entscheiden zu müssen, ist das Privileg der Opposition. Sie wenden sich hier zu Recht gegen Russlands wachsenden Einfluss in Afrika. Parallel dazu legen Sie uns aber einen Antrag vor, wir sollen möglichst schnell aus Mali abziehen. Da fragt man sich: Wie passt das eigentlich zusammen? Haben Sie aus dem Chaosabzug Ihrer Regierung aus Afghanistan nichts gelernt, wo man das Land den Taliban überlassen hat?

Sie fordern in einem Antrag, Russlands Einfluss in Afrika zu begrenzen, und im anderen Antrag, ein Land, nämlich Mali, sich allein zu überlassen. Das ist der Grund, warum wir dafür plädieren, von dort geordnet im Rahmen der Vereinten Nationen abzuziehen. Wir sind zum Beispiel der Auffassung, es macht keinen Sinn, abzuziehen, bevor in Mali gewählt worden ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Dieses Beispiel ist vielleicht auch typisch für das, was Russlands Strategie in Afrika ausmacht. Das ist ja eine Strategie, die anders als die chinesische nicht auf massive Geldmittel setzt, sondern darauf, die Gelegenheit zu nutzen. Überall dort, wo Europa, zum Teil bedingt durch die eigene koloniale Geschichte, ein Vakuum hinterlässt, gehen sie rein und versuchen häufig, schwache, auch putschistische Regierungen zu stützen, um darüber Zugriff auf Rohstoffe zu haben, so in der ZAR, in Mali, in Burkina Faso oder auch im Sudan. Wir haben ja gesehen, was mit der Goldmine, die direkt von der Wagner-Gruppe im Sudan betrieben worden ist, so passiert.

Das Schlimme ist: Es geht hier nicht nur um leicht erbeutete Ressourcen, sondern es geht Putin natürlich auch und gerade darum, mehr politischen Einfluss zu bekommen. Das Ergebnis haben wir gesehen, beispielsweise in dem Abstimmungsverhalten von Mali, das von einer Enthaltung zur offenen Unterstützung von Russland übergegangen ist.

Gleichzeitig finde ich, dieses Vorgehen muss uns zu denken geben. Wenn in Burkina Faso zur Unterstützung der Putschisten die russische Fahne sozusagen als Freiheitsfahne hochgehalten wird, dann haben wir ein Problem damit, dass Russland seine falschen Narrative dort offensichtlich sehr erfolgreich verbreiten kann. Wir werden klarmachen müssen, dass Ursache eines Teils der Probleme, die diese Länder haben – zum Beispiel massiv explodierende Energiepreise, Schwierigkeiten beim Zugriff auf Getreide und andere Nahrungsmittel –, eben nicht eine Verschwörung des Westens ist, sondern Folge des Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine.

Aber wenn wir das so feststellen, dann stellen wir auch fest, dass der Ruf Europas auf dem afrikanischen Kontinent nicht der beste ist, was mit unserer europäischen Tradition, auch unserer Kolonialgeschichte zu tun hat, was aber – das will ich an der Stelle auch sagen, damit das nicht nur so vergangenheitsorientiert ist – zum Teil auch mit politischem und ökonomischem Desinteresse zu tun hat. Wegen dieses Desinteresses sind nicht nur die Russen mit ihrem Nischenimperialismus – so würde ich ihr Vorgehen in Afrika nennen – sozusagen reinmarschiert, sondern natürlich auch die Chinesen mit großen Geldmitteln.

Wenn man sich mal anschaut, was das für den afrikanischen Kontinent heißt, dann sieht man: China hat fast perfekt von den schlechten neokolonialen Traditionen Europas gelebt. Sie geben großzügig Kredite, aber sie beharren dabei auf der Rückzahlung und treiben so ganze Länder in eine Verschuldungsfalle. Ich glaube, dass wir darauf als Europa eine ernste Antwort finden müssen. Diese ernste Antwort kann nur sein, dass wir dem Nischenimperialismus Russlands, diesen neuen neokolonialen Verschuldungspraktiken von China etwas Eigenes entgegensetzen. Das geht mit so etwas wie Global Gateway.

Da geht es übrigens um mehr als nur darum, auf Rohstoffe zuzugreifen. Herr Staatssekretär Kellner sitzt hier. Ich nenne gerade das Beispiel der Partnerschaft zwischen Namibia und Deutschland zum Aufbau riesiger Windparks zur Produktion von grünem Wasserstoff, aber eben auch zum Aufbau einer eigenen Wertschöpfungskette in Namibia. Die Förderung von eigenem ökonomischem Handeln scheint mir an dieser Stelle die wichtigste Alternative zu sein, um Russlands Vorgehen in Afrika und seine Narrative zu zerstören.

Das setzt aber Engagement voraus, das setzt Bereitschaft voraus, und das setzt Investitionen voraus. Das heißt für mich: Es ist klug, dass diese Koalition sich darauf verständigt hat, den Sicherheits- und internationalen Verpflichtungen in der Welt dadurch nachzukommen, dass wir nicht nur den Rüstungsetat notwendigerweise nach oben treiben, sondern eins zu eins auch die Ausgaben für Diplomatie und Entwicklung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Die Kollegin Dr. Katja Leikert hat jetzt das Wort für die CDU/CSU-Fraktion. Sie erweist uns die Ehre, ihren Geburtstag mit uns zu verbringen. Alles Gute Ihnen und Gottes Segen!

(Beifall)