Merle Spellerberg
10.02.2023

Merle Spellerberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir müssen den Bundeswehreinsatz in Mali mit einem breiten Blick betrachten, einem Blick, der selbstverständlich die Sicherheit unserer Soldatinnen und Soldaten betrachtet, aber ebenso die Sicherheit der Menschen vor Ort sowie große geopolitische Fragen rund um Stabilität und die Einflussnahme von autokratischen Staaten. Dazu haben wir gerade schon einiges gehört.

Ich sage ganz ehrlich: Es graust mir, wenn ich nach dem Besuch des russischen Außenministers Lawrow in Mali Berichterstattungen über die Achse Bamako‑Moskau lese. Es graust mir, wenn wir von malischen Menschenrechtsorganisationen Berichte über die schwerwiegenden Verbrechen der Wagner-Truppe hören. Und es graust mir wegen der demokratie- und menschenfeindlichen Außenpolitik Russlands, der wir uns entgegenstellen müssen, wenn wir die Menschen vor Ort – auch in Mali – nicht im Stich lassen wollen. Russlands globaler Machtpolitik wirken wir auch entgegen, wenn wir für andere Länder verantwortungsvolle Partner/-innen sind.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Es darf eben nicht unbeantwortet bleiben, dass Russland widerliche Selbstinszenierung als Antikolonialmacht betreibt, während es seine Großmachtfantasien im Krieg gegen die Ukraine in keinem Fall versteckt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, es ist uns allen klar, dass es nichts bringt, zu leugnen, dass die malische Transitionsregierung eine vertrauensvolle Zusammenarbeit aktuell sehr schwierig macht; das hat auch der Verteidigungsminister korrekterweise angesprochen. MINUSMA ist schon lange – auch das wurde angesprochen – die aktuell gefährlichste Mission der Bundeswehr,

(Petr Bystron [AfD]: Ja! Die wollen uns da nicht haben!)

und die malische Transitionsregierung droht sie mit ihrem Verhalten noch gefährlicher zu machen. Es ist klar, dass es frustrierend ist, dass wir immer wieder über Überflugrechte streiten müssen, die für die Ausübung des Mandats – das ist allen bewusst – notwendig sind. Es ist ganz klar ein Problem, wenn unsere UN-Partner/-innen aus dem Land verwiesen werden, weil sie menschenrechtspolitisch aktive Zivilgesellschaften unterstützen.

All das hat eben auch dazu beigetragen, dass bereits entschieden wurde, den Einsatz nach fast zehn Jahren zu beenden. Ich bin weiterhin davon überzeugt, dass wir uns die Zeit nehmen sollten für einen geordneten Rückzug. Das ist kein Blankoschein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Kollegin Spellerberg.

Merle Spellerberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Nein, keine Zwischenfrage. – Und das kann auch beinhalten, dass wir den Abzug in Bezug auf einige Fähigkeiten, die wir aufgrund der Lage nicht ausführen können, schon früher vollziehen. Aber die Bundeswehr und unsere strategischen Partner/-innen vor Ort und international haben jetzt Gewissheit und Planungssicherheit. Und das ist ein Erfolg, der nach vielen Debatten und Abwägungen erzielt wurde.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Karamba Diaby [SPD])

Die Forderung, diese Einigung jetzt wieder aufzuknüpfen, kann ich schwer nachvollziehen. Der geforderte vorzeitige Abzug wäre zu diesem Zeitpunkt überstürzt und damit ein Fehler.

(Florian Hahn [CDU/CSU]: So ein Unsinn! Zehn Monate Zeit!)

In unsere Überlegungen zur Zukunft des MINUSMA-Mandats fließen immer unterschiedliche Perspektiven ein. Für mich beruhen diese auf zahlreichen Gesprächen mit der Truppe, Debatten hier im Bundestag, dem Austausch mit Vertreter/-innen der Vereinten Nationen und vor allem auch Begegnungen in Mali selber, die ich hatte, als ich die Außenministerin letztes Jahr begleiten durfte.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es ist wichtig, dass wir hier alle Dimensionen mitdenken. Es ist wichtig, dass wir aus unseren Fehlern lernen. Der zehnjährige Einsatz endet jetzt also in einem Rahmen, der Planungssicherheit für die Bundeswehr schafft, und er bietet unseren Verbündeten und besonders den Menschen in Mali eine Perspektive, auf die sie sich einstellen können; denn unsere Präsenz vor Ort hat eben einen Einfluss auf die Sicherheitslage der Menschen.

(Florian Hahn [CDU/CSU]: Null Komma null!)

Wir unterstützen die Einhaltung des Friedensabkommens und schaffen regional eine gewisse Stabilität, um Malis Demokratie in einem Rahmen langfristig stärken zu können. Deshalb ist es so wichtig, dass sich die Bundesregierung auch darauf geeinigt hat, eine Folgestrategie – wie bereits vom Kollegen angesprochen – für die gesamte Sahelzone zu erarbeiten. Eineinhalb Jahre schaffen einen Rahmen, um eine neue Kooperation anzustoßen und um die Beziehung zur malischen Regierung auch nach unserem Einsatz in MINUMSMA nicht vollends zu kappen.

Lassen Sie uns also einen geordneten Abzug ermöglichen. Lassen Sie uns ein klares Zeichen an unsere Partner/-innen vor Ort senden, dass es bessere Optionen gibt als die Zusammenarbeit mit menschenfeindlichen Autokraten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Lassen Sie uns gemeinsam die Entwicklung einer Sahelstrategie begleiten: eine Strategie mit Antworten auch auf russische globale Machtpolitik, eine Sicherheitspolitik mit Entwicklungszusammenarbeit, mit Menschenrechten, mit Diplomatie.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Das Wort hat die Kollegin Sevim Dağdelen für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)