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26.11.2020

Dr. Frithjof Schmidt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind mitten im Prozess der Entwicklung einer neuen Afrika-Strategie der Europäischen Union. Das Eckpunktepapier, das Josep Borrell im Frühjahr dazu vorgestellt hat, war sehr allgemein gehalten, und die Schlüsselregion des Sahel kam praktisch darin nicht vor. Sie umfasst eine Zone südlich der Sahara vom Atlantik bis zum Roten Meer. Jetzt ist der geplante EU-Afrika-Gipfel auf das nächste Frühjahr verschoben worden. Das schafft Zeit, um diese strategische Leerstelle, die Herr Borrell geschaffen hat, endlich zu füllen. Wir fordern von der Bundesregierung, dass sie die Schlussphase ihrer Ratspräsidentschaft nutzt, um dazu eine Initiative zu ergreifen. Wir legen Ihnen in unserem Antrag Vorschläge dazu vor.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Traditionell war die europäische Sahelpolitik in einen frankofonen und einen anglofonen Teil aufgespalten. Das wurde schon immer den intensiven Verflechtungen in der Region nicht gerecht. Wer jemals an der Grenze zwischen dem Tschad und Darfur im Sudan gewesen ist, weiß, wie absurd solche Zuordnungen sind. Mit dem erklärten Ende von Françafrique einerseits

(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Na ja!)

und dem Brexit andererseits ist eine ganzheitliche strategische Neuausrichtung der Sahelpolitik in der Europäischen Union überfällig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gerade was den westlichen Teil des Sahel betrifft, ist die europäische und damit auch die deutsche Politik durch massive Schieflagen geprägt. Die Situation in den sogenannten G-5-Sahelstaaten verschlechtert sich seit Jahren dramatisch. Der Putsch in Mali im Sommer hat das besonders deutlich werden lassen. Trotz der Erkenntnis, dass die massiven militärischen Einsätze so nicht zu Stabilisierung und Frieden geführt haben, steht noch immer die Ausweitung des Antiterrorkampfes im Zentrum unserer Politik. Gleichzeitig haben wir eine zunehmende Zersplitterung des zivilen und entwicklungspolitischen Engagements in verschiedene und leider teilweise auch konkurrierende Allianzen und Koalitionen. Kaum jemand kann erklären, wie viele dieser Allianzen und Koalitionen es gibt und was sie im Einzelnen so genau machen.

Gerade die Zivilgesellschaften in der Region müssen deutlich mehr Aufmerksamkeit und Unterstützung erfahren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Kathrin Vogler [DIE LINKE])

Es geht darum, das große Potenzial der demokratischen Kräfte dieser Zivilgesellschaften, die da sind, die auch in Ländern wie Mali gerade besonders lebendig sind, zur Stabilisierung ihrer Länder zu mobilisieren. Das muss der zentrale Ansatz sein. Das haben wir bisher nicht geschafft und nicht wirklich hinbekommen. Das erfordert nämlich auch entsprechendes Personal in den politischen Vertretungen.

Was Deutschland betrifft, ist die diplomatische Präsenz in der ganzen Sahelregion fast schon abenteuerlich gering. Im riesigen Gebiet zwischen Atlantik und Rotem Meer sind ungefähr 30 Diplomatinnen und Diplomaten des höheren Dienstes im Einsatz. Das bedeutet also oft nur drei oder vier für ein Land, in manchen Ländern auch weniger. Selbst wenn in der Theorie die Verstärkung des zivilen Engagements beschworen wird: Die nötige regierungsferne Umsetzung in diesen Ländern ist mit dieser Ausstattung kaum machbar; das erleben wir seit geraumer Zeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Fraktion macht sich keine Illusionen hinsichtlich der komplizierten Lage in allen Sahelstaaten, die schnelle Erfolge oft nicht zulässt. Aber gerade im Bereich der Diplomatie kann die Bundesregierung sofort etwas tun und mit dem Einsatz überschaubarer Mittel deutliche Wirkung erzielen. Es ist Zeit für eine diplomatische Offensive für den Sahel.

Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Christoph Hoffmann [FDP])

Vizepräsident in Claudia Roth:

Vielen Dank, Dr. Frithjof Schmidt. – Nächster Redner: für die CDU/CSU-Fraktion Markus Koob.

(Beifall bei der CDU/CSU)