Rede von Dr. Manuela Rottmann Sanierung und Insolvenz

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17.12.2020

Dr. Manuela Rottmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist in der Tat so, dass es heute um ein Gesetz geht, das im Kern mit der Bewältigung der Coronapandemie gar nichts zu tun hat. Auf der einen Seite wird ein vorinsolvenzliches Restrukturierungsverfahren geschaffen – das ist grundsätzlich sinnvoll –, auf der anderen Seite werden die Erfahrungen mit dem ESUG ausgewertet, was das Schutzschirmverfahren und die Eigenverwaltung angeht. Jetzt sind wir aber in der Coronakrise, und die Auswertung der Erfahrungen, die wir eigentlich machen wollten, setzen wir jetzt erst mal wieder aus, weil wir ja in der Krise sind. An dem Beispiel sieht man ganz gut, dass dieser Gesetzentwurf eigentlich nicht in diese Zeit passt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für keines dieser Anliegen wäre ein Inkrafttreten zum 1. Januar erforderlich gewesen. Das will ich hier auch mal sagen: Es hätte uns allen gutgetan, die Justiz mit ein bisschen mehr Zeit auszustatten, damit sie sich diesem völlig neuen Rechtsgebiet öffnen kann. Wir reden hier viel über den Pakt für den Rechtsstaat. Der Gesetzgeber wäre mal dran, Respekt vor der Justiz zu zeigen und anzuerkennen, dass diese auch Zeit braucht, um so etwas umzusetzen. Aber es muss unbedingt der 1. Januar sein. Das verstehe ich nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Kleinen Unternehmen, die jetzt schon wegen der Auswirkungen der Pandemie zahlungsunfähig sind, nützt diese Reform gar nichts. Das vorinsolvenzliche Restrukturierungsverfahren erfordert Beratung und Begleitung, und das ist zu teuer für diese Unternehmen. Die Bereitstellung von Checklisten und Formularen bis zum Jahresende hilft doch keinem kleinen Unternehmen. Die brauchen jetzt jemanden, der sie unterstützt bei den Gesprächen mit Gläubigern, mit Vermietern, mit Lieferanten. Das hätten wir finanzieren müssen. Das wäre ein Neustart gewesen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Koalition hat tatsächlich in den letzten Monaten in dem Punkt den falschen Schwerpunkt gesetzt. Wir beschäftigen uns jetzt hier mit Restrukturierungsinstrumenten für Unternehmen, die auf Monate hin durchfinanziert werden müssen, um diese Option überhaupt ziehen zu können.

Ich bin diesen Weg trotzdem lange mitgegangen, auch aus Anerkennung für die Arbeit der Kolleginnen und Kollegen der Koalition. Sie haben tatsächlich wesentliche Einwände gegen den Regierungsentwurf aufgegriffen – ich verstehe, dass das an der Linkspartei vorbeigegangen ist, weil das Gesetzgebungsverfahren wirklich chaotisch war –, zum Beispiel die Änderung, dass die Beteiligung der Arbeitnehmervertreter auch dann möglich ist, wenn sich das Verfahren einem insolvenzrechtlichen Verfahren annähert. Ich habe das mitbekommen. Ich war sogar bereit, ein letztes Mal die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht für einen klar begrenzten Zeitraum zu verlängern. Aber bei dem, was Sie da am Dienstagabend um 21.30 Uhr vorgelegt haben, da gehe ich nicht mehr mit.

Es gibt hier ein Missverständnis. Herr Fechner und Frau Skudelny gehen davon aus, dass wir die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis 31. Januar verlängern wollen. Das tun wir nicht. Wir verlängern die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht, bis Peter Altmaier so weit ist, dass die Leute Anträge stellen können, also für einen völlig unbegrenzten Zeitraum.

(Beifall bei der FDP – Judith Skudelny [FDP]: Genau! Es ist unbegrenzt!)

Und das geht so nicht, nicht im zehnten Monat der Einschränkungen.

Ich sage Ihnen eines: Das Insolvenzrecht ist wichtig, und es ist für vieles gut. Aber es ist definitiv der falsche Ort, um die Insolvenzreife von Peter Altmaier zu kaschieren.

Vielen Dank.

(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall der Abg. Fabian Jacobi [AfD] und Judith Skudelny [FDP])

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Vielen Dank, Frau Kollegin Dr.  Rottmann. – Nächster Redner ist der Kollege Dr.  Karl-Heinz Brunner, SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)