Rede von Ekin Deligöz Schlussrunde Haushalt 2018

05.07.2018

Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister Scholz – er sitzt jetzt gar nicht hier, aber ich denke, er ist im Saal –, ich war ehrlich gesagt total erfreut darüber, dass Sie das Recht des Parlamentes, das Haushaltsrecht, so betont haben. Denn immerhin hat der Haushaltsminister 94 Tage gebraucht, bis er uns das erste Mal im Ausschuss beehrt hat.

(Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Unser Minister war schon zweimal da!)

Wir haben ja quasi Suchanzeigen aufgegeben, weil wir nicht wussten, wo er ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Ich finde, Respekt vor dem Haushaltsausschuss bedeutet auch, dass man auch mal hingeht und nicht der Letzte ist. Selbst Herr Schäuble war ja schon vor Ihnen bei uns im Haushaltsausschuss. Aber ich entnehme den Worten des Herrn Ministers, dass er sich in dieser Frage bessert.

Mir ist noch ein zweiter Punkt bei dieser Debatte aufgefallen. Ich sitze hier schon seit 12 Uhr und habe noch nie so oft den Satz gehört: Nach dem Haushalt ist vor dem Haushalt. – Da das immer von den Koalitionsfraktionen kam, klang das in meinen Ohren wie eine Beschwörungsformel, nach dem Motto: Okay, das ist es jetzt nicht, aber es wird besser. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir glauben Ihnen nicht. Wir glauben Ihnen einfach nicht, dass es besser wird. Denn das, was Sie hier jetzt vorgelegt haben, macht nicht viel Hoffnung. Dass Sie viele Ideen nicht vorgestellt haben, weil Sie sie nicht haben, macht auch nicht viel Hoffnung. Aber die Opposition hat da ordentlich gearbeitet. Wir haben richtig gute Vorschläge. Sie dürfen gerne abschreiben. Wir helfen Ihnen auch dabei, gute Ideen umzusetzen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Otto Fricke [FDP])

Da ich die zweite Frau bin, die in der Debatte redet, verzeihen Sie mir, dass ich Folgendes anführe: Als Mutter erinnert mich das Verhalten der Koalition ein bisschen an den Teenager zu Hause: schönstes Wetter draußen, das Kind verharrt drinnen. Sie haben die besten Bedingungen, aber Sie machen nichts daraus.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es ist den Teenagern egal, was übermorgen ist und was nach den Sommerferien ist. Ihnen ist, ehrlich gesagt, auch stinkegal, was danach kommt und was in den nächsten Jahren in diesem Land sein wird. Die Teenager streiten ständig in der Familie. Sie von der Koalition sind geradezu Meister im Streiten, noch besser geht es gar nicht. Nur: Für den Teenager ist es normal, er übersteht das, er wächst, er gedeiht. Für Sie als Regierung ist das nicht normal, aber leider derzeit ein Dauerzustand.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dabei haben Sie wirklich die besten makroökonomischen Rahmendaten. Ja, natürlich brauchen wir Strategien für soziale Gerechtigkeit. Herr Kollege Rehberg, Sie sagen, Sie können es Ihren Kindern nicht erklären. Ehrlich gesagt werde ich meinen Kindern irgendwann nicht mehr erklären können, warum sie noch länger arbeiten und noch mehr einzahlen müssen, damit wir überhaupt noch ein Rentensystem in diesem Land aufrechterhalten können. Ich werde es der Frau, die von Grundsicherung lebt, nicht erklären können, warum sie einerseits Rentenpunkte kriegt, dass das andererseits von ihren Leistungen abgezogen wird. Ich werde den Beitragszahlerinnen und -zahlern nicht erklären können, warum sie sich alleine mit den Erziehenden solidarisieren sollen und alle anderen sie im Stich lassen. Dieser Spaß, den Sie hier groß herausstellen, wird nämlich jährlich 11 Milliarden Euro kosten, und Sie haben keine Ahnung, wie Sie das finanzieren sollen. Am Ende werden es weitgehend die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler und die Rentenkasse alleine machen. Das ist nicht solidarisch. Das ist nicht sozial gerecht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Das ist eine Politik auf Kosten der künftigen Generationen, die draufzahlen müssen.

Ja, wir reden über den Kampf gegen die Klimakrise. Ja, wir brauchen da die Forschungsmittel. Was machen Sie? Gerade im Etat der Bildungsministerin – dort haben wir einen Bundesrechnungshofbericht nach dem anderen – sehen wir: Sie interessieren sich überhaupt nicht dafür. Das kommt in Ihren Reden überhaupt nicht vor. Ganz im Gegenteil: Sie verschwenden Geld. Sie gehen verantwortungslos mit diesem Geld um. Machen Sie doch endlich mal was Konkretes! Investieren Sie endlich mal in die Energiewende; investieren Sie in die Verkehrswende! Ideen gibt es ja genug. Warum fangen Sie nicht damit an?

Ich lege Ihnen vor der Sommerpause zum Abschluss dieses wunderschöne Spiel „Hase und Igel“ ans Herz. Da kann man ganz viel lernen: Strategie, Kreativität, Miteinander, Frust überwinden – all das, was Sie dringend brauchen.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Frau Kollegin, auch Sie müssen zum Ende kommen.

Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Dafür haben Sie auch die Sommerpause; danach wird es vielleicht besser.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)