Rede von Sven-Christian Kindler Schlussrunde Haushalt 2024

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08.09.2023

Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das war eine lebhafte Haushaltswoche. So soll es auch sein; denn der Haushalt ist die wichtigste Grundlage für gutes Regierungshandeln. Natürlich ringt man dabei zwischen Koalition und Opposition um die besten Lösungen, und selbstverständlich ist es so, dass auch vorher, zum Beispiel im Kabinett, um die besten Lösungen gerungen wurde.

Natürlich würde man sich wünschen, dass so manches ruhiger, intern passiert und nicht alles öffentlich ausgetragen wird; da können und da müssen wir auch besser werden. Aber gleichzeitig ist es auch sinnvoll, dass um Lösungen gerungen wurde. Wir hatten 16 Jahre lang viel Stillstand in diesem Land.

Es sind drei Parteien, die aus unterschiedlichen Perspektiven auf die Probleme und die Herausforderungen schauen. Und aus meiner Sicht ist es so: Unterschiedlichkeit ist in dem Fall keine Schwäche, sondern eine Stärke, weil sie häufig zu besseren Ergebnissen führt, weil wir Dinge besser durchdenken, weil wir stark miteinander ringen, weil wir nichts gegeneinander ausspielen und so zu besseren Entscheidungen kommen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Wir Haushälterinnen und Haushälter der Koalition beschreiben nicht nur die Probleme – wir haben in dieser Haushaltswoche gesehen, wie zum Beispiel die Union den Stand und die Lage sehr schlechtgeredet hat, wie Frau Gräßle gerade –,

(Dr. Ingeborg Gräßle [CDU/CSU]: Was?)

sondern wollen jetzt auch an konkreten Lösungen arbeiten. Und genau so werden wir in diesem Haushaltsverfahren agieren: Wir werden sehr konkrete Lösungen für die Probleme anbieten, die es gibt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit meinen Sprecherkollegen Otto Fricke und Dennis Rohde, unseren Arbeitsgruppen, unseren Teams, und ich freue mich auch auf die Zusammenarbeit mit den demokratischen Fraktionen im Haushaltsausschuss.

Dann will ich nur sagen: An manchen Stellen kann ich die Wortbeiträge der Union nicht richtig nachvollziehen. Die Haushaltspolitikerinnen und -politiker der Union mahnen wie in dieser Debatte an, dass wir mehr sparen müssen, sagen aber nicht konkret, wie es gehen soll,

(Otto Fricke [FDP]: So ist es!)

und ihre Fachpolitikerinnen und Fachpolitiker fordern die ganze Woche immer mehr, mehr, mehr, sagen dabei aber nicht, wo das Geld herkommen soll. Das ist am Ende nicht seriös.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Marianne Schieder [SPD]: Ganz genau!)

Ich weiß ja selber, wie es in der Opposition ist, und wir haben es uns in der Fraktion in den Haushaltsberatungen nicht immer leicht gemacht.

(Otto Fricke [FDP]: Stimmt!)

Aber, ehrlich gesagt, ich hätte mich schon ein bisschen geschämt für so eine Arbeit: keine Vorschläge zur Gegenfinanzierung, immer nur mehr fordern und am Ende nicht sagen können, wie es finanziert werden soll.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Otto Fricke [FDP] – Uwe Feiler [CDU/CSU]: Wo haben Sie das denn her?)

Da erwarte ich mir einfach mehr von der Union.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Ich glaube aber, dass nicht die Haushälter das Problem bei der Union sind, die sich häufig nicht durchsetzen können. In Norddeutschland sagt man: Der Fisch stinkt vom Kopf.

(Zuruf des Abg. Dr. Rainer Kraft [AfD])

Dazu habe ich mir mal das Positionspapier des Vorstandes der Unionsfraktion angeguckt, das die Union im schönen Sauerland, der Heimat von Herrn Merz, beschlossen hat. Da fordern Sie zum Beispiel die Absenkung der Stromsteuer. Sie fordern die Halbierung der Netzentgelte. Sie fordern, die Sozialabgabenquote bei 40 Prozent zu deckeln. Sie fordern die Abflachung des Mittelstandsbauchs in der Einkommensteuer.

(Patricia Lips [CDU/CSU]: Super!)

Sie fordern die Senkung der Unternehmensteuer, die Senkung der Grunderwerbsteuer usw. usf. Ich könnte noch sehr lange ausführen. Zusammengenommen kommt man auf Mindereinnahmen von rund 50 Milliarden Euro pro Jahr, und das ohne konkrete Gegenfinanzierung.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Kay Gottschalk [AfD]: Die beste Gegenfinanzierung ist Wachstum, Herr Kollege! Wachstum!)

Jetzt haben wir gehört, 40 Milliarden Euro könnten wir bei den Ländern sparen; gleichzeitig fordern die CDU-Ministerpräsidenten immer mehr Geld vom Bund. Das passt doch alles nicht zusammen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Zuruf des Abg. Florian Oßner [CDU/CSU])

Sie wissen genau: Sie versprechen einfach etwas, was Sie nie, nie, nie im Leben halten können.

(Beifall der Abg. Dr. Paula Piechotta [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Und das hat aus meiner Sicht nichts mit zahlenbasierter, mit realistischer, mit faktenbasierter Finanzpolitik zu tun. Ich muss es leider so hart sagen: Das, was Sie hier machen, ist haushaltspolitischer Populismus.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Zum Populismus passt ja auch Ihre Kampagne, die Sie gegen klimafreundliche Heizungen gemacht haben; wir haben es gerade von Frau Gräßle wieder gehört.

Wir werden jetzt hier im Anschluss an diese Schlussrunde zum Bundeshaushalt die zweite und dritte Beratung des Gebäudeenergiegesetzes durchführen und es nach einer sehr langen und intensiven gesellschaftlichen wie parlamentarischen Beratung und Debatte beschließen, und das ist richtig so.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU]: Ganz sicher nicht! – Yannick Bury [CDU/CSU]: Ohne parlamentarische Beratung! – Christian Haase [CDU/CSU]: Ohne!)

Das ist ein Meilenstein für gerechten Klimaschutz, und das wird die Wärmeversorgung in Zukunft sicher und bezahlbar machen, angesichts massiv steigender Preise für fossile Energieträger.

Auch wir Haushälterinnen und Haushälter haben daran mitgearbeitet, damit es am Ende ein gutes Konzept wird. Wir haben eine Förderkulisse geschaffen, die den Umstieg ermöglicht, ohne Menschen finanziell zu überfordern. Uns Grünen war besonders wichtig, dass wir vor allen Dingen Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen nicht überfordern; das war allen Fraktionen wichtig, und das haben wir gemeinsam hinbekommen.

Es gibt jetzt eine Förderkulisse: Bis zu 70 Prozent wird die Neuanschaffung einer klimafreundlichen Heizung gefördert. Es gibt einen Geschwindigkeitsbonus, wer schnell umsteigt, bekommt mehr. So geht sozial gerechter Klimaschutz.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Uwe Feiler [CDU/CSU]: Das will doch kein Mensch!)

Wir werden uns diesen Etat im Haushaltsausschuss intensiv anschauen und die nächsten Monate in der Koalition und zusammen mit den demokratischen Fraktionen nutzen, um den Entwurf zu verbessern und gute Lösungen zu finden. Die Ziele, die wir erreichen wollen, sind klar: Wir müssen in diesen Zeiten den demokratischen, sozialen und gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken. Es geht um die wirtschaftliche Entwicklung; es geht um internationale Gerechtigkeit und Klimaschutz.

Ich freue mich auf die Beratung; denn am Ende ist Haushalt immer konkret. Wir müssen über konkrete Lösungen reden. Wir können nicht nur Forderungen aufstellen, sondern am Ende müssen die Zahlen die Wahrheit sprechen. Darauf freue ich mich.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Für die Unionsfraktion hat das Wort Yannick Bury.

(Beifall bei der CDU/CSU)