Dr. Sebastian Schäfer
30.11.2023

Dr. Sebastian Schäfer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Dieser letzte Antrag der Fraktion Die Linke zielt ja nicht darauf ab,

(Victor Perli [DIE LINKE]: Abwarten!)

die Regeln des Grundgesetzes in Artikel 115 komplett zu streichen. Ein Teil des Antrags fordert schlicht, was wir als Ampelfraktionen gemeinsam mit der Bundesregierung derzeit umsetzen: die Erklärung der Notlage für dieses Jahr. Das geschieht mit dem Nachtragshaushalt. Morgen werden wir damit an dieser Stelle befasst sein, nachdem das Kabinett das anfangs dieser Woche beschlossen hat. Nächste Woche werden wir das auch in einer Anhörung und in einer Sitzung des Haushaltsausschusses beraten.

Liest man Ihren Antrag weiter, so stößt man am Ende jedoch auf folgende Formulierung: „Solange die Abschaffung der Schuldenbremse keine Mehrheit findet, muss sie ausgesetzt werden …“

(Lachen bei Abgeordneten der FDP – Otto Fricke [FDP]: Bitte?)

Da muss ich entschieden widersprechen. Regeln zur Begrenzung von Staatsschulden machen Sinn.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD, der FDP und der AfD – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber vernünftige Regeln!)

Eine übermäßige Verschuldung kann ein Problem in Bezug auf die langfristige Handlungsfähigkeit des Staates und damit in Bezug auf die Verlässlichkeit unseres Landes sein. Ein Übermaß an Verschuldung begrenzt die Möglichkeiten zukünftiger Generationen, politisch eigene Entscheidungen zu treffen, und deshalb wollen wir das verhindern.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der FDP – Otto Fricke [FDP]: Wie wahr!)

Wir zahlen in diesem Jahr knapp 40 Milliarden Euro an Zinsen, und ich glaube, das Geld wäre an anderer Stelle besser angelegt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Maximilian Mordhorst [FDP])

Das hängt allerdings auch mit unserem Schuldenmanagement zusammen. Die mittlere Zinsbindungsfrist der Bundesanleihen ist zwischen 2012 und 2021 um lediglich vier Monate auf knapp sieben Jahre gestiegen. Zu Zeiten der Großen Koalition wurde es versäumt, die Niedrigzinsphase klug zu nutzen, um langfristig günstige Zinskonditionen abzusichern. Gleichzeitig sind in dieser Zeit viele Investitionen leider unterblieben. Die schwarze Null ist eben nur ein Teil der finanzpolitischen Wahrheit.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Otto Fricke [FDP]: Sehr wahr!)

Investitionen müssen weitgehend privat finanziert werden.

(Victor Perli [DIE LINKE]: Was?)

Aber in Situationen von Marktversagen und beim Markthochlauf ist es klug, wenn der Staat gezielt unterstützt, und das steht gerade an: Es geht um Technologien und Infrastruktur für die Klimaneutralität, die wir erreichen wollen. Es geht um eine industrielle Revolution und gleichzeitig um den globalen Wettbewerb, der immer härter wird.

Wir alle kennen doch die Defizite, die wir bei der Infrastruktur, bei der Digitalisierung, bei der Bildung oder bei der Integration gemeinsam beheben müssen. Die Herausforderungen sind groß. Wir – damit meine ich alle demokratischen Parteien in unserem Land – sollten ernsthaft und in Ruhe darüber diskutieren, welchen Sinn, welchen Zweck und welche Wirkung Fiskalregeln haben und haben sollten. Die Schuldenbremse, so wie sie ausgestaltet wurde, führt nicht zwangsläufig dazu, dass wir die richtigen Prioritäten setzen und die Wachstumskräfte in unserem Land entfesseln.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Herr Kollege, Sie müssen bitte auch irgendwann zum Schluss kommen.

Dr. Sebastian Schäfer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Deshalb lohnt es sich, diese Debatte zu führen.

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Victor Perli [DIE LINKE]: Wo wollt ihr kürzen?)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Vielen Dank, Herr Kollege Schäfer. – Nächster Redner ist der Kollege Dr. Michael Espendiller, AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)