Rede von Sven Lehmann Selbstbestimmung – Abschaffung Transsexuellengesetz

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19.06.2020

Sven Lehmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn Ihnen Ihr Sohn voller Angst mitteilt, dass das Geschlecht, das ihm bei seiner Geburt zugewiesen wurde, nicht das ist, wie er sich selber empfindet und leben möchte, dann ist das eine große Herausforderung für Sie als Eltern und Familie, in der Schule, im Sportverein, vor allem aber für den Menschen selber. In dieser Situation braucht es gute Beratung, Unterstützung und Vertrauen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Susann Rüthrich [SPD])

Was es nicht braucht, sind Fremdbestimmung und Schikane. Genau das macht aber das Transsexuellengesetz seit 40 Jahren: Es verletzt die Würde und die Freiheit. Es ist überfällig, es endlich abzuschaffen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der FDP und der LINKEN)

Wer heute nach dem Transsexuellengesetz seinen Personenstand und Vornamen ändern will, muss zwei Sachverständigengutachten vorlegen. In den Fragebögen tauchen dann unter anderem solche Fragen auf – ich zitiere –:

Wie oft masturbieren Sie durchschnittlich innerhalb eines Monats?

Und:

Falls Sie das Erscheinungsbild eines Mannes haben, tragen Sie dann weibliche Unterwäsche, um sich zu stimulieren?

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist einfach nur würdelos.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der FDP und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Selber über seinen Körper und seine Identität zu bestimmen, das ist das ureigenste Recht eines jeden Menschen. Wir alle wollen das.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie der Abg. Susann Rüthrich [SPD])

Warum verweigert der Staat aber trans- und intergeschlechtlichen Menschen dieses Recht? Warum zwingt er sie, sich als psychisch krank attestieren zu lassen, bloß wenn sie ihren falschen Geschlechtseintrag und Personenstand korrigieren wollen? „Trans“ und „Inter“ sind nicht krank. Krank ist ein Gesetz, das Menschen für krank erklärt, die eigentlich nur in Freiheit und Würde leben wollen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)

Wir Grüne bringen heute einen Entwurf eines Selbstbestimmungsgesetzes ein, das das Transsexuellengesetz ablösen soll. Wir fordern einfache Verfahren zur Änderung von Vornamen und Personenstand ohne pathologisierende Zwangsgutachten, ein Recht auf Gesundheitsleistungen und Beratungen, ein Recht darauf, dass der alte Geschlechtseintrag nicht offenbart werden darf. Und: Eine der größten Menschenrechtsverletzungen, die es in diesem Land noch gibt, nämlich geschlechtsverändernde Operationen an intergeschlechtlichen Kindern, die medizinisch nicht notwendig sind, muss endlich verboten werden. Da sind wir uns ja einig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor Kurzem hat Ungarn per Gesetz die Existenz von Transpersonen quasi ausgelöscht – ein schwerer Angriff auf die Menschenwürde. Wir müssen es besser machen. Wir müssen zeigen, dass die europäischen Werte von Freiheit und Würde für alle Menschen gelten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Unser Gesetzentwurf ist ein Angebot an alle demokratischen Fraktionen, dieses Thema in dieser Legislaturperiode endlich abzuräumen. Erst diese Woche wurde nämlich Verfassungsbeschwerde gegen das jetzige Personenstandsgesetz eingereicht. Dieser Bundestag hat zwei Möglichkeiten: Entweder er wird vom Bundesverfassungsgericht mal wieder zu einer Reform gezwungen, oder er geht selber voran und schafft das Transsexuellengesetz ab und schafft ein modernes Selbstbestimmungsgesetz. Wir sind dafür, selber voranzugehen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Vielen Dank, Sven Lehmann. – Nächster Redner: für die CDU/CSU-Fraktion Marc Henrichmann.

(Beifall bei der CDU/CSU)