Rede von Denise Loop Sexualisierte Gewalt gegen Kinder

Denise Loop
26.05.2023

Denise Loop (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute einen Antrag der AfD-Fraktion mit dem Titel „Verbesserung des Schutzes von Kindern und Jugendlichen vor sexuellem Missbrauch – Aufarbeitungskommission mit dem Recht zur Aufklärung und Mitwirkung einrichten sowie strafrechtliche Anzeigepflicht für bestimmte Personengruppen einführen“. Langer Titel, aber trotzdem, wie nicht anders zu erwarten, nicht viel dahinter.

Das gibt mir aber die Möglichkeit, noch mal deutlich zu machen, was es braucht: die Unabhängige Aufarbeitungskommission und generell die Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs zu stärken. Also, hören Sie gut zu, vielleicht lernen Sie ja noch etwas.

Am Mittwoch hat der Staatssekretär Sven Lehmann dazu schon im Familienausschuss berichtet: Aktuell wird an der gesetzliche Verankerung der UBSKM gearbeitet. Das haben wir uns im Koalitionsvertrag vorgenommen, und es ist gut, dass es nun vorangeht und umgesetzt wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Frau Loop, möchten Sie eine Zwischenfrage aus der AfD zulassen?

Denise Loop (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Nein, möchte ich nicht.

Nun zu Ihren Forderungen. Sie schlagen vor, dass bei der Zusammensetzung der Unabhängigen Aufarbeitungskommission auch Mitglieder des Deutschen Bundestages, aus jeder Fraktion eines, Teil dieser sein sollen. Das ist, mit Verlaub, eine zumindest merkwürdige Vorstellung von Unabhängigkeit. Mitglieder des Deutschen Bundestages haben in der Aufarbeitungskommission nichts zu suchen; darüber sind wir uns auch mit der Union einig. Denn das, was Vertrauen schafft, besonders für die Betroffenen, ist vor allem die Unabhängigkeit von Politik und von Wahlen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und diese Unabhängigkeit und Vertraulichkeit müssen wir in jedem Fall beibehalten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Wir müssen die Aufarbeitungskommission besser ausstatten und strukturell stärken. Darüber hinaus ist es wichtig, dass Betroffene ein individuelles Recht auf Aufarbeitung bekommen. Und um das sinnvoll zu gewährleisten, ist neben der Aufarbeitungskommission vor allem auch die Fortführung und auskömmliche Ausstattung des Fonds Sexueller Missbrauch notwendig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Dieser Fonds wird gebraucht, damit Betroffene in ihrem Aufarbeitungsprozess begleitet werden können und Unterstützung erfahren. Sie dürfen hier eben nicht alleine gelassen werden. Ich bin sehr froh, dass sich Bundesfamilienministerin Lisa Paus erst letzte Woche dazu positiv geäußert hat.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Daniel Baldy [SPD])

Sie fordern in Ihrem Antrag außerdem einen Bericht über die Tätigkeiten der Unabhängigen Beauftragten an den Bundestag. Das zeigt leider erneut, dass Sie sich nicht mit dem Thema beschäftigt haben. Wir halten zwar eine Berichtspflicht an den Bundestag – im besten Fall auch an den Bundesrat – für absolut notwendig, aber doch keinen Tätigkeitsbericht. Drei Gremiensitzungen, eine Fachtagung und zwei Veranstaltungen: Das ist doch entpolitisiert. Es sollte uns doch nicht nur darum gehen, was die Unabhängige Beauftragte macht; es geht uns auch um einen Lagebericht dazu, was insgesamt bereits unternommen wird, um sexualisierte Gewalt an Kindern wirksam zu bekämpfen, und vor allem um das, was es dafür noch braucht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Wir brauchen ein bundesweit strategisch abgestimmtes Vorgehen. Um das zu erreichen, benötigen wir aber erst mal ein umfassendes Bild zu Zahlen, Daten und Fakten. Dazu gehört auch eine umfassende Prävalenzforschung. Nur auf dieser Basis können doch sinnvolle Handlungsoptionen und konkrete Empfehlungen an uns als Politik und an die Gesellschaft im Allgemeinen gerichtet werden. Das hat übrigens auch die Unabhängige Beauftragte selbst gemeinsam mit dem Präsidenten des BKA am Dienstag deutlich gemacht, als sie die Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik zu Gewalttaten an Kindern und Jugendlichen vorgestellt haben. Denn es gibt immer noch keine verlässlichen Zahlen über das tatsächliche Ausmaß von sexualisierter Gewalt an Kindern und Jugendlichen. Deshalb brauchen wir sehr dringend ein Zentrum für Prävalenzforschung, das diese Lücke schließen kann, nicht zuletzt mit sehr wichtiger Forschung zum Dunkelfeld.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Ganz anders als Sie von der AfD-Fraktion die Problematik in Ihrem Antrag darstellen, nehmen wir sexualisierte Gewalt an Kindern als gesamtgesellschaftliches Problem wahr. Sie findet eben nicht nur an bestimmten Tatorten bzw. in bestimmten Tatkontexten wie zum Beispiel der Katholischen Kirche statt, sondern auch in der Familie, in der Schule und im Freizeitbereich. Der Kollege Baldy hat das schon sehr ausführlich dargestellt. Deshalb müssen wir sie auch überall dort bekämpfen und alle Betroffenen, unabhängig vom Tatkontext, gleichermaßen bei der Aufarbeitung unterstützen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Wir dürfen nicht zulassen, dass die verschiedenen Betroffenengruppen gegeneinander ausgespielt werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Lassen Sie mich kurz zusammenfassen, was es bei der Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für die Arbeit der UBSKM bedarf:

Erstens: die Weiterführung und strukturelle Stärkung der Unabhängigen Aufarbeitungskommission.

Zweitens: eine Berichtspflicht im Sinne eines politischen Lageberichts mit entsprechenden Empfehlungen und dafür notwendiger Prävalenzforschung.

Und Drittens: die Fortführung des Fonds Sexueller Missbrauch.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Vielen Dank.