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13.05.2022

Merle Spellerberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich schließe mich dem Kollegen gerne in einem Punkt an und rede zur Sache.

(Zuruf von der AfD)

– Ja. – Der brutale Angriffskrieg auf die Ukraine ist nicht nur ein Angriff auf das Leben und die Freiheit der Ukrainer/-innen, sondern auf Europa, die Demokratie und unsere Werte. Er hat bereits viele Menschen das Leben gekostet, ganze Städte zerstört, Tausende Menschen traumatisiert und gezwungen, ihr Zuhause zu verlassen.

Es ist verständlich, dass es auch in Deutschland ein großes Bedürfnis gibt, jetzt über Sicherheit zu reden – eben nicht nur global, sondern auch über die Sicherheit der Menschen hier, über ihre eigene. Wir sehen, dass unsere europäische, aber auch die internationale Sicherheitsordnung gerade systematisch angegriffen werden. Die Frage, die wir uns stellen müssen, ist: Wie gehen wir damit um, wenn es keinen Verlass mehr darauf gibt, dass die grundlegendsten Regeln – Grundlagen wie die Charta der Vereinten Nationen – auch nur ansatzweise eingehalten werden?

(Stephan Brandner [AfD]: Indem wir eine nationale sicherheitspolitische Gesamtstrategie entwickeln! Das ist doch ganz einfach!)

Der jetzige Krieg in der Ukraine verdeutlicht, was uns auch schon zum Beispiel Afghanistan schmerzlich gezeigt hat: Sicherheitspolitik kann nicht in Silos gedacht werden. Sie besteht aus vielen Teilen:

(Hannes Gnauck [AfD]: Wenn Sie das sagen!)

aus Friedenspolitik, aus Diplomatie, auch aus militärischer Verteidigung, aus Zivilschutz, Energie-, Cybersicherheit und auch aus Entwicklungszusammenarbeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Stephan Brandner [AfD]: Und Feminismus! – Gegenruf der Abg. Sara Nanni [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Googeln Sie mal! – Gegenruf des Abg. Stephan Brandner [AfD]: Feminismus fehlt!)

Das ist natürlich nicht einfach, liebe Kolleginnen und Kollegen. Es braucht Absprachen – können Sie einfach mal Ihren Mund halten, bitte? –,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP – Stephan Brandner [AfD]: Ich rede gerade mit der Kollegin da drüben!)

und es braucht Vertrauen. Wenn wir Sicherheit nicht so komplex denken, wie sie ist, dann tun wir niemandem einen Gefallen, nicht uns und nicht unseren Partnerinnen und Partnern.

(Stephan Brandner [AfD]: Können Sie mal Ihren Mund halten, Frau Spellerberg?)

Hier können wir Verantwortung übernehmen und mit gutem Beispiel vorangehen. Dass unsere Außenministerin das erkannt hat und jetzt in einer nationalen Sicherheitsstrategie zusammenfließen lässt, ist ein großer Erfolg. Wir brauchen eine leitende Strategie für die nächsten Jahre, eine Strategie, die Deutschland fest im Netzwerk unserer internationalen Partner/-innen verortet, die sowohl Sicherheits- als auch Friedensstrategie ist.

(Stephan Brandner [AfD]: Nur Partner/-innen oder auch Partneraußen?)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Frau Kollegin, einen ganz kleinen Moment. – Herr Kollege Brandner, bei allem Respekt, die Geschäftsordnung möchte gerne intelligente Zwischenrufe.

(Stephan Brandner [AfD]: Ich mache das doch die ganze Zeit!)

– Ich sage ja: intelligente Zwischenrufe. – Eine Rednerin in einer Rede nur stören zu wollen, ist einfach nur stillos. Bitte halten Sie sich ein bisschen zurück.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN – Hannes Gnauck [AfD]: Das kommt ja bei Ihnen zum Glück nicht vor! – Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und Intelligenz haben wir auch vermisst! – Gegenruf des Abg. Stephan Brandner [AfD]: Sie verstehen es ja nicht!)

Merle Spellerberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Eine Sicherheits- und Friedensstrategie, die eine Analyse davon ist, wer wir sind und welche Rolle wir in der Welt spielen. Diese Strategie ist auch eine Chance, regelmäßig zu reflektieren, gemeinsam zu reflektieren, gerade auch darüber, was Sicherheit bedeutet und wer das Wir ist, von dem in einer nationalen Sicherheitsstrategie gesprochen wird.

(Stephan Brandner [AfD]: Was gucken Sie mich denn so an?)

Ich verstehe es zutiefst, wenn man im Angesicht von militärischer Gewalt, so wie sie gerade die Ukrainer/-innen erleben, wie sie Menschen weltweit erleben, bei Sicherheit zuerst an militärische Aspekte denkt. Deswegen diskutieren wir hier im Hause eben auch über Waffenlieferungen, über die Aspekte der Bundeswehr und ihrer Ausstattung. Aber wenn man für Sicherheit immer nur einen Hammer hat, dann sieht man auch überall nur einen Nagel.

Lassen Sie uns also wegkommen von dem reinen militärischen Denken von Sicherheit, von Sicherheit nur als Waffen, von Sicherheit nur als Abwehr von Angriffen; denn Sicherheit kann nicht ohne Frieden, ohne Demokratie, ohne Freiheit gedacht werden. Denn was Sicherheit am Ende heißt, ist, frei von Sorge zu sein, frei von Sorge, Gewalt und Krieg zu erfahren, aber auch frei von der Sorge, dass die Lebensgrundlage wegen Fluten oder Dürren bedroht wird, frei von Sorge, dass man für sein Aussehen, seine Meinung, sein Geschlecht oder seine Sexualität verfolgt wird. Sicherheit bedeutet, in Frieden zu leben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Deshalb braucht es neben militärischer Sicherheit auch zivile Krisenprävention: den Kampf gegen die Klimakrise, Abrüstung,

(Hannes Gnauck [AfD]: Abrüstung!)

Energiesicherheit. Auch die müssen hier eine Rolle spielen, sonst sitzen wir nämlich in einem Jahr oder in zwei Jahren wieder hier in einer neuen Krise und suchen neue Antworten.

(Beifall des Abg. Johannes Arlt [SPD])

Die Außenministerin hat deutlich gemacht, dass auch sie Sicherheit komplex versteht – nicht nur in der Rede zur Sicherheitsstrategie im Auswärtigen Amt, sondern auch in den Reden zu Mali, zur Ukraine, zu feministischer Außenpolitik.

(Stephan Brandner [AfD]: Da haben wir es ja!)

Darüber bin ich sehr froh.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Denn wer Sicherheit definiert, hat einen enorm starken Einfluss darauf, wer wahrgenommen wird und wessen Stimme gehört wird. Deswegen bin ich froh, dass der rechte Rand da zum Glück nichts zu sagen hat.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP – Stephan Brandner [AfD]: Ich darf ja nicht mehr!)

Ich möchte gerne noch mal darauf eingehen, an wen wir denken, wenn es um „uns“, um „wir“ geht. Denn ich möchte nicht, dass wir dabei nur an das staatliche Konstrukt denken, dass wir nur in nationalen Strukturen denken. Ich möchte, dass wir an die Sicherheit von Menschen denken, und zwar an die Sicherheit der Menschen nicht nur im Wahlkreis in Dresden und Bautzen, sondern auch an die Sicherheit der jungen Frauen in Afghanistan, der indigenen Aktivistinnen und Aktivisten in Mexiko, die für den Erhalt ihrer Lebensgrundlage kämpfen. Lassen Sie mich gerne erklären, warum.

Wenn wir die Sicherheit von Menschen in den Vordergrund ziehen, beschäftigen wir uns automatisch mit den Ursachen von Gefahren. Dann sprechen wir automatisch über Prävention. Nur wenn es uns gelingt, dass wir alle mitdenken, schaffen wir nachhaltige Sicherheit. Wir müssen uns auch hier ehrlich machen und reflektieren, wo wir mit unserem Verhalten zur Unsicherheit von anderen Menschen beitragen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Dafür haben wir den richtigen Rahmen, die richtigen Instrumente, um so über Sicherheit zu sprechen. Wir sprechen in den letzten Wochen hier im Hause sowohl über Energiesouveränität als auch über die Ausstattung der Bundeswehr. Wir haben im Koalitionsvertrag –

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Frau Kollegin, kommen Sie zum Schluss, bitte.

Merle Spellerberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

– eine feministische Außenpolitik vereinbart,

(Stephan Brandner [AfD]: Ah! Endlich!)

die eben genau das schafft: die Stimmen von Frauen, von marginalisierten Gruppen, die Stimmen vor Ort zu hören und ihnen Gehör zu verschaffen.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Frau Kollegin, folgen Sie doch bitte meiner Bitte, und kommen Sie zum Schluss.

Merle Spellerberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sicherheit ist komplex, und unser Verständnis, unsere Instrumente können deshalb nicht eindimensional sein.

(Stephan Brandner [AfD]: Die hört einfach nicht, Herr Präsident! Auf mich auch nicht!)

Ich will, dass wir all das in die Strategie – –

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Frau Kollegin, bedauerlicherweise muss ich Ihnen jetzt das Wort entziehen. Sie sind 40 Sekunden über der Redezeit. Nach zweimaliger Bitte bitte ich Sie jetzt, das Pult zu verlassen.

(Abg. Merle Spellerberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] begibt sich zum Abgeordnetenplatz – Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Nächster Redner ist der Kollege Andrej Hunko, Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)