Rede von Lisa Paus Solidaritätszuschlag

16.03.2018

Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ja, wir reden jetzt zum zweiten Mal innerhalb von 24 Stunden über die Abschaffung des Solis, und wir haben gelernt: Der Unterschied zwischen der AfD und der FDP besteht in 365 Tagen. Die FDP möchte den Soli ein Jahr später abschaffen.

Gestern habe ich erläutert, warum die Abschaffung aus Sicht der AfD durchaus sinnvoll ist: Sie verschärft die soziale Schieflage und den Investitionsstau in diesem Lande. Das ist zwar schlecht für Deutschland, aber es ist natürlich Wasser auf Ihre populistischen Mühlen, und darauf kommt es Ihnen an.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es stellt sich aber die Frage, warum die FDP dabei mitmacht. Warum macht sie sich jetzt selber so klein und zum Steigbügelhalter der AfD?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe den Eindruck, Sie können einfach nicht anders.

(Abg. Alexander Graf Lambsdorff [FDP] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

– Ich mache heute weiter.

(Zuruf von der FDP: Schade!)

Die neue FDP ist schlichtweg die alte FDP. So einfach ist das. Sie sind die Partei der Klientelpolitik.

(Zuruf von der FDP: Und was sind Sie dann?)

Es gibt vielleicht einen Unterschied: Die Mövenpick-Steuer hat 2009 nur 1 Milliarde Euro gekostet; mit diesem Antrag aber wollen Sie – und damit wollten Sie uns auch in den Jamaika-Verhandlungen erpressen – Ihrer Klientel der Reichen und Besserverdienenden ein 20-Milliarden-Euro-Steuergeschenk machen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Am Dienstag beschwerte sich Herr Lindner – ich habe es gehört –, manche täten so, als wenn nur die Geissens dieser Welt gerettet werden sollten, und dass nur die von der Abschaffung des Soli profitieren würden, stimme ja nicht. – Dann nehmen wir doch einmal die Geissens: Wie stark würden sie denn profitieren, wenn sie ihren Wohnsitz in Deutschland hätten?

Nun, es ist ganz einfach: Nach Aussage des „VermögenMagazins“ haben die Geissens zurzeit ein normales Einkommen in Höhe von 2 Millionen Euro im Jahr. Bei diesem Einkommen müssten sie in der Tat 50 000 Euro weniger Steuern im Jahr zahlen, wenn wir Ihrem Vorschlag folgten und den Soli abschafften. Schauen wir einmal, was eine Familie ebenfalls mit zwei Kindern und einem Jahreseinkommen in Höhe von 50 000 Euro von der Abschaffung des Soli hätte. Diese Familie profitierte null Euro von einer solchen Abschaffung. Genau das ist das Problem.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Die Wahrheit ist: Die FDP will den 20 Prozent Deutschen, die am besten verdienen, 80 Prozent der Entlastung zuschustern. Sie verkaufen das auch noch als Wohltat für das ganze Land. Hören Sie endlich auf, die deutsche Bevölkerung für dumm zu verkaufen!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)

Ich habe noch einen Tipp für Sie von der kleinen GroKo. Sie könnten Ihren missglückten Start korrigieren, wenn Sie, statt den Soli um 10 Milliarden Euro abzusenken, mit dem Geld den Hartz-IV-Regelsatz nur um 50 Euro erhöhen würden. Damit würden Sie zeigen, dass Sie in der Armutsdebatte wirklich etwas verstanden haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Die FDP trägt nun hilfsweise vor, die Soliabschaffung sei wichtig, damit die Unternehmen die dringend nötigen Investitionen in die Digitalisierung machen könnten. Ich appelliere an Sie: Wenn Sie als Partei weiterhin ernst genommen werden wollen, dann sollten Sie nicht jede Woche eine andere Steuersenkung mit der Digitalisierung begründen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Letztes Mal war von einer Sonder-AfA die Rede. In dieser Woche ist es der Soli. Sie sollten sich entscheiden. Im Übrigen braucht eine erfolgreiche Digitalisierungsstrategie mehr als ein Füllhorn von Steuersenkungen der FDP.

(Beifall der Abg. Jutta Krellmann [DIE LINKE])

Ich habe mir die Zahlen genau angeschaut und will sie Ihnen nicht vorenthalten. Die Gewinne der Kapitalgesellschaften in Deutschland beliefen sich im vergangenen Jahr auf 550 Milliarden Euro. Die ausgeschütteten Gewinne im letzten Jahr wurden auf 350 Milliarden Euro beziffert. Der gezahlte Soli auf die zu entrichtende Körperschaftsteuer belief sich auf ganze 2 Milliarden Euro.

(Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Sozialausgaben: 918 Milliarden Euro!)

Wie der Wegfall dieser 2 Milliarden Euro den Investitionsschub bringen soll, können selbst Sie angesichts der anderen Zahlen nicht begründen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Christian Dürr [FDP]: Die meisten kleinen Unternehmen zahlen Einkommensteuer, Frau Kollegin!)

– Ich habe die Zahlen zur Körperschaftsteuer genannt.

(Christian Dürr [FDP]: Ja, zur Körperschaftsteuer, aber nicht zur Einkommensteuer!)

Richtig ist – ein versöhnliches Ende –: Die FDP und die CDU/CSU stehen bei der Bevölkerung tatsächlich im Wort – das hatten Sie angesprochen –, weil sie unter Helmut Kohl das Versprechen abgegeben hatten, dass es den Soli nur zeitlich befristet geben soll.

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Gottschalk?

Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Ich komme zum Schluss. – Aber genauso richtig ist, dass nach zwölf Jahren Regierung Merkel die unteren 40 Prozent der Bevölkerung nach Abzug der Inflation heute weniger Geld haben als damals. Dafür tragen Sie ebenfalls Verantwortung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Deshalb darf es keine – wie auch immer herumgedoktert wird – gänzliche Abschaffung des Soli geben. Was wir brauchen, ist ein Gesamtpaket mit einer fairen Reform der Einkommensteuer, einer Entlastung von Abgaben und Steuern zugunsten der Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen und einem höheren Spitzensteuersatz ab 100 000 Euro statt wie bisher schon ab 55 000 Euro.

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)