Rede von Margarete Bause Soziale Menschenrechte

11.10.2018

Margarete Bause (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! „Wir streben die Ratifikation des Zusatzprotokolls zum Sozialpakt der Vereinten Nationen … an.“ So haben Sie, die Regierungsfraktionen, es in Ihrem Koalitionsvertrag vereinbart; Sie, Herr Zimmer, haben gerade schon darauf hingewiesen.

(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Die Kollegin von der SPD auch!)

– Und Frau Özoğuz. – Seit neun Jahren steht genau diese Aufgabe auf der Tagesordnung der Bundesregierung. Die verschiedensten Koalitionen – zuerst war es Schwarz-Gelb, dann zweimal Schwarz-Rot – haben genau diese Aufgabe bis heute nicht erfüllt. Heute streben Sie es wieder an. Wer immer strebend sich bemüht, möchte man mit Goethe sagen, den können wir erlösen.

(Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Aber es braucht dazu gar keine Engel. Es braucht dazu einfach nur politischen Willen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Das ist des Pudels Kern!)

Diesen politischen Willen sollten Sie endlich unter Beweis stellen, wenn Sie die weltweite Reputation der deutschen Menschenrechtspolitik nicht beschädigen wollen. Denn zur vollen Anerkennung der Menschenrechte gehört eben auch die volle Anerkennung der Kontrollverfahren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Aber das steht nicht im Antrag!)

Noch Ende September dieses Jahres – Frau Özoğuz, Sie haben gesagt, das alles ist auf einem guten Weg – hat der Staatssekretär im Arbeitsministerium, Herr Böhning, anlässlich des Überprüfungsverfahrens in Genf langatmig über Probleme und Herausforderungen referiert. Er sprach davon, dass die Umsetzung des UN-Sozialpakts eine Daueraufgabe sei. Er nannte kein Datum für die Ratifikation. Es mag ja sein, dass die Umsetzung des Sozialpakts eine Daueraufgabe ist. Aber die Ratifizierung des Zusatzprotokolls sollte, bitte schön, keine sein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Seit neun Jahren drückt sich die Bundesregierung darum herum und handelt sich damit den Vorwurf doppelter Standards ein: beim innerstaatlichen Umgang mit Menschenrechten einerseits und beim außenpolitischen andererseits. Es sollte doch eine Selbstverständlichkeit sein, dass Einzelne oder Personengruppen auf UN-Ebene Beschwerde einlegen können, wenn sie ihre Rechte aus dem Sozialpakt verletzt sehen. Das ist ja in vielen Bereichen auch schon der Fall. Diese Möglichkeit gibt es. Warum dann bitte nicht beim Sozialpakt?

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Warum ist das wichtig? Das ist zum Beispiel für die Bewohner eines Dorfes in der Demokratischen Republik Kongo wichtig, wenn sie Opfer gewaltsamer Übergriffe durch Sicherheitsleute einer Tochterfirma eines deutschen Holzproduzenten werden, oder für die Angehörigen jener 43 mexikanischen Studenten, die mit Gewehren der Firma Heckler & Koch erschossen wurden, welche niemals in diese Region hätten geliefert werden dürfen. Oder wo können die Arbeiter in den von deutschen Exportbürgschaften geförderten Kohleminen Kusile und Medupi in Südafrika ihre Rechte, bitte schön, einklagen, wenn sie unter Schwefeldioxidvergiftungen leiden? Was für ein Problem haben Sie denn mit der Ratifizierung? Dass das in Deutschland geltende Streikverbot für Beamte von den UN zu Fall gebracht werden könnte? Das kann doch, bitte schön, nicht Ihr Ernst sein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Zum Antrag der Linken. Verpackung und Inhalt passen hier nicht zusammen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Sie blenden die internationale Dimension des UN-Pakts praktisch völlig aus und legen einen ellenlangen Katalog unterschiedlichster sozialpolitischer Forderungen vor. Auch das ist nicht hilfreich, wenn es darum geht, dass wir in Deutschland endlich unsere Hausaufgaben in der Menschenrechtspolitik machen.

(Beifall des Abg. Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Am 10. Dezember dieses Jahres, liebe Kolleginnen und Kollegen, feiern wir den 70. Jahrestag der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Ich finde, das ist ein guter Anlass, endlich zu handeln. Ratifizieren Sie endlich das Fakultativprotokoll zum Sozialpakt!

Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)