Rede von Dr. Konstantin von Notz Spähsoftware
Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit über zehn Jahren thematisieren meine Fraktion und ich hier die verfassungs- und menschenrechtlich hochproblematische Zusammenarbeit privater Sicherheitsfirmen wie Trovicor, FinFisher und Co mit deutschen staatlichen Stellen.
Herr Kollege Henrichmann, Ihr Vortrag zur Frage der Quellen-TKÜ ist grundsätzlich etwas am Thema vorbeigegangen; denn Die Linke redet hier über Trovicor und dergleichen.
(Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr richtig!)
Seitdem kämpfen wir gemeinsam mit zivilgesellschaftlichen Akteuren wie der Gesellschaft für Freiheitsrechte und den Reportern ohne Grenzen auch vor höchsten Gerichten gegen den Export dieser Software – darum geht es –, die in die Hände aller Despoten dieser Welt geht. Und das ist schwer erträglich, meine Damen und Herren.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Spätestens seit dem Arabischen Frühling wissen wir, dass diese oft mit deutschem Steuergeld gecodeten Programme aufgetunt zu massiven Menschenrechtsverletzungen in zahlreichen Ländern beigetragen haben und es bis heute tun. Genau deswegen muss damit endlich Schluss sein!
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Heute wissen wir, dass Pegasus und Co auch bei der Ermordung von Khashoggi – die Kollegin Renner hat es gesagt – eine entscheidende Rolle spielten. Und wir wissen, dass die von uns mühsam geschaffenen EU-Exportbestimmungen sehr bewusst und vorsätzlich umgangen werden. Trotz dieses Wissens wurde die Praxis viel zu lange von den letzten Bundesregierungen geduldet. Die notwendige Kontrolle durch Parlament und Aufsichtsbehörden wurde verunmöglicht, und verfassungsrechtliche Vorgaben wurden missachtet. Wir brauchen – da zitiere ich jetzt mal den ruhmreichen Titel der gestrigen Aktuellen Stunde – auch hier mehr Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Wir müssen uns ehrlich machen. Die Programme, von denen es immer heißt, sie seien unverzichtbar, werden von denjenigen, die sie nutzen durften – also GBA und BKA –, mit Hinweis auf die bestehenden extremen Rechtsunsicherheiten praktisch nicht angewendet. Sie werden praktisch nicht angewendet! Das zeigt: Diese Programme halten nicht ansatzweise das, was sie sicherheitspolitisch versprechen. Sie gefährden aber Grund- und Menschenrechte, und zwar massiv.
Weil das so ein wichtiges menschenrechtspolitisches Thema ist, freue ich mich sehr, dass auch die neue Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Luise Amtsberg, heute dieser Debatte beiwohnt, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Die Beachtung verfassungsrechtlicher Vorgaben in der Sicherheitspolitik sowie die Orientierung an Grund- und Menschenrechten sind lange überfällig. Da müssen wir ran. Aber es ist nicht trivial, und es ist kein Ort für populistische Debatten. Die Ampelkoalition geht all diese Themen nach 16 Jahren BMI in Unionsverantwortung endlich entschlossen und differenziert an, meine Damen und Herren.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Es ist gut, dass wir das Thema heute diskutieren. Insofern danke ich der Kollegin Renner und ihrer Fraktion für die Themensetzung. Gleichzeitig tragen Sie Eulen nach Athen; denn – es ist Ihnen sicher nicht entgangen – im Koalitionsvertrag haben wir uns darauf verständigt, dass für den Einsatz von Staatstrojanern die klaren Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zukünftig zwingend einzuhalten sind – eigentlich eine Selbstverständlichkeit; in der Vergangenheit leider nicht. Das gilt sowohl für staatliche wie auch für private Programme.
Es soll ein Schwachstellenmanagement und eine staatliche Meldepflicht für Sicherheitslücken geben, eine gestärkte parlamentarische Kontrolle, ein unabhängigeres BSI, eine Rechtsgrundlage für ZITiS und vieles mehr. Wir werden die Exportbestimmungen weiter verschärfen und prüfen, ob NSO Group und Co nicht auf entsprechende Sanktionslisten gesetzt werden müssen – ein Punkt, auf den die Union leider überhaupt nicht eingegangen ist, obwohl die Vereinigten Staaten es gerade vorgemacht haben.
(Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)
Sie haben nämlich die NSO Group auf solche Sanktionslisten gesetzt, meine Damen und Herren. Und auch der EU-Datenschutzbeauftragte fordert genau das ein.
(Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)
Das allerdickste Brett allerdings – das muss man auch mal klar benennen – ist zweifellos das Verhandeln neuer internationaler Übereinkünfte zur Ächtung dieser maßlosen digitalen Waffen. Das ist ein dickes Brett; aber das Zeitfenster ist jetzt da. Nutzen wir es! Arbeiten wir zusammen daran!
Ganz herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr gute Rede!)
Vizepräsidentin Petra Pau:
Das Wort hat der Abgeordnete Eugen Schmidt für die AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)