Rede von Helge Limburg Speicherung von IP-Adressen

Helge Limburg MdB
17.03.2023

Helge Limburg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu meinem Vorredner hat, denke ich, die Präsidentin alles Notwendige gesagt.

(Stephan Brandner [AfD]: Wie immer!)

Insofern werde ich nicht weiter darauf eingehen.

Zu den offenbar endlos wiederkehrenden Debatten in diesem Haus gehört die Debatte über die anlasslose Vorratsdatenspeicherung.

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Das liegt an Ihnen!)

Seit nunmehr über 15 Jahren kehrt diese Debatte immer wieder zurück. Die Begründung für dieses Instrument der Massenüberwachung ist allerdings einem durchaus bemerkenswerten Wandel unterlegen.

Zunächst sollte die Vorratsdatenspeicherung 2006 zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus eingeführt werden. Einige Jahre später kam die Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen im Internet als Ziel in den Vordergrund und sollte der Einführung dieser anlasslosen Überwachung dienen. Schließlich – Sie haben es auch gerade wieder getan, Herr Kollege Krings – soll die Bekämpfung der sexualisierten Gewalt gegen Kinder im Internet die neue Legimitation für diesen Grundrechtseingriff sein.

Wir haben es also nicht mit der Situation zu tun, die der Normalfall sein sollte, dass wir möglicherweise ein Ermittlungsdefizit erkennen und uns hinterher überlegen, mit welchem Instrument dieses beseitigt werden kann, sondern es besteht der Wunsch nach einer Überwachungsmaßnahme, und dann wird verzweifelt gesucht, mit welcher Straftat, mit welchem Grund man es legitimieren könnte. Das ist in einem Rechtsstaat der falsche Weg. Diesen gehen wir schon vom Denkansatz her nicht mit, Herr Kollege Krings.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Meine Damen und Herren, natürlich gehört sexualisierte Gewalt gegen Kinder zu den schlimmsten Verbrechen in diesem Land, weil sie oft lebenslange Schäden bei Kindern verursacht und sie zu reinen Objekten degradiert. Aber die permanente Unterstellung der Union und auch heute wieder von Ihnen, Herr Kollege Krings, dass denjenigen, die sich gegen einen Generalverdacht gegen alle Internetnutzerinnen und ‑nutzer richten, der Kinderschutz egal wäre,

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Wer nichts tut, dem ist es egal! Sie tun nichts!)

bleibt infam und böswillig, und ich weise diese Unterstellung auf das Schärfste zurück.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Herr Kollege Krings, Sie haben hier wieder behauptet, dass die Vorratsdatenspeicherung im Wesentlichen ein Instrument zur Verhinderung von sexualisierter Gewalt gegen Kinder ist.

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Ich habe gar nicht über Vorratsdatenspeicherung gesprochen! Ich habe darüber nicht gesprochen!)

Sie wissen, dass sie im Schwerpunkt ein Strafverfolgungs-, ein Ermittlungsinstrument ist.

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Sie lenken ab!)

Wenn wir über Prävention von sexualisierter Gewalt reden wollen, Herr Kollege Krings, dann müssen wir über eine Kultur des Hinschauens reden, über eine Stärkung von Kindern, über ein Umfeld, das hinschaut. All das hat Ihnen meine Kollegin Denise Loop in der letzten Debatte gesagt; Sie wird es Ihnen gleich wieder sagen.

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Reden Sie zur Sache!)

Mit der Vorratsdatenspeicherung setzen Sie weniger auf Prävention, sondern in der Tat mehr auf Strafverfolgung.

Es ist eben nicht so, Herr Krings – auch das wissen Sie in Wahrheit besser; es ist bedauerlich, dass Sie die Debatte immer wieder auf dieses Niveau führen –, dass die Vorratsdatenspeicherung das einzige Instrument wäre, um solchen Tätern im Internet auf die Spur zu kommen.

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Für viele Verfahren doch! Wo sind Ihre Instrumente denn? Welches Instrument haben Sie vorgelegt? Sie legen nichts vor!)

Entscheidend ist aber, Herr Krings – das hat der Kollege Thorsten Lieb zu Recht gesagt –, dass der gegenwärtige Zustand, dass die Ermittlerinnen und Ermittler überhaupt kein Instrument zur Ermittlung haben, Resultat von 16 Jahren unionsgeführter Bundesregierung ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Widerspruch bei der CDU/CSU)

Sie haben ein schwarzes Loch, ein Nichts bei den Strafverfolgungsinstrumenten hinterlassen. Sie sind immer wieder mit dem Kopf gegen dieselbe Wand gerannt, gegen eine Wand namens Grundrechtsschutz, verkörpert durch den Europäischen Gerichtshof und das Bundesverfassungsgericht.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Sie lenken von Ihrem Nichtstun ab!)

Anstatt sich Gedanken zu machen, wie man grundrechtsschonende Ermittlungsansätze etabliert, fordern Sie jetzt die Ampelkoalition auf, mit Ihnen gemeinsam gegen diese Wand zu rennen. Nein, Herr Kollege Krings, das können Sie nicht ernsthaft von uns erwarten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Sie lenken von Ihrem Nichtstun ab! Sie machen gar nichts! Nichts tun Sie! Nichts!)

Wir wollen beides sicherstellen: den Schutz der Grundrechte der unbescholtenen Bürger, also kein Generalverdacht gegen alle Nutzerinnen und Nutzer des Internets, und gleichzeitig Ermittlungsmethoden, wo sie nötig sind. Darum werden wir mit Quick Freeze ein Instrument schaffen, das, Herr Kollege Krings, in Teilen sogar weiter geht als das, was Sie vorschlagen, weil es eben nicht nur um die Sicherstellung von IP-Adressen geht, sondern auch um die Sicherstellung sämtlicher vorhandener Daten.

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Wann kommt es denn?)

Aber – da sind wir in der Tat zurückhaltender als Sie, deutlich zurückhaltender, nämlich grundrechtsschonend – es geht eben nicht anlasslos und gegen alle, sondern nur anlassbezogen bei Vorliegen eines konkreten Verdachts, wie es im Rechtsstaat der Normalfall sein sollte.

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Wo ist Ihr Vorschlag? Wann kommt Ihr Vorschlag?)

Sie, Herr Krings, wollen mit diesem Antrag den Ausnahmefall zum Normalfall machen. Das ist mit einem demokratischen freien Rechtsstaat eben nicht vereinbar. Deswegen ist es gut, dass die Union nicht mehr Teil der Bundesregierung ist. Die Zeit der Schaufensterpolitik in der Rechtspolitik, die dann am Ende von Gerichten kassiert wird, ist vorbei. Die Ampel wird klare, rechtssichere, grundrechtskonforme Ermittlungsmöglichkeiten schaffen.

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Wann?)

Sie sind herzlich eingeladen, sich daran konstruktiv zu beteiligen.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP – Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Das ist keine Begründung, um eine Sachverständigenanhörung abzulehnen!)