Rede von Uwe Kekeritz Staateninsolvenzverfahren
Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Eva Schreiber, ich kann da gut ansetzen; ich fahre fort. Aber vorher möchte ich noch sagen, Volkmar Klein: Das sind doch wirklich abenteuerliche Ausführungen zum Thema Bonität. Stellen Sie sich mal vor, Sie haben zwei Akteure mit zu 100 Prozent identischen Bedingungen, und der eine hat 50 irgendwas Schulden, und der andere hat 500 irgendwas Schulden. Jetzt lassen Sie sich mal von Herrn Klein erklären, warum der mit 500 besser bewertet sein sollte! Mit Volkswirtschaft hat das wirklich nichts mehr zu tun.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Volkmar Klein [CDU/CSU]: Leider doch!)
Die Situation ist beschrieben worden. Es gibt aber Einrichtungen, die reagiert haben. Die G 20 hat sogar schnell reagiert – das loben wir ausdrücklich – und ein Moratorium erwirkt; das war fantastisch. Aber es muss uns klar sein: Es war nur eine Notoperation. Diese half den Ländern zwar kurzfristig, Liquidität zu verbessern, sie bringt aber nichts in Bezug auf ihre Schuldentragfähigkeit. Und da die wirtschaftliche Talfahrt zunimmt, wird sich diese in Zukunft natürlich verschlechtern. Deshalb kommen wir wieder einmal nicht um einen Schuldenschnitt herum; das ist nicht meine Theorie, das ist auch die Theorie von Weltbank und IWF.
Die ganz große, zentrale Frage ist doch: Kann ein Schuldenerlass im Rahmen eines geordneten Insolvenzverfahrens – Herr Frohnmaier, da sollten Sie sich mal schlaumachen, was das ist – langfristig die Schuldenfrage verbessern?
(Markus Frohnmaier [AfD]: Völkerrecht, Herr Kekeritz!)
Die Gegner argumentieren ganz primitiv: Das Streichen der Schulden motiviert doch nur, noch mehr Schulden zu machen. Da könnte was Wahres dran sein; aber das ist immer nur die halbe Wahrheit. Die ganze Wahrheit heißt doch: Zur Überschuldung gehören zwei, nämlich der Schuldner und der Gläubiger. Und solange die Gläubiger bei der Vergabe von Krediten nicht das geringste Risiko haben, gibt es auch keinen Marktmechanismus, der die Kreditvergabe steuert.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Genau diesen Mechanismus müssen wir einführen.
Sobald der Finanzsektor einen fairen Anteil am Risiko der Kreditvergabe trägt, wird sich das Überschuldungsproblem mittelfristig erheblich reduzieren. Also ist doch ein regelbasiertes, völkerrechtlich verankertes Staateninsolvenzverfahren die Antwort.
Das ist nicht neu: FDP und CDU/CSU hatten das schon einmal im Koalitionsvertrag, China hat es – Herr Frohnmaier, zuhören! – gefordert, die G 77 hat es vorgeschlagen – und diese Regierung hat von Anfang an blockiert, vor zehn Jahren, vor fünfzehn Jahren und auch heute. Die zentrale Frage – es ist nicht leicht – heißt doch: Wie bekommen wir alle ins Boot, Weltbank, China – nachdem wir sie frustriert haben –, USA und Private?
Natürlich ist das ein dickes Brett, das wir bohren müssen, liebe SPD. Aber nach 40 Jahren wiederkehrenden Finanzkrisen müssen wir das Problem endlich angehen
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
und dürfen nicht auf Kosten der Entwicklungsländer kapitulieren. Kapitulieren auf Kosten anderer ist eine feine Sache. Fakt ist doch: Im Falle einer Überschuldung zahlen wir alle, und der Preis wird immer höher. Vor allem zahlen wir die Renditen der privaten Kredithändler, und auch das muss geändert werden.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Es liegt in unserem Interesse: Je schneller ein insolventer Staat wieder auf die Beine kommt, desto besser für alle.
Aber es geht uns vor allem um die Menschen vor Ort, deren sozial-ökonomische Perspektive durch Überschuldung zerstört wird. Diese Verschuldung vernichtet Entwicklungserfolge. Überschuldung führt zu Hunger und auch dazu, dass Staaten instabil werden können; sie kann sogar zu Fragilität führen. Wir alle hier wissen, welche dramatischen Konsequenzen das für die Menschen vor Ort hat. Aber wir wissen inzwischen auch, dass die Fragilität auch auf uns zurückschlägt; die Folgen treffen uns immer härter.
Vizepräsident Wolfgang Kubicki:
Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.
Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Ich bin am Ende.
Vizepräsident Wolfgang Kubicki:
Ja, Sie sind am Ende.
Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Unser Antrag zeigt den Weg aus der Misere, die wir zum großen Teil durch unsere Strukturen mit zu verantworten haben. Deswegen stehen wir auch in der Verantwortung, zu handeln.
Danke.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Vizepräsident Wolfgang Kubicki:
Letzter Redner ist der Kollege Dr. Wolfgang Stefinger, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)