Rede von Lamya Kaddor Staatsangehörigkeit
Lamya Kaddor (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, auch auf den Tribünen! Ich möchte mit einem kurzen Ratespiel anfangen. Die Quizfrage lautet: Wer hat es gesagt?
Zitat: „Wir brauchen eine Willkommenskultur wie in anderen großen Einwanderungsländern.“
(Canan Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Philipp Amthor! – Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Jens Spahn [CDU/CSU]: Es ist ja auch nicht falsch! Was ist jetzt daran falsch?)
– Nein! – Kleiner Tipp: Es war niemand von uns Grünen, niemand von der SPD, niemand von Pro Asyl oder den anderen NGOs
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Was ist an dem Satz falsch?)
– hören Sie doch einfach zu –, auch wenn sie diesen Satz vermutlich alle unterschreiben würden.
(Konstantin Kuhle [FDP]: Guido Westerwelle!)
Es war niemand Geringeres als der Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger, also jemand, der nicht im Verdacht steht, ein links-grüner Multikulti-Romantiker zu sein.
Um diese Willkommenskultur aber zu leben, müssen wir endlich die Ärmel hochkrempeln und auch die Arme ausbreiten. Ohne genügend Arbeitskräfte kann unsere Wirtschaft und unsere Gesellschaft auf Dauer nicht überleben. Ich möchte noch weitergehen: Ohne eine echte Chance, Teil dieser Gesellschaft zu werden und den Zugang zu ihr zu ermöglichen, auch mit einer Staatsangehörigkeit,
(Dr. Götz Frömming [AfD]: Sozialleistungen!)
werden diese Arbeitskräfte schnell wieder gehen. Wir müssen ein Interesse daran haben, dass Menschen hier heimisch werden können.
Warum tut man sich eigentlich so schwer mit einer zügigen Einbürgerung oder einer Mehrstaatigkeit? Wieso erwecken viele den Anschein, auch hier, als sei es anrüchig, schnell Deutsche oder Deutscher werden zu können, und rücken diesen Willen vieler Menschen in die Nähe von Kriminalisierung, weil die Ampel zum einen angeblich den Pass verramschen oder, wie wir gerade gehört haben, entwerten würde oder sich Ausländer diesen erschleichen würden?
Die Realität ist doch aber: Mehrstaatigkeit in Europa ist normal. Mehrere Heimaten zu haben, ist normal in dieser Welt. Wir sind auf Migration aus dem Ausland und die Integration samt zügiger Einbürgerung angewiesen. Und der Anstand gebietet uns doch, die Lebensleistung von Menschen, die jahrzehntelang maßgeblich an diesem Wohlstand mitgearbeitet haben, diese Lebensleistung auch mit einem deutschen Pass anzuerkennen, meine Damen und Herren.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Ich möchte eine gängige Erzählung – wir haben sie gerade vom Experten Amthor gehört;
(Philipp Amthor [CDU/CSU]: Oh!)
denn die richtigen Experten dürfen bei Ihnen ja nicht sprechen – gerne entlarven. Einbürgerung ist nicht die Belohnung für eine erfolgreiche Integration. Einbürgerung und ein damit einhergehendes Zugehörigkeitsgefühl sind – im Gegenteil – ein Katalysator für gelungene Integration. Mehrstaatigkeit ist ein Antrieb, ein Motor für Integration. Und wir brauchen genau dieses Selbstbewusstsein eines Einbürgerungslandes, meine Damen und Herren.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)
Wir wissen: Migration und gesellschaftlicher Wandel sind historische Konstanten, eben Normalität. Gesellschaftliche Vielfalt stellt keine Bedrohung für eine von der Globalisierung und der sozialen Marktwirtschaft geprägte Gesellschaft dar. Ganz im Gegenteil: Diese Vielfalt macht uns stark.
(Dr. Götz Frömming [AfD]: Was für ein Geschwätz!)
Sie birgt Potenzial und stellt den Auftrag an uns Demokratinnen und Demokraten, diese zu stärken und damit den Erhalt unseres Wohlstandes sicherzustellen.
Genau das – ich komme zum Schluss – haben alle modernen Einwanderungsländer verstanden. Jetzt sind wir mit der Reform des Staatsangehörigkeitsrechtes dran.
(Dr. Götz Frömming [AfD]: Weihnachtsmärkte stehen unter Terrorgefahr! Das ist Ihre Vielfalt!)
Ich freue mich sehr auf die Beratungen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)
Vizepräsidentin Yvonne Magwas:
Für die FDP-Fraktion hat das Wort Konstantin Kuhle.
(Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)