Rede von Sascha Müller Steuerbelastung

Sascha Müller MdB
16.11.2023

Sascha Müller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Steiniger, das waren große Worte für ziemlich wenig Inhalt.

(Johannes Schraps [SPD]: Das kann man wohl sagen! – Michael Schrodi [SPD]: Groß waren sie nicht, sie waren laut! – Johannes Steiniger [CDU/CSU]: Eine ziemlich große Entlastung für die Bürger in Deutschland!)

Zunächst einmal: Sie nennen in Ihrem Antrag die Inflationsrate vom August und nicht jene vom Oktober, die ja die niedrigste seit zwei Jahren war. Sie benennen ein Ansteigen der Energiepreise; aber diese sind zuletzt weiter gesunken. Neuverträge bei Gas und Strom liegen längst wieder auf dem Niveau von 2021 – ein großer Erfolg unserer Energiepolitik. Nebenbei wurde der Strom noch nie so CO2-arm erzeugt wie in diesem Jahr. Sie suggerieren ja öfter das Gegenteil.

(Jörn König [AfD]: Ich möchte mal wissen, was „CO2-arm“ ist!)

Aber zurück zum Antrag. Sie fordern darin allen Ernstes, beim Kindergeld die Abstufung zwischen den ersten beiden Kindern, dem dritten und weiteren Kindern wieder einzuführen.

(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Ja, ist ja auch sinnvoll!)

Zum einen haben Sie doch der Neuregelung im Inflationsausgleichsgesetz im letzten Jahr zugestimmt, die alle Kinder gleich fair behandelt.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD und des Abg. Markus Herbrand [FDP] – Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Ja, wegen den Sozis! – Johannes Steiniger [CDU/CSU]: Weil es unsere Verantwortung ist! Wir sind eine konstruktive Opposition!)

Und zum anderen wissen Sie, dass mit der kommenden Kindergrundsicherung das Kindergeld in einen Kindergarantiebetrag umgewandelt wird.

(Antje Tillmann [CDU/CSU]: Woher sollen wir das denn wissen?)

Hinzu kommt dann ein Zuschlag je nach Einkommen. Ein wichtiger Baustein für mehr Chancengerechtigkeit hier in unserem Land. Schon allein deswegen werden wir den Antrag ablehnen: weil er hier in die falsche Richtung geht.

Bleibt der zweite Teil des Antrages: die Frage des Grundfreibetrages und des Kinderfreibetrages. Diese Frage und der Zusammenhang mit der Bürgergelderhöhung werden doch längst in der Koalition thematisiert. Und an der Stelle muss man es immer wieder sagen: Mit Arbeit gibt es immer mehr Geld als nur mit Bürgergeld. Ich sage das, weil das immer falsch dargestellt wird, auch von Ihnen gerade eben wieder.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD und des Abg. Markus Herbrand [FDP] – Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Falsch! – Gegenruf der Abg. Katharina Beck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig! – Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Das stimmt einfach nicht! – Gegenruf der Abg. Katharina Beck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch! – Gegenruf des Abg. Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Nein!)

Jedenfalls muss jetzt die Frage des Grundfreibetrages nicht nur politisch, juristisch und hinsichtlich der haushalterischen Darstellbarkeit diskutiert werden. Das muss jetzt diskutiert werden; das tun wir. Aber die haushalterische Darstellbarkeit ist nach dem gestrigen Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das wir selbstverständlich respektieren und mit Demut annehmen, natürlich ein Stück weit anders als bisher.

Mit Blick auf das Urteil sage ich in Richtung der Unionsfraktion, an CDU und CSU gerichtet: Sie haben geklagt, und Sie haben recht bekommen. Aber jetzt sollten Sie sich auch Ihrer Verantwortung stellen, nämlich der Frage, wie wir die Stahlindustrie, die chemische Industrie, die vielen Betriebe in Deutschland und auch die Menschen unter den Bedingungen des gestrigen Urteils auf dem Weg der notwendigen Transformation unterstützen.

(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Sie sind doch die Regierung! Prioritäten setzen! Leistung, Wachstum!)

Hier geht es natürlich um das wichtige Thema Klimaneutralität; aber es geht eben auch und vor allem um die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland.

(Zuruf des Abg. Sebastian Brehm [CDU/CSU])

Mir scheint, wenn ich an die Aktuelle Stunde heute denke, das ist vielen in der Union noch nicht ganz klar.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es wird nicht reichen, dass Sie hier wieder, wie so oft in der Vergangenheit, einen langen Spiegelstrichkatalog an möglichen Steuervergünstigungen vorlegen

(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: So ein Quatsch!)

und ganz oben drüberschreiben, wie auch bei diesem Antrag: im Rahmen der Haushaltslage. Das wird nicht mehr funktionieren, nicht nach dem gestrigen Urteil.

Wir in der Ampel haben eines bewiesen: Je größer die Herausforderungen,

(Fritz Güntzler [CDU/CSU]: … desto schlimmer werdet ihr! – Heiterkeit bei der CDU/CSU)

desto besser und konzentrierter arbeiten wir. Als Markus Söder noch davon sprach, dass die Menschen es daheim nicht mehr warm haben würden, haben wir die Unabhängigkeit von russischen Energieimporten organisiert und uns gut durch den letzten Winter gebracht, und natürlich wird das auch bei dem künftigen so sein. Wir haben die Menschen in der kriegsbedingten Inflation so gut es ging unterstützt und entlastet und die Ursachen der Inflation bekämpft. Die Erfolge sind sichtbar.

Wer mit den Herausforderungen der Folgen von Putins Krieg in Europa zurechtkommt, der kommt auch mit den Herausforderungen des Verfassungsgerichtsurteils zurecht. Und wer damit zurechtkommt, der wird natürlich auch die Frage lösen, ob der Grundfreibetrag im kommenden Jahr, wie bisher vorgesehen, 11 604 Euro, 11 784 Euro oder – ich verstehe Ihren Antrag so, dass Sie das beabsichtigen; ach ja: im Rahmen der Haushaltslage – über 12 000 Euro betragen wird. Darauf können Sie sich verlassen.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP – Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Schwacher Applaus!)