Rede von Christian Kühn Steuerliche Förderung von Mietwohnungsneubau

29.11.2018

Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen der Großen Koalition, angesichts dieses Gesetzes fragt man sich schon, für wen Sie eigentlich Wohnungspolitik und Baupolitik machen. Wenn ich mir das Gesetz anschaue, dann erkenne ich, dass es eine Subvention für die Bauwirtschaft und die Immobilienlobby ist, aber sicherlich kein Gesetz für die Mieterinnen und Mieter da draußen, die im Augenblick händeringend nach bezahlbarem Wohnraum suchen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Die Sonderabschreibung sorgt nicht für bezahlbaren Wohnraum. Das ist ein wohnungspolitischer Blindflug, der auch steuerpolitisch abzulehnen ist. In einer Zeit, in der die Investoren Panzerschränke voller Geld haben, ihnen auch noch Geld hinterherzuwerfen, obwohl die Wohnungsmärkte eh schon überhitzt sind, ist vollkommen absurd.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Was wir stattdessen bräuchten, wären Investitionszulagen für die Kommunen oder für Genossenschaften, aber sicher nicht für diejenigen, die von der vorgesehenen Sonderabschreibung profitieren würden. Die haben wirklich genug Geld. Ich sage mal so: Ohne Mietpreisbindung macht solch ein Gesetz wirklich keinen Sinn.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Was mich letzte Woche wirklich zur Weißglut getrieben hat, war die Anhörung, die wir im Finanzausschuss hatten. Herr Gutting, Sie haben gesagt, nach dieser Anhörung seien Sie bestärkt. Ich glaube, Sie sind der Einzige gewesen, der aus dieser Anhörung diese Haltung mitgenommen hat.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Diese Anhörung war eine schallende Ohrfeige für die Große Koalition und dieses Gesetz. Alle Sachverständigen waren sich einig, dass dieses Gesetz in dieser Form niemand braucht, auch die Sachverständigen von der Großen Koalition. Die Kollegen von der SPD haben in der Anhörung gefragt, welcher Sachverständige dieses Gesetz gut findet. Da hat kein einziger Sachverständiger die Hand gehoben. Dass Sie nun hier herausgehen und sagen, dass Sie sich nach dieser Anhörung bestärkt fühlen, kann ich nicht nachvollziehen und finde es hanebüchen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN und der FDP)

Noch mal: Eine Anhörung ist dafür da, dass man Experten anhört. Was man da hört, muss man auch in sich wägen und überlegen, ob man vielleicht irgendetwas anders macht.

(Manfred Grund [CDU/CSU]: Waren Sie bei der Anhörung?)

Aber dass Sie das komplett ignorieren, zeigt, wie Sie mit diesem Parlament umgehen und wie Sie selber mit diesen Anhörungen umgehen. Sie sind Ihnen im Kern doch eigentlich egal, weil Sie nur den Koalitionsvertrag durchpauken wollen, den Sie mal in der Nacht geschlossen haben. Aber gute Ideen müssen in dieser Nacht nicht entstanden sein. Diese Idee hätte keiner gebraucht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN und der FDP – Ulli Nissen [SPD]: Unfug!)

Das Grundproblem dieses Gesetzes ist doch, dass Sie nicht erkennen, dass Baukosten nicht Marktmieten sind. Ich habe die Bundesregierung gefragt: Wie entsteht ein Mietpreis für eine neugebaute Wohnung auf einem Markt? Hat er etwas mit den Baukosten zu tun? Da wurde ganz klar gesagt: Die Marktmiete wird genommen. – Es ist also egal, ob ich für 1 500 Euro oder 3 000 Euro pro Quadratmeter bauen kann. Es ist die Frage, welchen Preis ich auf dem Markt erzielen kann. Ich sage Ihnen eines: Ich habe in VWL in der 11. Klasse gelernt, dass man in einer Hochkonjunkturphase nicht noch mehr Geld in den Markt reinschütten soll; denn dann erzeugt man Mitnahmeeffekte. Ich sage Ihnen eines: In der CDU und auch in der SPD wäre dieser VWL-Grundkurs mal dringend notwendig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN und der FDP und des Abg. Martin Sichert [AfD])

Wir haben einen Vorschlag gemacht für eine Mietobergrenze. Ich sage das auch an die Adresse der SPD. In der letzten Wahlperiode haben Sie dieses Gesetz noch abgelehnt mit der Begründung, es habe keine Mietobergrenze. Nun bringen wir hier einen Gesetzentwurf mit ein, der diese Mietobergrenze einzieht. Ich erwarte von denjenigen, die ihre Zustimmung zur Mietobergrenze in den letzten Jahren immer wieder betont haben, dass sie heute unserem Gesetzentwurf für eine Mietobergrenze zustimmen.

(Zuruf der Abg. Ulli Nissen [SPD])

Nur mit einer Mietobergrenze wird es zu bezahlbarem Wohnraum kommen, sonst nicht; denn ansonsten ist es ein reiner Mitnahmeeffekt und eine reine Subvention derjenigen, die sich eh schon gerade auf den Wohnungsmärkten eine goldene Nase verdienen.

Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael Theurer [FDP]: Das war aber im Grundkurs VWL nicht enthalten!)