Rede von Katharina Beck Steuern
Katharina Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Liebe Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Nach der wunderschön vorgetragenen Mic-Drop-Rede von Melanie Wegling habe ich mich gerade fast gefragt: Muss ich eigentlich noch nach vorne gehen? Denn sie hat schon sehr viel gesagt.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Auch Sebastian Schäfer hat uns wundervoll in die Welt der wahren Zahlen des internationalen Steuerwettbewerbs mitgenommen, wohingegen Herr Brehm uns erzählt hat, wir hätten nichts getan. Dabei haben wir letztes Jahr im Finanzausschuss 17 Gesetze miteinander verhandelt.
(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Die Frage ist, was rauskommt aus den Gesetzen!)
Wir haben 95 Milliarden Euro an Entlastungsmaßnahmen beschlossen. Da ist das Faktenwissen offensichtlich nicht so stark vertreten.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Frauke Heiligenstadt [SPD]: Na, bei Herrn Brehm sowieso nicht!)
Ihr Antrag dreht sich um Steuern und Wettbewerbsfähigkeit. Wettbewerbsfähigkeit hängt natürlich stark mit dem Faktor Standort zusammen.
(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Standort und Steuern!)
Erst mal sind wir immer noch auf Platz sieben oder vier – je nach Ranking – in Bezug auf unsere Wettbewerbsfähigkeit.
(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Das Ranking der Heinrich-Böll-Stiftung!)
Deutschland ist der attraktivste Standort für Investitionen. Und wenn man sich den Global Competitiveness Index, also einen Index, der misst, wie Wettbewerbsfähigkeit eigentlich entsteht, anguckt, dann sieht man – das sagt das Weltwirtschaftsforum, das diesen erstellt –: Steuern haben einen Anteil von nur 1,38 Prozent an der Wettbewerbsfähigkeit. Deswegen sind sie nicht unwichtig; aber auf jeden Fall sind sie nicht der einzige Faktor. Ich möchte auf jeden Fall gleich noch darauf eingehen, bei welchen Faktoren in Bezug auf die Wettbewerbsfähigkeit wir als Koalition sehr wohl sehr gut vorangehen.
Ich möchte aber noch kurz bei den Steuern bleiben. Das ist ja auch Ihr Thema; das möchte ich respektieren.
(Kay Gottschalk [AfD]: Och! Das ist nett!)
Es wundert mich, dass das Thema „Inflation Reduction Act in den USA“ noch gar nicht angesprochen wurde. Dort wurde nämlich eine ganz spannende Sache gemacht. Wir reden immer darüber, dass dort Steueranreize in tollen Bereichen gesetzt werden. Es sind um die 130 Bereiche, darunter grüner Wasserstoff, erneuerbare Energien, Elektroautos. Ja, das stimmt. Es wird immer angenommen, dass das zu Steuersenkungen führt. Die zweite Wahrheit ist, dass der Inflation Reduction Act so heißt, weil er die Staatseinnahmen durch einen generellen Anstieg der Steuereinnahmen erhöht.
(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Wie viel Prozent Steuern? 20!)
Damit reduziert er gezielt die steuerliche Belastung bei den Zukunftstechnologien und setzt Anreize für Investitionen in diesem Bereich. Das ist ein sehr, sehr guter Mechanismus.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Jörn König [AfD]: Der Glaube an die Planwirtschaft!)
Der US-amerikanische Staat verspricht sich davon Steuermehreinnahmen bzw. eine Defizitreduktion von über 200 Milliarden US-Dollar. Was könnten wir damit alles Tolles machen!
(Kay Gottschalk [AfD]: Die Subventionen erhöhen!)
Es wäre gut, wenn wir diesen tollen Mechanismus aus genereller Anhebung der Einnahmen und gezielten, massiven Investitionsanreizen vielleicht insgesamt ein bisschen mehr in unsere Debatten mit aufnehmen würden.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Melanie Wegling [SPD])
Ich möchte aber auch auf die anderen Wettbewerbsfaktoren eingehen. Ich lasse mir unser Deutschland von Ihnen einfach nicht schlechtreden.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Das ist auch unser Deutschland! – Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Das ist genau Ihre Denke! Sie machen sich dieses Land zu eigen!)
Es ist so, dass wir im Bereich der Energie so einen Mist von Ihnen geerbt haben, dass ich hier auch mal – Sie kennen mich besonnen – ein bisschen wütend werden muss, wenn Sie die ganze Zeit das Potenzial unserer Wirtschaft und auch das, was wir über den letzten Winter geleistet haben – wir haben die Energieversorgung gesichert –, schlechtreden.
(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Ach du liebe Zeit! Wo bleibt denn euer grüner Wirtschaftsaufschwung? Lächerlich!)
Sie haben uns ein Klumpenrisiko durch eine Abhängigkeit von russischem Gas in Höhe von 55 Prozent hinterlassen.
(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Ihr könnt ja noch nicht mal Gesetze gescheit beraten!)
Davon hängt die deutsche Industrie massiv ab, um die Wärme in ihren Prozessen überhaupt nutzen zu können. Wir sind Tag und Nacht um die Welt gefahren,
(Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Geflogen! – Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Geflogen seid ihr! Das arme Klima!)
um die industrielle Fertigung in diesem Land über den Winter zu sichern und dafür zu sorgen, dass jeder ein warmes Zuhause hat.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Kay Gottschalk [AfD]: Wer hat denn jetzt die Pipeline zerschossen?)
Darüber hinaus stellen wir uns zukunftsfähig auf und beschleunigen endlich den Windausbau an Land und an See. Was haben wir an Bürokratie von Ihnen geerbt! Das BMJ hat eine Liste mit über 400 Maßnahmen, die Sie uns vererbt haben, zusammengestellt und in der Verbändeanhörung vorgestellt. Wir gehen jetzt daran, Bürokratie endlich abzubauen.
(Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Das Justizministerium war aber in SPD-Hand!)
Während Sie die ganze Zeit von Moratorien sprechen, handeln wir und frieren nicht einfach nur eine doofe Situation ein.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Ein weiterer Punkt ist das Thema Fachkräfte. Ich glaube, Sie haben überhaupt nicht verstanden – da muss ich Frau Wegling zustimmen –, was das Problem in fast allen Branchen ist. Es sind Hunderttausende von Menschen, die uns pro Jahr fehlen, auch wegen des demografischen Wandels. Wir haben das Gesetz zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung beschlossen. Das hätten wir mit Ihrer Haltung zu Einwanderern nie hinbekommen. Das wird zwar nicht alles lindern, aber es ist ein erster wichtiger Schritt.
Vizepräsidentin Yvonne Magwas:
Frau Beck, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Gottschalk?
Katharina Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Nein, vielen Dank.
Ich möchte enden mit Zuversicht. Wir haben gerade mit der Ansiedelung von Intel hier die größte Privatinvestition aus dem Ausland seit 1949.
(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: 10 Milliarden Subventionen! – Gegenruf des Abg. Dr. Sebastian Schäfer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 30 Milliarden Investitionen!)
Ja, es gibt gerade widrige Umstände. Aber wir sind immer noch bei Klima- und Umweltschutztechnologien Vizeexportweltmeister.
Vizepräsidentin Yvonne Magwas:
Ich bitte Sie, zum Ende zu kommen.
Katharina Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Ich habe Bock, dass wir auch mal wieder in etwas Weltmeister werden, zum Beispiel darin.
(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Verbotsweltmeister sind wir!)
Das wäre doch toll. Werden wir endlich wieder Exportweltmeister in Klimaschutz- und Zukunftstechnologien!
Vizepräsidentin Yvonne Magwas:
Ihre Redezeit ist vorbei, Frau Beck.
Katharina Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Wir setzen die richtigen Anreize dafür.
Herzlichen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)
Vizepräsidentin Yvonne Magwas:
Für die FDP-Fraktion hat das Wort Maximilian Mordhorst.
(Beifall bei der FDP)