Rede von Renate Künast Strafrecht

Renate Künast MdB
26.01.2023

Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Danke, Herr Präsident. – Meine Damen und Herren! Ich finde, es ist eine gute Debatte. Danke an die Fraktion Die Linke, dass es diese Vorlage gibt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Stephan Thomae [FDP])

Ich finde den Versuch, die Richtlinien in Strafsachen zu verändern, schon einmal einen guten Zwischenschritt. Mal sehen, ob er durchkommt. Trotzdem müssen wir das Thema grundsätzlich angehen und auch breit denken.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Das Strafrecht ist Ultima Ratio, letztes Mittel. Aber nicht nur das: Wenn wir darauf gucken, müssen wir auch immer überlegen: Ist es eigentlich in sich logisch? Es gibt ja viele Unlogiken: Hunderte von Tieren können qualvoll sterben, ersticken, verbrennen, und trotzdem kommt es eigentlich nie dazu, dass es für die Tierhalter auch nur zu einer Freiheitsstrafe zur Bewährung kommt, gerade noch allenfalls; zu etwas darüber kommt es nie, obwohl es wiederholt um Hunderte Tiere geht. Das muss man ändern!

Alkohol oder Tabak und Alkohol sind in diesem Land jährlich an 74 000 Toten schuld; der Konsum von beidem ist nicht strafbar. An Drogen starben 2021 1 826 Personen, der Konsum ist aber strafbar. Da muss man auch etwas ändern, zumindest für Cannabis.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP und der LINKEN)

Die Dinge müssen in sich logisch sein!

Neben der Ultima Ratio kommt hinzu, dass das Strafgesetzbuch in seinen Aussagen doch logisch zur sonstigen Politik, die wir betreiben, passen muss. Es löst nicht alle Probleme, nein, es kommt ja sowieso zu spät.

(Helge Limburg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig!)

Das Strafrecht löst nie Probleme – würde ich mal an die CDU/CSU gerichtet sagen –, das lernt man schon im ersten Semester, das Strafrecht ist nur eine rote Linie ganz hinten.

Das Strafgesetzbuch muss aber Ausdruck von Werten sein, die wir in dieser Gesellschaft haben, und darf nicht im Widerspruch zu ihnen stehen. Deshalb, meine ich, müssen wir beim Containern – ich rede nicht über Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch – ran ans Strafgesetzbuch. Warum? Die Bestrafung des Containerns steht doch im Widerspruch dazu, dass wir alle darunter leiden, dass wir so viel Lebensmittelverschwendung haben, dass so viele Lebensmittel zu Müll werden. Jährlich landen in Deutschland 18 Millionen Tonnen Lebensmittel statt auf dem Teller in der Tonne. In jeder Sekunde landen 318 Kilogramm genießbare Nahrungsmittel im Müll. 2,6 Millionen Hektar deutscher Acker werden faktisch umsonst bewirtschaftet. Das heißt, umgesetzt, 22 Millionen Tonnen Treibhausgase werden ohne Grund ausgestoßen. Diese Ressourcenverschwendung macht 6 Prozent an den Gesamtemissionen aus – umgerechnet 143 Milliarden Euro.

Das alles wollen wir beenden; wir wollen dagegenarbeiten. Wenn wir einerseits sagen: „Wir können nicht so blöd und so ineffizient mit Ressourcen umgehen“, können wir nicht andererseits sagen: „Wenn sich einer aus einer Mülltonne Lebensmittel holt, die verzehrfähig sind, dann muss das bestraft werden.“

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP und der LINKEN – Canan Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)

Das passt nicht zusammen.

153,5 Millionen Tonnen Lebensmittel werden in der EU jedes Jahr verschwendet. 140 Millionen Tonnen importieren wir. Wir nutzen für unsere Verschwendung also noch andernorts Äcker, meine Damen und Herren. Auch deswegen müssen wir dagegen vorgehen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ein erster Schritt ist, das Containern selbst straffrei zu stellen, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN und des Abg. Stephan Thomae [FDP])

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Frau Kollegin, kommen Sie zum Schluss, bitte.

Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Ja. – Was die Botschaft aus dem Agrarbereich angeht, in dem ich auch tätig bin, kann ich nur eines sagen: Zu einem Gesamtkonzept gehört, dass wir auch dafür sorgen, dass im Strafgesetzbuch Botschaften gesetzt werden.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Frau Kollegin, bitte.

Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Danke.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)