Rede von Bernhard Herrmann Strukturwandel in der Lausitz
Bernhard Herrmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Müller, zurzeit liegt der Strompreis bei 0,5 Cent im deutschen Großhandel. Bei der Kohle kostet die Kilowattstunde aufgrund des CO2-Zertifikatehandels, Stichwort „ETS“, den Sie, aber auch die FDP aus marktwirtschaftlichen Gründen haben möchten, ungefähr 8 bis 10 Cent. Die Kohle ist jetzt schon nicht mehr rentabel. Sie machen den Menschen was vor. Sie lügen die Menschen an.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Laut „Lausitz Magazin“, Herr Abraham, sind Image und Zuzug die neuen Gradmesser für die Strukturstärkung. Herr Abraham, wir waren beim Geografieunterricht stehen geblieben; ich möchte ihn fortsetzen. Dass Sie die Lausitz nur von Herzberg – ich komme aus der Nähe, ein bisschen weiter nördlich – bis nach Cottbus sehen, kann ich mir vorstellen, da Ihnen Ihr CDU-Landrat in Bautzen peinlich ist. Der schadet der Region.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Der schadet ganz Deutschland und dem Image der Region und Sachsens massiv. Klären Sie das bitte mit ihm. Dass Sie das nicht ansprechen, kann ich verstehen.
(Zuruf des Abg. Mike Moncsek [AfD])
CO2-neutrale Kohle, Herr Müller, ist ein weiterer Kostenrucksack. Wollen Sie wirklich – Sie sprachen von Planbarkeit, Herr Abraham – ausgerechnet im Zentrum der DDR-Kohleindustrie von damals wieder Planwirtschaft einführen? Wollen Sie den ETS-Großhandel aufgeben?
(Sepp Müller [CDU/CSU]: Das wollen Sie doch! Sie wollen doch 2030 raus!)
Oder wollen Sie sich ehrlich machen und die Analysen lesen? Darin heißt es, und zwar aus marktwirtschaftlichen Gründen: spätestens 2038. Dieses Wort vergessen Sie und lügen damit die Menschen an.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Sepp Müller [CDU/CSU]: Haben Sie meiner Rede zugehört? Lesen Sie nachher das Protokoll!)
Es ist dennoch gut, dass wir heute über den Kohleausstieg und den Strukturwandel in Ostdeutschland allgemein reden. „Sicherheit und Klarheit beim Strukturwandel in der Lausitz“ – so heißt der vorliegende Antrag der Linken, und alle demokratischen Fraktionen, inklusive CDU und Linke, wollen doch zunächst genau das oder sagen es zumindest. Die Debatte heute macht mich etwas ratlos; denn wenn wir den europäischen Zertifikatehandel – schönen Gruß an Fridays for Future vonseiten der Linken – ernst meinen und nicht aufgeben wollen, müssen wir die wirtschaftspolitischen Realitäten ehrlich zur Kenntnis nehmen. Auch Sie als Linke bitte.
Niemand muss in den ostdeutschen Strukturwandelregionen schwere Umbrüche befürchten.
(Christian Görke [DIE LINKE]: Ehrlich nicht?)
Und Ängste schüren muss man schon gar nicht. Denn wir können uns auf den Ausstieg entsprechend vorbereiten, wenn wir uns ehrlich machen und sehen, was wir in der Hand haben. Und dazu gehört es – ich habe es mehrfach beschrieben – aus wirtschaftspolitischer Sicht nicht, die Kohleverstromung dauerhaft am Laufen zu lassen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Christian Görke [DIE LINKE]: Ihr habt es nicht in der Hand! Das ist das Problem!)
Als Beispiel möchte ich EnBW nennen. Das hat niemand von Ihnen angesprochen; das wundert mich nicht. Das vorzeitige Abschalten von Lippendorf ist für alle überraschend, niemand redet darüber, alle sind schweigsam, alle gucken weg. Die Menschen in der Region betrifft es trotzdem; die Strukturentwicklungen finden trotzdem statt. Bitte machen wir uns ehrlich und machen den Menschen nichts vor. 2028 nimmt EnBW das Braunkohlekraftwerk Lippendorf vom Netz.
(Sepp Müller [CDU/CSU]: EnBW geht raus, Herr Kollege!)
Und bitte schön, Sie wissen, wie der Business Case aussieht: Es ist weniger Geld im System in Lippendorf. Die Nachrüstungen zur Verringerung der Quecksilberemissionen sind zu leisten, aber die investieren dort vielleicht nicht mehr. Können Sie es garantieren, Herr Müller?
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Können Sie den Menschen in Mitteldeutschland garantieren, dass das klappt? Ich kann es leider nicht. Ich bin für Ehrlichkeit; auch wenn das nicht immer beliebt ist und unsere Wahlergebnisse dort nicht toll sind. Politik hat eine andere Aufgabe, als auf gute Wahlergebnisse zu schielen. Tut mir leid.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Sepp Müller [CDU/CSU]: Dann freuen sich die rechten und linken Ränder! Machen Sie nur weiter so!)
– Wenn die Menschen überraschende Brüche erleben, Herr Müller, dann freuen sich die Ränder.
Wir fangen jetzt an. Wir steigen ein, damit wir aussteigen können. Das organisieren wir. Das findet statt.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Karsten Hilse [AfD])
Wir haben über Wasserstoff geredet, aber ich möchte noch ein anderes Thema kurz aufgreifen, das Thema Wasser. Zum Glück geht es endlich um das Thema Wasser. Herr Görke, während Ihrer Zeit in Brandenburg war das Thema Wasser tabu, auch das Thema EnBW.
(Christian Görke [DIE LINKE]: Stimmt überhaupt nicht!)
Auch den Verkauf von Vattenfall an die LEAG-Gruppe hat Die Linke mitgemacht, ohne sicherzustellen, dass die Bürgschaften für die Ewigkeitslasten vorhanden sind.
(Christian Görke [DIE LINKE]: Das stimmt überhaupt nicht, was Sie erzählen!)
– Natürlich stimmt das. – Genauso wie es die CDU mit verantwortet in Sachsen.
Wir haben die Wasserfrage nicht geklärt. Es wird nicht für alle Projekte genügend Wasser geben. Das ist das eigentliche Problem. Machen wir doch die Augen auf. Wir wissen es alle. Wir müssen uns dem zuwenden. Wir müssen aber auch sicherstellen, dass der jeweilige Betreiber – außer EnBW sind das EPH bzw. LEAG oder MIBRAG im Mitteldeutschen –, der das betriebswirtschaftlich ausnutzt, auch dafür geradesteht und dafür sorgt, dass ausreichend Geld zur Verfügung steht, um dieses gewaltige Problem der Wasserknappheit zu lösen;
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
damit die Menschen in der Region nicht eines Tages dastehen und die Wasserfrage auf eigene Kosten klären müssen. Deswegen ist es wichtig, auch bei den Sanierungsarbeiten und der Gestaltung der Bergbaufolgelandschaften auf ein nachhaltiges Wassermanagement zu achten. Denn wenn die Lausitz in der Folge der Braunkohle mehr oder weniger zur Wüste wird – die Wasserknappheit ist eklatant, das wissen wir; der Cottbuser Ostsee füllt sich leider nicht, Herr Abraham, das sehen Sie, er hat sich im letzten Sommer um 5 Millionen Kubikmeter entleert –, dann nützen uns auch Sicherheit und Klarheit beim Strukturwandel nichts.
Wir brauchen Planbarkeit: für den Wasserhaushalt, für die Bergarbeiterinnen und Bergarbeiter, für die Region. Darum steigen wir jetzt beim Strukturwandel mit den Erneuerbaren richtig ein, um möglichst frühzeitig den Ausstieg aus der Braunkohle verlässlich auf 2030 vorziehen zu können. Das muss das Ziel sein.
Schönen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vizepräsidentin Yvonne Magwas:
Für die AfD-Fraktion hat das Wort Karsten Hilse.
(Beifall bei der AfD)