Laura Kraft
13.12.2023

Laura Kraft (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn am Ende des Geldes noch sehr viel Monat übrig ist und es nur noch Nudeln mit Ketchup gibt und sich Studierende überlegen müssen, ob sie lieber eine warme Wohnung wollen oder eine warme Mahlzeit in der Mensa, dann ist das kein Lifestyle von „arm, aber sexy“, sondern dann ist das ein Armutszeugnis für unser Land.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Götz Frömming [AfD]: Nee! Für Ihre Regierung!)

In der aktuellen Krisenlage sind es junge Menschen in Ausbildung, die besonders betroffen sind. Die letzte Sozialerhebung zeigt auch, dass den Studierenden das Wasser bis zum Hals steht. Ein Drittel gilt als armutsgefährdet. Der studentische Wohnungsmarkt wird immer teurer. Eine studentische Monatsmiete kostet durchschnittlich 410 Euro. Das ist deutlich höher als der Satz, den wir im BAföG dafür vorgesehen haben.

Man müsste natürlich, statt mit Pauschalen zu arbeiten, was die Mietsituation angeht, eher auf die Verhältnisse vor Ort gucken und diese berücksichtigen. Man müsste sich da letzten Endes vielleicht auch eher am Wohngeld orientieren und eine Entlastung schaffen.

Es ist doch so: Die explodierenden Mieten und die Lebenshaltungskosten schränken auch die Studienplatzwahl der Studierenden ein.

(Zuruf des Abg. Dr. Rainer Kraft [AfD])

Das ist sozial höchst selektiv; das ist inakzeptabel. Es kann nicht sein, dass sich nur Studierende aus wohlhabenden Elternhäusern entscheiden können, wo sie studieren wollen,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

sondern diese Chancen müssen doch allen Studierenden zur Verfügung stehen, nämlich den für sie passenden Studiengang an dem entsprechenden Ort auszuwählen, und nicht danach, wie dort die Mieten sind.

(Zuruf des Abg. Dr. Götz Frömming [AfD])

Deswegen haben wir schon was auf den Weg gebracht, nämlich das Programm „Junges Wohnen“. Das ist da auch der richtige Ansatz. Aber der wirkt natürlich nicht sofort, sondern es braucht Zeit.

Aufgrund der prekären Lage, wie wir sie jetzt vorfinden, ist es dazu gekommen, dass sich angehende Studierende vermehrt überlegen, ob sie überhaupt studieren wollen, weil sie Angst vor Verschuldung haben oder davor, dass sie sich das Ganze nicht leisten können. Und es ist sogar dazu gekommen, dass Studierende ihr Studium aktiv abbrechen, weil sie sich das Ganze nicht mehr leisten können. Das können wir nicht akzeptieren. Hier müssen wir etwas tun, und deswegen geht die Ampel da auch Schritte.

Wir haben im letzten Jahr, im Krisenjahr, mit zwei BAföG-Novellen dafür gesorgt, dass sich die Situation für die Studierenden unmittelbar, schon zum Wintersemester, bessert, dass wir den Berechtigtenkreis ausweiten. Wir haben mit der Einmalzahlung akute Hilfe geleistet, und wir haben auch mit den Heizkostenzuschüssen eingegriffen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Das war mehr als notwendig.

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In zwei Jahren mehr als die Union in vielen Jahren! – Gegenruf des Abg. Stephan Albani [CDU/CSU]: Es zählt nicht die Quantität, sondern die Qualität!)

Liebe Union, Sie haben einen Antrag gestellt, um auf die Studienkredite der KfW aufmerksam zu machen. Na ja, ich muss mal sagen: Ihr Antrag ist wie immer sehr dünn. Also, er hat nicht mal ganz zwei Seiten. Ich bin ein bisschen enttäuscht, dass es leider die Fraktion Die Linke nicht mehr gibt; denn die haben zur Sache eigentlich immer ganz gute, gehaltvolle Anträge mit wirklich konzeptuellen Vorschlägen vorgelegt.

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Dann können Sie sich ja zu ihnen gesellen!)

Das haben wir jetzt leider nicht mehr. Sie haben jetzt auf eine Problemlage aufmerksam gemacht, die Sie selber damals während der Pandemie mitgestrickt haben,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP und bei fraktionslosen Abgeordneten)

dann haben Sie sich wieder hingelegt, und das war’s. Das ist etwas enttäuschend.

(Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Das könnt ihr nicht durchhalten! Wenn der erste Studierende Privatinsolvenz anmeldet, dann kippt das!)

Was zeigt das Ganze unterm Strich? Kredite sind keine Lösungen. Warum haben Sie damals unter Ihrer Regierung eigentlich angefangen, diesen KfW-Studienkredit aufzubauen? Weil Sie eigentlich Studiengebühren wollten. Ich muss Ihnen sagen: Ich möchte keine angloamerikanischen Verhältnisse,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

wo man sich sein Studium letzten Endes nur nach den finanziellen Möglichkeiten der Eltern aussuchen kann

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau das!)

oder sich bis unters Kinn verschuldet und seine Schulden dann noch abträgt, wenn man eigentlich schon längst in der Phase ist, in der man mitten im Beruf stehen sollte und eigentlich eine Familie gründen möchte. Das ist doch die aktuelle Situation.

(Beifall des Abg. Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Natürlich ist es auch völlig inakzeptabel, wie sich die Zinsen entwickelt haben. Sie haben während der Pandemie ein Instrument schaffen wollen; das kann ich auch verstehen. Damals musste man ja eingreifen, um Studierenden einen Ausweg zu bieten. Dann haben Sie gesagt: „Na ja, die sollen einen Studienkredit aufnehmen“, haben die Zinsen runtergesetzt, und jetzt haben wir den Salat. Natürlich konnten Sie in der Union auch nicht wissen, dass wir noch mal in eine andere Krisensituation kommen würden, in der sich die allgemeine Zinssituation mit der Inflation so dramatisch verschlechtert.

(Stephan Albani [CDU/CSU]: Deswegen hätten wir jetzt auch was gemacht!)

Aber Sie hätten doch einfach den Schritt gehen können, das BAföG zu öffnen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Das wäre doch ein adäquater Weg gewesen. Sie haben das nicht gemacht; meine Kollegin Lina Seitzl hat es eben ausgeführt.

(Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Was machen Sie denn?)

Jetzt sind die Studierenden in der Misere und haben das vorliegen.

Was brauchen wir letzten Endes? Studienkredite sind nur eine Lösung für eine Überbrückung. Sie sollten das letzte Mittel sein, und wir können uns nicht auf sie verlassen. Wir brauchen eine adäquate Studienfinanzierung, die das Studium aller Studierenden, egal aus welchen sozialen Schichten sie kommen, egal mit welchem Hintergrund sie kommen, gescheit ausfinanziert.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Holger Becker [SPD])

Deswegen brauchen wir endlich eine Strukturreform im BAföG, die diesen Namen verdient. Dafür werde ich kämpfen, dafür kämpfen auch meine Kolleginnen und Kollegen.

(Stephan Albani [CDU/CSU]: Sie sollen nicht kämpfen! Sie sollen es tun!)

Damit müssen wir endlich anfangen. Es muss jetzt passieren; denn die Situation liegt gerade akut vor.

Zur Situation beim Studienkredit will ich noch eins sagen, liebe Union: Sie könnten auch Teil der Lösung sein; denn meines Erachtens sind Sie im Verwaltungsrat auch vertreten. Machen Sie da Druck. Sorgen Sie da auch dafür, dass die KfW Lösungsvorschläge anbietet. Das fände ich in der derzeitigen Situation angemessen.

Ansonsten: Die Strukturreform des BAföG müssen wir jetzt anpacken. Die Ministerin ist zwar nicht da, aber sie hört es bestimmt trotzdem. Also, bitte!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:

Die nächste Rednerin ist Ria Schröder für die FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)