Rede von Renate Künast Suizidhilfe

Zur Darstellung dieses Videos speichert Youtube Daten in einem Cookie und verarbeitet auch Nutzungsdaten außerhalb der EU. Weitere Infos finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

21.04.2021

Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Bundesverfassungsgericht hat den alten § 217 StGB für nichtig erklärt. Es hat gesagt: In jeder Lebenslage – wirklich: in jeder Lebenslage; es wurde nicht nach Alter, nach Krankheit oder anderem differenziert – beinhaltet das allgemeine Persönlichkeitsrecht ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben und ein Recht, sich dabei auch Hilfe von Dritten zu holen.

Das Bundesverfassungsgericht hat aber auch gesagt, dass der Gesetzgeber/die Gesetzgeberin – das sind wir – Schutzvorschriften machen und Sterbehilfe regulieren kann. Was mich beeindruckt, wenn ich diesen Text noch mal lese: Darin steht auch, dass es einen Weg geben muss, dass die Menschen das Recht haben müssen, ihren verfassungsrechtlichen Wunsch in zumutbarer Weise zu verwirklichen. Das bewegt mich, meine Damen und Herren.

Hier ist jetzt über Freiheit geredet worden und darüber, dass unser Grundgesetz das Leben will. Ja, das stimmt; aber wir haben eben auch dieses allgemeine Persönlichkeitsrecht, und wir wissen doch heute, nach dieser Gerichtsentscheidung: Sterbehilfe und Beihilfe findet statt. Vereine gehen in Altersheime und beraten über das Recht am Ende des Lebens, Ärztinnen und Ärzte sind damit konfrontiert. Und da meine ich, dass wir es nicht bei der Gerichtsentscheidung belassen können, sondern auch einen klaren, rechtssicheren Weg eröffnen müssen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ein rechtssicherer Weg heißt: Zugang zu Medikamenten, die jetzt auf irgendwelche klandestine Art und Weise – keiner weiß, welche eigentlich – genommen werden.

Fassen wir uns ein Herz, und machen wir eines: Finden wir im Rahmen des Respekts vor dieser Selbstbestimmung einen Weg, der sicher und zumutbar ist. Ich sage zu Herrn Castellucci: Es geht nicht darum, ein Modell zu eröffnen; es findet längst statt, ohne dass wir einen Schutzrahmen haben. Ich meine, es geht hier nicht um die Frage, ob Sie oder ich, ob irgendjemand von uns das richtig oder nicht richtig findet oder ob Kirchen oder religiöse Menschen das richtig oder nicht richtig finden. Es ist das Persönlichkeitsrecht. Das Grundgesetz fordert faktisch von uns, zu sagen, wie Betroffene ihr Recht auf selbstbestimmtes Sterben rechtssicher umsetzen können, wie wir den Schutzraum organisieren können, meine Damen und Herren.

Der Ort für eine solche Regelung ist definitiv nicht das Strafgesetzbuch, sondern – meine Kollegin Katja Keul und ich haben ja einen Entwurf, der von anderen unterstützt wird, vorgelegt – ein eigenes Schutzgesetz, das differenziert zwischen Menschen in medizinischer Notlage und Menschen, die aus anderen Gründen ihr Leben enden wollen. Wir sagen nicht: „Der eine darf, der andere darf nicht“, sondern wir eröffnen unterschiedliche Wege und respektieren das Recht beider, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ich will eines an der Stelle hinzufügen: Wir sagen auch – und ich finde, dass man das regeln muss –: Für Sterbehilfevereine muss es Regeln geben, für die Begleitung muss es Regeln geben. Es muss die Zuverlässigkeit der Personen geregelt werden, meine Damen und Herren. Was uns auf alle Fälle bleibt: Wir können nicht zulassen, dass das Bundesverwaltungsgericht gesagt hat, es muss Zugang zu Betäubungsmitteln geben, und der Bundesminister sagt: Es gibt hier gar keine Abwägung; ihr als Behörde sagt immer Nein. – Das können wir rechtlich nicht akzeptieren.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss.

Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Dann bleibt für mich, zu sagen: Lassen Sie uns einen rechtssicheren, guten, sauberen Weg finden, und denken wir im Übrigen immer daran: An 365 Tagen im Jahr ist Zeit, neben dieser Regelung endlich gute Prävention und gute Betreuung zu organisieren und zu finanzieren.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Vielen Dank, Frau Kollegin Künast. – Nächster Redner ist der Kollege Stephan Pilsinger aus der CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)