Rede von Corinna Rüffer Tätigkeitsbericht des Petitionsausschusses im Jahr 2019
Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist völlig richtig: Wir haben echt Besseres zu tun, als uns hier auf die Schulter zu klopfen, das Petitionswesen zu loben und immer zu wiederholen, dass es eine Perle der Demokratie ist; da wird ja keiner widersprechen. Wir alle, die wir im Ausschuss arbeiten, wissen doch, dass es echt noch ganz viel Luft nach oben gibt. Wir müssen die Arbeit des Petitionsausschusses viel besser machen.
Das hat ganz viel damit zu tun, dass die Verantwortung, die wir tragen, von Jahr zu Jahr wächst. Wir können das im Moment an der Statistik ablesen. Herr Wendt und andere haben es gesagt, und es stimmt ja auch: Die Anzahl der Nutzerinnen und Nutzer wächst, sie ist um 40 Prozent gestiegen. Die Anzahl der Mitzeichnungen ist sogar um fast 50 Prozent gewachsen. Das zeigt, dass das Instrument bei den Bürgerinnen und Bürgern ankommt. Das zeigt aber auch, dass wir eine Verantwortung dafür tragen, mit diesem Instrument verantwortungsbewusst und so gut wie möglich umzugehen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Denn wir im Petitionsausschuss haben das Beste zu tun – ich meine das völlig ernst –, was Abgeordnete des Deutschen Bundestags überhaupt tun können: Wir können, müssen und vor allen Dingen dürfen uns für die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger direkt einsetzen, nicht vermittelt über Ausschüsse; die Bürgerinnen und Bürger können sich direkt an uns wenden. Sie sehen uns als die Anwälte der Menschen, als ihr Sprachrohr, die Verteidigerinnen und Verteidiger ihrer Interessen.
Ich stehe hier nicht zum ersten Mal. Vielmehr habe ich seit einigen Jahren die Möglichkeit, die Bilanz des Petitionsausschusses zu bewerten. Jedes Jahr stehe ich hier und stelle, glaube ich, ganz explizit die Stärken dieses Ausschusses in den Mittelpunkt, aber sage auf der anderen Seite auch: Es gibt erhebliche Schwächen, an denen wir arbeiten müssen. Wir haben Erfolge zu feiern, aber wir vertun Woche für Woche Chancen. Das muss sich ändern, meine sehr verehrten Damen und Herren!
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Deswegen jammern wir nicht nur, sondern legen Vorschläge vor. Frau Kassner hat es gerade gesagt: Wir haben uns im Ausschuss in der Obleuterunde zusammengesetzt. Wir haben seitenweise Vorschläge vorliegen; wir müssen sie einfach umsetzen. Wir diskutieren seit Jahren darüber. Wir müssen endlich mit der Umsetzung beginnen. Diese Legislaturperiode darf nicht verstreichen, ohne dass das Petitionswesen tatsächlich erheblich verbessert wird.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Es muss durchlässiger und transparenter werden. Es muss leichter zugänglich, barrierefrei sein für alle Menschen in diesem Land. Wir müssen die Mitwirkung an unserem demokratischen Gemeinwesen verbessern.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung, die Kolleginnen und Kollegen sind ganz tolle Leute. Sie tun ganz viel dafür, dass im Einzelfall geholfen wird, und im Einzelfall funktioniert das auch. Dafür gibt es ja schöne Beispiele, die im Jahresbericht dargelegt sind. Für ihre Arbeit will ich ihnen noch einmal danken.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Vor allen Dingen bin ich aber von den Bürgerinnen und Bürgern beeindruckt. Ich bin beeindruckt von dem Willen, der Unverdrossenheit und dem großen Vertrauen der Menschen in diesem Land, das sie uns, dem Petitionsausschuss und dem gesamten Parlament, entgegenbringen. Das ist wirklich bemerkenswert.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich bin auch berührt und bewegt davon, wie sehr sich Menschen öffnen, uns mit ihren persönlichen Sorgen, Ängsten und auch ihren Hoffnungen begegnen und uns um Unterstützung bitten. Über 50 Prozent aller Eingaben sind dieser Natur; sie sind höchstpersönlich. Dieses persönliche Vertrauen ist wichtig; wir dürfen es nicht verspielen.
Schauen wir noch einmal hin, um was es geht. Es geht ganz häufig um Probleme mit Anträgen bei Jobcentern, Krankenversicherungen, Versicherungen im Allgemeinen. Menschen haben es mit Sanktionsmaßnahmen zu tun, sie sind in existenziellen Krisen, und sie wenden sich an uns, das Parlament, weil sie Hilfe im Einzelfall brauchen.
Der Präsident hat gestern gesagt: Wir können als Parlament Gesetze so gut schreiben, wie wir wollen, in der Exekutive, in der Anwendung, wird es immer Probleme geben. – Deswegen brauchen die Bürgerinnen und Bürger diesen Petitionsausschuss, um im Einzelfall wirklich aus der Krise herauszukommen. Das ist unsere Aufgabe.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Auf der anderen Seite gibt es ganz viele kreative Menschen mit hohem Potenzial in Deutschland, die sich an den Petitionsausschuss wenden mit Vorschlägen, um unser Gemeinwesen nach vorne zu treiben. 2019 – es ist nicht weiter verwunderlich – stand natürlich das Thema Klimaschutz im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit: Tempolimit auf Autobahnen, Klimaschutzgesetz, Bienenschutz, Klimanotstand – alles Petitionen mit über 50 000 Unterstützerinnen. Sie von der AfD – Sie können noch so dreckig lachen, ja – haben es mit allen Mitteln versucht, aber Sie konnten diesen Ausschuss nicht kapern, es ist Ihnen nicht gelungen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Menschen, die sich konstruktiv an diesem Land beteiligen wollen, haben diese Vorschläge eingereicht. Jetzt müssen wir den Auftrag daraus ziehen, es umsetzen. Helfen wir mit dabei, diesen Ausschuss auf die Beine zu stellen! Schöpfen wir seine Rechte im Sinne der Bürgerinnen und Bürger aus! Wecken wir den schlafenden Riesen! Das ist die Aufgabe und mein großer Wunsch an diesem Morgen.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)
Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:
Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Jens Lehmann, CDU/CSU.
(Beifall bei der CDU/CSU)