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29.10.2020

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt nichts zu beschönigen: Die sicherheitspolitische Lage ist ernst, die Gefahren sind real. Wir haben das – es ist angesprochen worden – allein in den letzten Tagen in Paris, in Dresden und, heute, in Nizza gesehen.

Auch ich möchte sehr danken, dass wir uns auf die Anregung des Kollegen Kuhle heute auf dem Pariser Platz versammeln und unseren Freundinnen und Freunden in Frankreich unsere Anteilnahme und vor allen Dingen unsere unbedingte Solidarität zum Ausdruck bringen konnten. Herzlichen Dank an alle, die da waren!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und der LINKEN sowie des Abg. Karsten Hilse [AfD])

Aber wir wissen auch aus unserem eigenen Land – parallel zu unserer Debatte hier tagt der Untersuchungsausschuss Breitscheidplatz –, wie ernst die Lage ist. Für uns ist entscheidend: Die Antworten auf die Frage, wie man dieser Gefahr begegnet, unterscheiden Demokratien von Diktaturen, unterscheiden Rechtsstaaten von Unrechtsstaaten. Wir brauchen entschlossene, aber besonnene und scharfe, aber eben rechtsstaatliche Maßnahmen. Was wir nicht brauchen, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind Symboldebatten, wie zum Beispiel über die Vorratsdatenspeicherung, die gerichtlich längst als verfassungswidrig eingestuft worden ist, über unsinnige Fußfesseln, die nicht zur Anwendung kommen, über Burkaverbote.

Man muss an so einem Tag auch einmal ansprechen, was die letzten Jahre nicht gelungen ist: Wir haben es nicht geschafft, über einheitliche, europaweit geltende Gefährderbegriffe zu sprechen, die wir dringend bräuchten, um überhaupt mit dieser Gefahr grenzüberschreitend richtig umgehen zu können.

(Zuruf von der CDU/CSU: Und was machen wir dann mit denen?)

Wir brauchen daneben Verbesserungen bei der zuverlässigen Zusammenarbeit im föderalen System. Außerdem wurden neue Gefahren, wie durch Reichsbürger, durch völkische Siedler, durch Antisemiten, durch Verschwörungsideologien und durch digital-vernetzte Rechtsterroristen, viel zu spät erkannt.

All das zeigt: Die Sicherheitspolitik ist bei der Großen Koalition – den letzten drei Großen Koalitionen in 20 Jahren – nicht in guten Händen gewesen, und das ist extrem bedauerlich, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)

Und was machen Sie hier als GroKo auf der letzten Kurve dieser Legislatur? Sie entfristen mal einfach so. Herr Schuster, das ist der entscheidende Punkt: Ohne eine einzige unabhängige Evaluierung dessen, was diese Gesetze können und was sie nicht können, entfristen Sie diese Otto-Kataloge. Das ist viel Symbolik, viel Bauchpolitik, aber eben nicht die rationale, wissenschaftlich fundierte Innenpolitik, die wir in so ernsten Zeiten brauchen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)

Ich sage mal: Wer solche Sachen hier einfach durchzieht, der sollte in den letzten Jahren unter Beweis gestellt haben, dass er ernsthaft auch seriöse Sicherheitsgesetze hier durchs Haus bringt, die in Karlsruhe nicht aufgehoben werden.

(Stephan Thomae [FDP]: Genau!)

Wenn ich mir vor diesem Hintergrund angucke, was hier abends in einer halben Stunde einfach mal so aus dem Bauch heraus entfristet wird, dann muss ich sagen: Das passt nicht zusammen.

Herr Schuster, das sage ich Ihnen mit sozusagen aller Sympathie und Kollegialität: Auch ich möchte mich ganz herzlich bedanken für Ihre Beiträge in der Innenpolitik, aber auch im Parlamentarischen Kontrollgremium, wo Sie als Vorsitzender eine ganz wichtige Rolle in den letzten Jahren hatten und wir ganz entscheidende Reformen vorangebracht haben. Danke für Ihre Kollegialität und vor allen Dingen für Ihre Sportlichkeit in den Debatten! Ich habe das immer extrem geschätzt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Zu guter Letzt – ich komme zum Schluss –: Die FDP spricht es an: Das Bundesverfassungsgericht mahnt die Überwachungsgesamtrechnung an. Wir tun das auch. Mit solchen Initiativen wie hier heute Abend, diesem Federstrich, machen Sie alle anderen Sicherheitsgesetze schwieriger und problematischer, weil das Bundesverfassungsgericht alles auf den Tisch legen und gucken muss, wie es um unsere Freiheitsrechte insgesamt steht, –

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Herr von Notz.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

– und da ist das einfach kontraproduktiv.

Ganz herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Vielen Dank, Konstantin von Notz. – Nächster Redner: für die CDU/CSU-Fraktion Thorsten Frei.

(Beifall bei der CDU/CSU)