Rede von Renate Künast Tierarzneimittel

Renate Künast MdB
13.10.2022

Renate

Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Da sage ich ganz schnell: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nun zum Thema „Mythen und Märchen“. Herr Stier,

(Dieter Stier [CDU/CSU]: Geben Sie doch die Rede zu Protokoll!)

Sie sagten, es seien 100 Tonnen Antibiotika reduziert worden

(Dieter Stier [CDU/CSU]: Ja, das ist die Wahrheit!)

und das sei freiwillig durch die Bauern geschehen. Da wird schon etwas dran sein.

(Dieter Stier [CDU/CSU]: Und durch die Große Koalition und die schwarz-gelbe Koalition!)

Aber sonst beklagen Sie, dass es immer weniger tierhaltende Betriebe gebe und immer mehr Betriebe zumachten. Jetzt sagen Sie, die Reduktion von

Antibiotika hänge aber nicht damit zusammen, dass weniger Tiere gehalten würden, und Sie kritisieren das Ministerium. Das ist unlogisch, Herr Stier.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Zweiter Punkt. Sie sagen, ein Minister würde sich auf Erfolgen anderer ausruhen. Ich sage: Ja, in der Amtszeit von jemandem aus der Union – ich

glaube, es war Frau Klöckner –

(Dieter Stier [CDU/CSU]: Ich kann Ihnen den Namen verraten!)

hat es die 16. Novelle des AMG gegeben. Doch Sie wissen: Einem fröhlichen Ja folgt ein Aber. Die wesentlichen Änderungen dieser 16. Novelle wurden im

Vermittlungsausschuss auf Druck von Grünen gegen den erbitterten Widerstand von Franz-Josef Holzenkamp, früher CDU/CSU-Fraktion, erreicht, meine Damen und

Herren.

Ich bin mit Mythen und Märchen noch nicht fertig. An den Kollegen von der FDP: Die Debatte um Tierquälerei beginnt nicht bei der Frage, ob man

Medikamente, die für die Humanmedizin dringend gebraucht werden, den Tieren gibt oder ob es Alternativen gibt, sondern bei der Frage der nicht artgerechten

Haltung in vielen Ställen in dieser Republik.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir müssen den Einsatz von Antibiotika erfassen, ihn reduzieren und an dieser Stelle eine globale Gesundheitsarchitektur aufsetzen, die dem „One

Health“-Ansatz folgt, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Franziska Kersten [SPD])

Es kann doch nicht sein, dass wir mehr Antibiotika an gesunde Tiere vergeben als an kranke Menschen, dass wir die ganze Herde behandeln, weil ein Huhn

Erkältungssymptome hat. Dass das richtig ist, meinen Sie doch wohl nicht im Ernst. Stellen Sie sich das mal vor: Einer hier hat Erkältungssymptome, und auch

alle anderen im Bundestag kriegen ein Medikament.

(Karsten Hilse [AfD]: Alle anderen müssen in Quarantäne und sich eine Maske aufsetzen!)

Das würden Sie auch nicht wollen, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Die WHO sagt, es gebe Grund zur Sorge.

(Zurufe von der AfD)

– Ach, Sie Kreischbrüder wieder!

(Karsten Hilse [AfD]: Kreischen ist Ihre Tonlage!)

Ich sage Ihnen, was mir heute hier gefehlt hat: In Deutschland sterben 33 000 Menschen pro Jahr mit multiresistenten Erregern, global 1,2 Millionen

Menschen. Die WHO sagt, die Zahl werde sich bis 2050 verzehnfachen, meine Damen und Herren.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Frau Kollegin Künast, kommen Sie zum Schluss.

Renate

Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Wir müssen andere Bedingungen für die Tiere schaffen.

(Karsten Hilse [AfD]: Bitte kommen Sie zum Schluss, Frau Künast!)

Sie müssen den Tierrechten entsprechen. Aber es muss auch so sein, dass wir in der Humanmedizin für Menschen Antibiotika nutzen können, statt einfach

zuzusehen, wie sie sterben. Das ist die Wahrheit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Das waren Mythen und Märchen!)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Vielen Dank, Frau Kollegin Künast. – Mit einer Zeitüberschreitung von fast 50 Prozent haben Sie es trotzdem noch im Rahmen gehalten. Ich wollte

nicht eingreifen, weil mir bei Ihrer Bemerkung, was wohl passieren würde, wenn einer hier Schnupfen hätte und alle anderen Medikamente bekämen, sofort ein Name

eingefallen ist: Karl Lauterbach.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU)

Vielleicht sollten Sie das mit dem Bundesgesundheitsminister erörtern.

Nächster Redner ist der Kollege Artur Auernhammer, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)