Rede von Renate Künast Tierhaltungskennzeichnung

Renate Künast MdB
15.12.2022

Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es geht um die Zukunft der Tierhaltung.

(Max Straubinger [CDU/CSU]: Ja! Den Abbau der Tierhaltung! – Hermann Färber [CDU/CSU]: Korrekt!)

Wir haben jetzt viel an Kritik gehört;

(Zuruf von der CDU/CSU: Zu Recht!)

aber trotz alledem bin ich der festen Überzeugung, dass hier wirklich ein bzw. der Grundstein für den Umbau der Tierhaltung in Deutschland und auch in der Europäischen Union vorgelegt wurde, meine Damen und Herren.

Weil die vorgeschlagene Kennzeichnung an manchen Stellen zu anderen, schon existierenden Siegeln abgegrenzt wird: Es reicht eben nicht, ein freiwilliges Siegel zu haben und zu beten, dass möglichst viele mitmachen, meine Damen und Herren. Deshalb verstehe ich gar nicht, warum Sie das immer hochhalten und an den Kriterien festmachen. Die Frage ist nicht nur, welche Kriterien da sind, sondern auch, wie viel in der Realität am Ende umgebaut wird, welche Perspektiven die Bauern haben.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Susanne Mittag [SPD] – Max Straubinger [CDU/CSU]: Aber mit Ihrem Gesetz wird nichts umgebaut!)

Das ist der entscheidende Punkt. Und: Lesen hilft ja auch.

Als Allererstes will ich sagen: Der ganze Bereich der Tierhaltung steht sowieso vor einer Umwälzung. Wir müssen eines leisten, nämlich das Ganze jetzt irgendwie zu strukturieren. Es gibt zum einen immer mehr Menschen, die pflanzliche Alternativen essen. Das ist eine Konkurrenz, aber auch eine Chance für den Ackerbau.

(Beifall der Abg. Peggy Schierenbeck [SPD])

– Einige klatschen; genau. – Der Fleischkonsum in Deutschland sinkt deutlich. Wir produzieren vieles für den Export, meine Damen und Herren. Im Ausland wird mittlerweile aber auch selbst produziert. Wir kennen die Problemlagen an dieser Stelle: 40 Prozent aller geschlachteten Schweine weisen Organbefunde, also Krankheiten, bei der Schlachtung auf. Die Realität in der Fleischindustrie – auch bei uns – wird im wahrsten Sinne des Wortes geschönt.

Zum anderen sagen die Bauern – wir wissen, dass es einen Rückgang bei den Betrieben gibt, vornean bei den Schweinehaltern –: Wir wollen endlich verlässliche Linien haben, wohin wir uns ausrichten sollen. Wir wollen eine Perspektive. – Ich sage Ihnen: Dieser Gesetzentwurf, den Cem Özdemir hier vorgelegt hat, ist der Grundstein dafür, etwas Neues zu bauen, und zwar systematisch.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Carina Konrad [FDP])

Am Ende werden in Deutschland sowieso weniger Tiere gehalten; es wird wahrscheinlich auch weniger Exportorientierung geben. Aber was es auch geben muss, ist mehr Akzeptanz für Tierhaltung in Deutschland. Deshalb: Es muss sich etwas dahin gehend verändern, dass Tierhaltung in Deutschland vereinbar und im Einklang mit den Vorschriften des Grundgesetzes ist, mit dem Tierschutz, mit Klimaschutz, mit Artenvielfalt. Das alles wollen wir bauen. Ich finde, nach 16 Jahren ist es unsere verdammte Pflicht, statt immer nur zu diskutieren, jetzt tatsächlich ein System aufzulegen, das nicht nur einen Umbau möglich macht, sondern auch den Bäuerinnen und Bauern, den Tierhalterinnen und Tierhaltern, die schon jetzt Tiere anders halten als nach den gesetzlichen Mindeststandards, eine faire Präsentationsmöglichkeit am Markt gibt, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Max Straubinger [CDU/CSU] und Stephan Protschka [AfD]: Das ist bei ITW der Fall!)

– Ja, sehr gut. Ich sehe, hier sind die Fans von ITW. Ich weiß, dass Sie bei ITW schon längst Gutachten haben und in Brüssel das Ganze versuchen zu torpedieren. So was lieben wir ja, wenn man sozusagen andernorts die Bundesregierung torpedieren möchte. Tun Sie das ruhig!

(Dr. Oliver Vogt [CDU/CSU]: Das machen Sie schon selber! – Max Straubinger [CDU/CSU]: Das machen Sie selbst!)

Aber belegen Sie uns mal – auf die Zahlen warte ich noch –, wo ITW zu einem grundsätzlichen Umbau geführt hat, meine Damen und Herren!

(Max Straubinger [CDU/CSU]: Natürlich! – Dr. Oliver Vogt [CDU/CSU]: Dann müssen Sie mal genau hingucken, Frau Künast!)

– Nein, nicht „natürlich“. Wenn ich in den Laden gehe – ich weiß nicht, wo Sie hingehen –, dann finde ich Produkte aus oberen Haltungsstufen fast überhaupt nicht. Sie können mir viel erzählen!

(Nina Warken [CDU/CSU]: Wenn man schreit, wird es nicht besser, was man sagt!)

Ich sage Ihnen, wie wir den Umbau vornehmen.

(Max Straubinger [CDU/CSU]: Sie bauen gar nichts um! Sie bauen bloß ab!)

Es wird so sein, meine Damen und Herren – das hier ist der Grundstein –: Wir werden in den nächsten Monaten weitermachen mit der Ausweitung auf verarbeitete Produkte, mit der Ausweitung nicht nur auf den Handel, sondern auch auf die Gastronomie. Sie werden es im Restaurant und bei der Außer-Haus-Verpflegung sehen. Es werden weitere Arten dazukommen; denn – Sie kennen sich ja EU-rechtlich so gut aus – ein Gesetzentwurf muss in Brüssel erst mal notifiziert werden. Dann kommen die Rechtsverordnungen für den gesamten Lebenszyklus für andere Tierarten.

(Nina Warken [CDU/CSU]: Wir sind alle froh, dass Sie keine Ministerin mehr sind! Jeden Tag sind wir froh darüber!)

Dann kommt – da werden Sie es bestimmt unterstützen – die Novellierung des Tierschutzgesetzes. Da werden wir all die Ausnahmen, die Sie in 16 Jahren nicht gestrichen haben, endlich streichen.

(Dr. Oliver Vogt [CDU/CSU]: Das sind Ausnahmen, die aus Ihrer Zeit stammen!)

Wir werden eine Herkunftskennzeichnung einführen, sodass Sie von Anfang an erkennen: Wo gekennzeichnet ist, ist garantiert deutsches Fleisch drin.

Wir werden eine Ernährungsstrategie –

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

– ich komme zum Schluss – auflegen, die auf der Nachfrageseite dafür sorgt, dass etwas, was für die Hersteller und für die Kundinnen und Kunden transparent ist, am Ende auch gekauft wird.

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Letzter Satz, bitte, Frau Künast.

Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Mein letzter Satz, Frau Präsidentin. – Ich nehme mir noch mal heraus, etwas zu Herrn Stegemann zu sagen. Sie haben hier viel erzählt. Sie haben viel erzählt von einem Vorspiel,

(Bernd Schattner [AfD]: Das sind viele Sätze!)

davon, dass Sie angeblich die Vorarbeit an dieser Stelle geleistet hätten.

(Bernd Schattner [AfD]: Hallo? – Weitere Zurufe von der AfD)

Ich sage Ihnen mal: 16 Jahre Vorspiel sind nicht genug. Es muss auch mal zum Äußersten kommen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Anhaltende Zurufe)

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Die nächste Rednerin in der Debatte ist für die Unionsfraktion die Kollegin Christina Stumpp.

(Beifall bei der CDU/CSU)