Rede von Renate Künast Tierschutz: Ferkelkastration
Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin, dieses Gesetz ist verfassungswidrig.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Carina Konrad [FDP]: Das stimmt nicht!)
So einfach ist es. Seit 2002 steht in Artikel 20a des Grundgesetzes, dass der Tierschutz Staatsziel ist. Das ist ein formulierter Auftrag für alle staatlichen Organe und für alles staatliche Handeln. Tiere ohne Betäubung schmerzhaft zu behandeln, ist eine Straftat. Die Amputation, also auch die Kastration, ist eine Straftat. Meine Damen und Herren, eine Straftat! Nur dazu haben wir eine Ausnahmeregelung gemacht. Diesem ganzen Konstrukt werden Sie an keiner Stelle gerecht.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Sie hatten fünf Jahre Zeit, meine Damen und Herren, und haben nichts gemacht. Das muss man so sagen.
(Carina Konrad [FDP]: Sie haben auch nichts gemacht!)
Das waren die Vorgänger von Frau Klöckner,
(Zuruf von der CDU/CSU: Wer war denn der Vorgänger?)
Herr Schmidt – ich sehe ihn nicht; irgendwann wird er ja kommen müssen –, oder Frau Aigner. Dafür trägt Frau Klöckner keine Verantwortung, aber für alles, was jetzt passiert.
Zur Frage, was jetzt passieren muss, der kleine rechtliche Hinweis an Frau Konrad: Schmerzausschaltung, nicht Schmerzlinderung muss jetzt passieren. Sie müssen bei Ihren Vergleichen aufpassen.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Carina Konrad [FDP]: Das ist eine Frage des Einsatzes der Mittel und der Wirkungstiefe!)
2016 hat die Bundesregierung einen Bericht aufgelegt, in dem sie geschrieben hat: Es gibt Alternativen, die Alternativen sind wirtschaftlich, und die lokale Betäubung ist wenig effektiv. Dieser Bericht der Bundesregierung wurde zu keinem Zeitpunkt widerrufen. Das Friedrich-Loeffler-Institut, eines der führenden Institute für Tiergesundheit, ist immer noch dieser Meinung, meine Damen und Herren. Ich weiß gar nicht, warum dann dieser Gesetzentwurf. Jede und jeder wusste, was am 1. Januar 2019 passieren muss.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Carina Konrad [FDP]: Wie ist denn Ihre Lösung?)
Ihr Gesetzentwurf ist das Ergebnis von Lobbydruck, meine Damen und Herren, und Sie treten das Grundgesetz mit Füßen. Sie verlängern jetzt. Da gucken wir uns mal an, was passiert: Also, Sie wollen um zwei Jahre verlängern. Zeitgleich gibt es eine Presseerklärung der Ministerin, in der sie sagt, es gibt drei praxistaugliche Alternativen: die Ebermast, die Impfung, die chirurgische Kastration unter Betäubung. – Warum verlängern wir dann, meine Damen und Herren?
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Caren Lay [DIE LINKE])
Zu dieser Verlängerung gibt es jetzt aber eine neue Studie zum Thema „lokale Betäubung“; sie hat die Ministerin am Dienstag vorgestellt. Fragen wir im Ausschuss nach, wann denn das Ergebnis kommt, heißt es: im Sommer 2021. 2021 ist erkennbar nach 2019/2020, meine Damen und Herren. Ich vertraue Ihnen nicht, dass Sie nicht noch mal verlängern.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Dann würde dieses Gutachten aber ein Fall für den Bundesrechnungshof sein.
Sie sind, meine Damen und Herren, doch der parlamentarische Arm von Bauernverband und Schlachtindustrie. Sie fahren die deutsche Landwirtschaft tatsächlich in die Sackgasse.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Sie treten den Tierschutz hier mit Füßen, meine Damen und Herren. Warum? Die Eigentumsgarantie zieht hier nicht.
(Carina Konrad [FDP]: Wo ist denn Ihre Lösung?)
Die Berufsfreiheit zieht hier nicht, weil die Rechtsprechung sagt, dass künftige Erwerbsmöglichkeiten gar nicht geschützt sind. Und den Tierschutz, Artikel 20a GG, wägen Sie überhaupt nicht ab. Sie laden zu einem Treffen; da sitzt – bildhaft – der Handel, da sitzt die Schlachtindustrie und, und, und. Und wenn man genau schaut, wer fehlt, stellt man fest: die Tierschutzverbände. Da oben sitzen sie. Sie machen also etwas zum Thema Ferkelkastration ohne die Tierschutzverbände. Stattdessen sitzen dort, meine Damen und Herren, Vertreter der Großen Koalition aus dem Ausschuss. Die Opposition, meine Damen und Herren, wird nicht eingeladen. Das ist ein Fall für den Bundestagspräsidenten; es geht nämlich um die Rechte der Abgeordneten, meine Damen und Herren.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Vizepräsidentin Petra Pau:
Kollegin.
Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Letzter Satz. – Fazit, meine Damen und Herren: Bei Ihnen, bei Ihrem Gesetzentwurf ist es so, dass der Tierschutz vollständig hinter wirtschaftlichen Interessen zurücktreten muss. Sie treten die Staatszielbestimmung mit Füßen. Sie denken nur an die Profite der Schlachtindustrie und der Ferkelzüchter. Diese Koalition ist der Albtraum aller Tiere. Wir werden Ihrem Gesetzentwurf nicht zustimmen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Zuruf von der SPD: Was haben Sie denn als Ministerin gemacht?)