Rede von Markus Tressel Tourismus

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20.05.2021

Markus Tressel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gabi Hiller-Ohm, ich glaube, dass es diese Debatte auf jeden Fall wert ist, dass wir sie heute an dieser Stelle führen, und ich bin der FDP deswegen auch dankbar, dass sie diesen Antrag hier vorgelegt hat.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Gabriele Hiller-Ohm [SPD]: Ich auch!)

Tourismus, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist ein wichtiger Faktor in unseren Regionen. Tourismus schafft Arbeit in Städten, in ländlichen Räumen, und er schafft wirtschaftliche Entwicklung. Und was wir nicht vergessen dürfen: In vielen Regionen sichert er nicht nur Prosperität, sondern auch verkehrliche Erschließung, Handwerksbetriebe, daseinsvorsorgende Infrastruktur und vieles mehr. Das kann man gar nicht oft genug sagen. Trotzdem ist das gerade in der Vergangenheit ein politisches Thema gewesen, das vielfach unter dem Wahrnehmungsradar gelaufen ist. Deswegen ist es genau richtig, dass wir heute darüber diskutieren, wie wir die Folgen der Pandemie für diese wichtige Branche minimieren und wie wir gleichzeitig einen neuen Aufbruch für die Branche wagen können.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, so sehr ich mich darüber freue, dass wir heute darüber debattieren, so sehr müssen wir natürlich auch besorgt sein, dass wir nach 15 Monaten Pandemie an einigen Punkten immer noch wie am ersten Tag über grundlegende Fragen zur Erhaltung der Tourismuswirtschaft in diesem Land diskutieren müssen. Ja, die Bundesregierung hat viel gemacht: Kurzarbeitergeld, Überbrückungshilfen. Aber nach den allernotwendigsten lebenserhaltenden Maßnahmen muss es jetzt darum gehen, einen Plan zu entwickeln, wie der Patient wieder langfristig stabil wird, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Die nationale Tourismusstrategie, die dafür extrem wichtig wäre und die ja fast das einzig größere tourismuspolitische Projekt – wenn man das so nennen möchte – dieser Koalition in dieser Wahlperiode war, haben Sie nicht auf die Zielgerade bekommen, was Sie mit Corona und den Folgen der Pandemie begründen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition. Genau jetzt wäre es aber hilfreich, mit dieser Strategie eine Grundlage zu haben: Wie gehen wir vor? Wie entwickeln wir den Tourismusstandort Deutschland nach der Krise weiter? Wo müssen wir stützen? Wo müssen wir justieren? Und vor allem: Was können wir aus dem Koordinationswirrwarr dieser Krise für die Tourismuspolitik von Bund und Ländern lernen?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)

Entgegen dem, was du gesagt hast, liebe Kollegin Gabi Hiller-Ohm, sehen wir doch gerade wieder, dass jedes der Bundesländer einen anderen Ansatz für diesen Neustart verfolgt. Deswegen fehlt eine abgestimmte Strategie, und das wird in den entscheidenden nächsten Monaten mutmaßlich, zumindest in ernstzunehmender Tiefe, so bleiben. Das ist eine Fehlleistung dieser Regierungskoalition, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)

Eines muss uns doch klar sein: Trotz der finanziellen Hilfe zehrt diese Krise an den Grundlagen des Tourismusstandortes Deutschland. Viele sind in ihrer Existenz bedroht; Kerstin Kassner hat es gesagt. Wir dürfen uns nichts vormachen: Ohne konkreten Plan, ohne Perspektive werden wir Unternehmen, werden wir Leistungserbringer in den Regionen verlieren, und dieser Strukturverlust ist für viele Regionen schwer zu kompensieren. Deswegen muss die avisierte Hilfe jetzt gut fließen. Wir müssen auch über einen Wiederaufbaufonds gerade für kleine und mittlere Unternehmen der Tourismuswirtschaft nachdenken.

Die Kolleginnen und Kollegen haben es gesagt: Das Kompetenzwirrwarr, das sich in den vergangenen Monaten als riesiges Problem erwiesen hat, müssen wir angehen. Der Föderalismus hat sich gerade für die Tourismusindustrie, für die Tourismuswirtschaft in dieser Krise nicht von seiner besten Seite gezeigt. Kompetenzgerangel, Abstimmungsschwierigkeiten und teilweise auch Abstimmungsverweigerung kann man vielleicht in normalen Zeiten machen. Das kann man aber nicht in einer so tiefen Krise machen. Das untergräbt auch die Akzeptanz von Coronamaßnahmen bei den Reisenden und in der Branche, für die wir auch kämpfen, weil wir diese Pandemie endlich hinter uns lassen wollen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb brauchen wir mehr tourismuspolitische Koordination zwischen den Bundesländern und auch auf der europäischen Ebene. Es kann doch nicht sein, dass wir nach 15 schmerzhaften und auch lehrreichen Monaten immer noch nicht in der Lage sind, ein bundeseinheitliches Vorgehen für den Neustart zu definieren mit klaren Regeln, wann wo was mit welchem Konzept geht.

Die Kolleginnen und Kollegen haben es gesagt: Die Ferien stehen vor der Tür, nicht nur die Pfingstferien, sondern auch bald die Sommerferien. – Wenn Sie mit den Menschen sprechen, dann hören Sie da draußen viel Konfusion. Niemand blickt mehr durch, wo man hinfahren kann und welche Bedingungen man erfüllen muss, um ein paar Tage Urlaub in diesem Land zu machen. Da braucht es mehr Klarheit, und es braucht auch mehr Gemeinsamkeit im Interesse der Menschen und des Reiselandes Deutschland.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)

Voraussetzung für Öffnungen war aus unserer Sicht immer, dass wir die Kontrolle über die Pandemie zurückerlangen. Dabei sind wir jetzt endlich auf einem guten Weg. Deswegen braucht es da jetzt tatsächlich auch einen verlässlichen Plan, unter welchen Voraussetzungen was wie möglich sein wird. Im letzten Jahr wäre die Zeit gewesen, diesen Plan vorzubereiten und auf den Weg zu bringen. Dass wir und auch die Bundesregierung und die Landesregierungen es nicht getan haben, fällt uns jetzt leider auf die Füße.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Krise hat die Tourismuswirtschaft hart getroffen. Deswegen müssen wir die Chance für einen Neustart konsequent nutzen. Vielleicht haben wir jetzt quasi im Neustart auch die Möglichkeit, die Branche, die Regionen resilienter gegen derartige Krisen zu machen. Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Sicherheit und nicht zuletzt der Schutz von Unternehmen und Arbeitsplätzen im Tourismus müssen jetzt auf nationaler und auch auf europäischer Ebene auf die Agenda.

(Beifall der Abg. Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die EU plant eine Europäische Tourismusagenda 2050. Das ist ein Anfang. Aber wenn ich mir den langen Zeitraum ansehe, dann ist mir der, offen gestanden, zu lang. Die Förderpolitik wird eine entscheidende Rolle spielen. Wir müssen jetzt gemeinsam dafür sorgen, dass, wie angekündigt, EU-Mittel tatsächlich in die Neuaufstellung unserer Tourismusdestinationen fließen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir Strukturen erhalten und vor allem nicht eine ganze Generation von jungen, gut ausgebildeten Touristikern verlieren wollen, dann brauchen wir gerade jetzt kein Durcheinander, sondern ein koordiniertes Vorgehen. Wir müssen der Tourismuswirtschaft helfen, diese Krise zu überwinden, auch weil wir damit Existenzen sichern und Regionen attraktiv halten, und wir müssen dafür sorgen, dass wir Chancen nutzen, die sich jetzt aus dieser Krise ergeben.

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Vielen Dank, Markus Tressel. – Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Geht es Ihnen gut? – Dann ist es recht.

(Jan Korte [DIE LINKE]: Hört gleich auf! Das ist gleich vorbei!)

Nächster Redner: für die Bundesregierung der Parlamentarische Staatssekretär Thomas Bareiß.

(Beifall bei der CDU/CSU)