Rede von Cem Özdemir Treibhausgase

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20.05.2021

Cem Özdemir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer Bundesverkehrsminister Scheuer auf Twitter folgt, konnte gestern Zeuge eines Vorgangs werden, den es nicht alle Tage gibt.

(Stephan Brandner [AfD]: Wer Ihnen folgt, auch! Ich folge Ihnen auch auf Twitter! Was habe ich denn dort gelesen über Sie!)

Dort widerspricht Andreas Scheuer dem Vorstandsvorsitzenden des größten deutschen Automobilbauers, und er sagt, er halte seine Konzernstrategie, auf E‑Mobilität zu setzen, für falsch. Das zeigt, dass mittlerweile einige hier die Realität in der Wirtschaft längst nicht mehr verfolgen. Ich würde dem Verkehrsminister zum nächsten Geburtstag vielleicht ein Abo des „Handelsblatts“ schenken – ich glaube, das wäre ganz angemessen –, damit Sie einfach mal sehen, was draußen gerade in Wirklichkeit passiert.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Stephan Brandner [AfD]: Mit Zahlen kennen Sie sich ja aus, Herr Özdemir! – Dr. Lukas Köhler [FDP]: Wollen Sie sich jetzt lobbyieren lassen von einem Konzern? Die Grünen, die Lobbypartei!)

Das zeigt: Ihr bedingungsloses Festhalten am Verbrennungsmotor wird langsam absurd; Ihnen gehen die Verbündeten in der Automobilindustrie aus.

(Stephan Brandner [AfD]: Transparenz in finanziellen Angelegenheiten!)

Technologieoffenheit – damit richte ich mich auch an Sie, liebe Kollegen von der FDP – heißt ja nicht, dass man so tun kann, als würden alle Kraftstoffe in beliebiger Menge und auf demselben Entwicklungsstand gegenwärtig zur Verfügung stehen. Das ist doch die Grundlage.

(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! – Dr. Lukas Köhler [FDP]: Wer hat das denn gesagt?)

Genau das, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, haben wir übrigens in Baden-Württemberg in den Koalitionsvertrag mit der CDU richtigerweise reingeschrieben.

In Ihrem Gesetzentwurf vergessen Sie, dass die wichtigste Ressource für die Erzeugung von Wasserstoff und auch von synthetischen Kraftstoffen ebenfalls Strom ist, und zwar sehr viel Strom.

(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)

Ich will das jetzt wegen der Redezeit nicht allzu sehr vertiefen,

(Stephan Brandner [AfD]: Sie haben doch noch so viel Redezeit! Drei Minuten!)

aber wenn hier das flammende Plädoyer gehalten wird, dass der Strom nicht reichen würde für Elektromobilität,

(Dr. Lukas Köhler [FDP]: Deutschland ist doch keine Insel!)

dann muss man sich doch mal fragen: Wie rechnen Sie eigentlich?

(Stephan Brandner [AfD]: Rechnen können Sie ja besonders gut, habe ich gelesen!)

Für synthetische Kraftstoffe brauchen Sie die zigfache Menge.

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Cem Özdemir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Wir müssen, glaube ich, zum Ende kommen. – Der Wirkungsgrad synthetischer Kraftstoffe/E-Fuels beträgt 10 bis 15 Prozent, beim Wasserstoff in Brennstoffzellenautos sind es 26 Prozent, und beim Strom in E-Autos kommen wir auf 70 Prozent.

(Dr. Lukas Köhler [FDP]: Methanol: 52 Prozent!)

Ich bitte Sie! Wer rechnen kann, kommt zu dem Ergebnis, dass die Messe beim Pkw gelesen ist. Die Automobilindustrie hat sich richtig entschieden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Lukas Köhler [FDP]: Die Grünen, die Lobbypartei!)

Sie wissen es doch nicht besser als die Autobauer.

Auf meine Frage hat die Bundesregierung vorgerechnet, dass die gesamte Stromproduktion verdreifacht werden müsste, wollten wir den heutigen Verbrauch an Benzin, Diesel, Kerosin auf E-Fuels umstellen.

(Dr. Lukas Köhler [FDP]: In Deutschland!)

Also: Ja, wir brauchen Wasserstoff und E-Fuels, aber wir brauchen sie bitte schön da, wo sie nicht ersetzbar sind, beispielsweise in der Stahlproduktion, beispielsweise beim Fliegen. Deshalb müssen wir auch die Beimischungsquote für E-Kerosin von 2 Prozent bis 2030 eher auf 10 Prozent erhöhen.

(Dr. Lukas Köhler [FDP]: Dann brauchen Sie doch keine Dreifachanrechnung!)

Wer das aber in den Pkw lenkt, der muss ehrlich sagen, dass wir dann nicht genug haben für die Stahlproduktion oder das Fliegen. Ich will aber, dass auch in Zukunft geflogen wird. Aber das muss halt umweltfreundlich, klimafreundlich sein; sonst geht es nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zum Schluss muss ich den Kollegen der SPD doch noch mal sagen: Sie haben recht, Sie haben die Regelungen zum Palmöl verbessert. Aber es ist doch ein Skandal,

(Stephan Brandner [AfD]: Ein Skandal? Herr Özdemir weiß, was ein Skandal ist!)

dass wir wegen der Palmölbeimischung bis heute sozusagen immer noch Regenwald im Tank haben. Da hat es nichts verloren. Das muss sofort aufhören, wenn wir das Klima schützen wollen.

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

Vielen Dank. – Die weiteren Reden gehen zu Protokoll.

Ich schließe die Aussprache.