Foto von Kirsten Kappert-Gonther MdB
13.10.2022

Dr. Kirsten Kappert-Gonther (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als vor über zehn Jahren die UN-Behindertenrechtskonvention ratifiziert wurde, ist damit ein

Paradigmenwechsel eingeläutet worden. Es geht um nichts weniger als darum, eine inklusive Gesellschaft Wirklichkeit werden zu lassen. Bis heute aber gibt es

keinen Lebensbereich, der wirklich diskriminierungsfrei ist, leider auch nicht unser Gesundheitswesen. Auch wenn wir Ärztinnen und Ärzte, alle Profis im

Gesundheitssystem, unser Bestes geben und auch in dieser Pandemie dafür gesorgt haben, dass glücklicherweise eine solche Zuteilungsentscheidung nicht getroffen

werden musste, so gibt es doch, wenn wir uns ehrlich machen und einen Finger-Nase-Versuch machen, Diskriminierung im Gesundheitswesen. Sie passiert, und zwar

häufig unbewusst. Darum sind Betroffene, als die Ressourcen wegen der Coronanotlage knapp wurden, vor das Bundesverfassungsgericht gezogen, und sie haben Recht

bekommen: Menschen mit Behinderung dürfen bei der Zuteilung überlebensnotwendiger Ressourcen nicht benachteiligt werden. Das ist uns Auftrag.

Der vorliegende Gesetzentwurf muss also Wichtiges erfüllen, und er erfüllt zentrale wichtige Anforderungen. Für Menschen mit Behinderung muss

sichergestellt werden, dass sie im Fall einer Triage nicht etwa aufgrund von Diskriminierung keinen lebenssichernden Platz bekommen. Die Personen, die im

Gesundheitswesen arbeiten und Verantwortung tragen, brauchen Rechtssicherheit. Und der Gesetzentwurf muss dafür sorgen, dass das praktikabel und in

Ausnahmesituationen anwendbar ist. Das ist nicht trivial, und darum befassen wir uns natürlich auch in einer Anhörung damit, wobei verschiedene Blickwinkel von

Ärzteverbänden, von Menschen mit Behinderung zum Tragen kommen. Ein solches Gesetz muss darum befristet und evaluiert werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich begrüße sehr, dass der Bundesgesundheitsminister gerade noch einmal klargestellt hat, dass die Ex-post-Triage ausgeschlossen bleibt. Das ist

wichtig für das Vertrauensverhältnis zwischen Ärztinnen und Ärzten und Patientinnen und Patienten und für mehr Klarheit statt für mehr Unsicherheit. In den

vergangenen Jahren der Pandemie haben Vorsorge und der hohe Einsatz der Menschen im Gesundheitswesen – Ärztinnen und Ärzte, Pfleger/-innen, alle – dafür

gesorgt, dass eine solche Zuteilungsentscheidung nicht gefällt werden musste; das ist gut. Wahrscheinlich wird auch der vorliegende Gesetzentwurf nie zur

Anwendung kommen müssen – hoffentlich nicht. Doch er ist erheblich; denn auch künftige Entscheidungen werden sich potenziell an diesem Gesetz orientieren, Herr

Hüppe.

Das A und O ist: Es steht in unserer Verantwortung, alles dafür zu tun, dass es auch weiterhin nicht zu einer solchen Notsituation kommt. Wir müssen

sicherstellen, dass auch die Zugänge zum Versorgungssystem funktionieren, dass es keine sogenannte Vor-Triage gibt. Unser gemeinsames Ziel, ob Beschäftigte im

Gesundheitssystem oder Menschen mit Behinderung, muss ein inklusives Gesundheitswesen sein. Dahin ist noch ein Weg zu gehen. Ich finde, wir sollten den

gemeinsam gehen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Für die AfD-Fraktion hat das Wort Jörg Schneider.

(Beifall bei der AfD)