Foto von Jürgen Trittin MdB
16.11.2023

Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich mit einer Bemerkung beginnen: Lieber Gregor Gysi, es ist ja schon interessant, dass Sie sich jetzt ausgerechnet auf Gerhard Schröder berufen. Aber in einem Punkt muss ich Ihnen entschieden widersprechen. Die Friedensgespräche, die es am Anfang dieses Krieges gegeben hat, sind nicht in Washington beendet worden. Die sind in Butscha beendet worden.

(Zuruf von der AfD: In London!)

Sie sind dort beendet worden, wo Menschen massakriert, gefoltert, vergewaltigt worden sind. Das ist der wahre Grund, warum diese Friedensgespräche gescheitert sind. Und dafür gibt es nur einen Verantwortlichen, und das ist Wladimir Putin.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir erleben hier ja lange Diskussionen darüber, ob und wie wir unsere Unterstützung auch im Konsens zwischen den demokratischen Parteien an dieser Stelle auf die Reihe kriegen. Aber wenn man nach 21 Monaten Krieg ein Stück Bilanz zieht, dann muss man, wie ich finde, doch feststellen, dass manche, die sich in den Debatten in Europa gerne darin gefallen haben, Deutschland öffentlich zu kritisieren, bei Weitem nicht das geliefert haben, was sie versprochen haben.

(Zuruf des Abg. Stephan Brandner [AfD])

Man muss auch feststellen, dass dieses oft gescholtene Deutschland, was manchmal auch Schwierigkeiten mit der politischen Kommunikation, auch aus dem Kanzleramt heraus, hat,

(Zuruf von der AfD: Und aus dem Außenministerium!)

am Ende des Tages das Land ist, das der zweitgrößte Unterstützer für die Ukraine nach den USA geworden ist. Wenn es heute so ist, dass es Putin trotz Butscha, trotz einer auf die Vernichtung von Menschenleben, auch eigenen Menschenleben, gerichteten Kriegsführung nicht gelungen ist, die Ukraine zu überrennen, dann hat das etwas mit der Bereitschaft in diesem Lande zu tun, der Ukraine an der Seite zu stehen. Dafür muss man der Bevölkerung, allen, die daran beteiligt waren, an dieser Stelle auch einmal Danke sagen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wenn wir heute die Feststellung von Herrn Saluschny, dem Oberkommandierenden, sehen, dann, lieber Herr Moosdorf, ist das kein Grund zur Freude. Wenn er feststellt, dass wir uns in einem festgefahrenen Stellungskrieg zu bewegen drohen, dann ist das vielmehr ein Grund zur Sorge.

(Stephan Brandner [AfD]: Was war das denn für ein Satz: „in einem festgefahrenen Stellungskrieg“?)

Diese Sorge führt für mich erst einmal dazu, dass wir etwas anderes tun müssen, als zu triumphieren. Wir müssen die Ukraine so ausstatten, dass sie zumindest erst einmal über diesen Winter kommt. Das ist der Grund, warum die Bundesregierung beschlossen hat,

(Zuruf von der AfD)

den Menschen in der Ukraine in diesem Winter zusätzlich zu helfen. Und da geht es nicht nur um IRIS-T-Systeme. Die sind übrigens wichtig, um die Städte zu schützen, um die Bevölkerung, die Kindergärten und ähnliche Einrichtungen zu schützen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dazu gehört es eben auch, zusätzliche Generatoren zu liefern,

(Zuruf von der AfD)

damit, wenn es den Russen gelingt, die Infrastruktur zu zerstören, Wasser und Wärme weiterhin zur Verfügung stehen. So nehmen wir als diese Koalition, als diese Regierung und als dieses Land unsere Verantwortung wahr.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zurufe von der AfD)

Ich füge ein Letztes hinzu: Mir macht es Sorge, wenn in dem Land, das noch mehr Unterstützung liefert als wir, wir heute eine Situation haben, dass man sich zwar über einen Haushalt einigen kann, aber zwei wesentliche Dinge ausgeklammert werden,

(Matthias Moosdorf [AfD]: Genau!)

nämlich die Hilfe für die Ukraine und die Hilfe für Israel. Übrigens ist diese Ausklammerung in dieser Dualität interessant. Was heißt das für uns? Das heißt, dass wir als Europäer bereit sein müssen, nicht nur länger,

(Lachen bei Abgeordneten der AfD)

sondern auch mehr zu leisten,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

weil es in unserem originären europäischen, in unserem originären deutschen Interesse ist – darauf hat Robin Wagener hingewiesen –, dass die Ukraine nicht überrannt wird.

(Matthias Moosdorf [AfD]: Das ist Afghanistan! Niemand braucht das!)

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Und dieser Verantwortung werden wir uns stellen. Deswegen werden wir die militärische Hilfe für die Ukraine im nächsten Haushalt verdoppeln. Sie werden ihn ablehnen. Ich weiß: Die meisten tun es schlechten Gewissens.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:

Der nächste Redner ist Dr. Marcus Faber für die FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)