Rede von Jamila Schäfer Ukraine
Jamila Schäfer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In dem Antrag fordert die AfD: Wir sollen die Ukraine nur unterstützen, wenn sie sich für Frieden einsetzt. Und der Antrag warnt vor einem „hingezogenen Abnutzungskampf“ der Ukraine – ja, der Ukraine! – gegen Russland. Der Antrag dreht es also einfach um: Für die AfD ist die Ukraine der Aggressor, der sich gegen den Frieden stemmt.
(Widerspruch bei Abgeordneten der AfD)
Das ist schlicht und ergreifend grotesk. Die Forderungen zeigen: Die russische Führung hat diese Partei in der Tasche. Anders ist dieser Realitätsverlust nicht zu erklären.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Überraschend kommt diese Haltung natürlich nicht. Schon 2017 haben „Spiegel“, BBC und ZDF berichtet, dass in einem russischen Regierungsdokument der AfD-Abgeordnete Markus Frohnmaier als ein – Zitat – „unter absoluter Kontrolle stehender Abgeordneter“ eingestuft wurde. Und auch nach dem 24. Februar 2022 zeigt sich die AfD verlässlich kremltreu. Vorgestern hat – das wurde eben schon angesprochen – einer ihrer Abgeordneten zur besten Sendezeit im russischen Staatsfernsehen gesagt, Russland stelle in keiner Art und Weise eine Bedrohung für die Welt dar. Kein kritisches Wort zum russischen Angriffskrieg. Viele Redebeiträge der AfD in den letzten Wochen und Monaten strotzten auch nach Beginn des Angriffskriegs nur so vor Anbiederung an den Kreml. Und sie relativieren die vielen Verbrechen des Putin-Regimes und seiner Verbündeten in Syrien und auch im Iran. Das sind keine Einzelfälle, das ist Parteilinie. Ich schäme mich dafür, dass dieses gefährliche Gedankengut hier in diesem Hohen Haus regelmäßig eine Bühne bekommt.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Ich bin allerdings froh, dass alle demokratischen Parteien in diesem Haus Russland als Aggressor einstufen und Putin regelmäßig dazu auffordern, seinen Angriffskrieg sofort zu beenden und die Waffen schweigen zu lassen. Dann könnte die Ukraine nämlich aufhören, um ihre Existenz zu kämpfen. Dann würden nicht jeden Tag Dutzende ukrainische und russische Soldaten an der Front in einem sinnlosen Krieg sterben. Es ist doch ganz einfach: Wenn die Ukraine aufhört, sich zu verteidigen, ist die Ukraine weg. Wenn Russland aufhört zu kämpfen, dann ist der Krieg vorbei.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Die Bundesregierung und wahrscheinlich die allermeisten von uns hier in diesem Haus wünschen sich nichts sehnlicher, als dass Putin sich endlich an den Verhandlungstisch setzt. Bisher – das müssen wir zur Kenntnis nehmen – ist er dazu nicht bereit, weil er denkt, dass er mit der Methode „Gewalt“ seine imperialistischen Interessen voranbringen kann. Es ist gut, dass die Menschen in der Ukraine ihn eines Besseren belehren. Der ukrainische Präsident bekräftigt immer wieder seinen Willen nach einem Ende des Krieges. Die ukrainischen Menschen – ich habe selbst mit vielen von ihnen gesprochen – sehnen nichts sehnlicher herbei als Frieden und das Überleben ihres Landes. Sie wollen diesen sinnlosen Krieg nicht. Aber zu Verhandlungen gehören eben immer zwei Seiten.
Putin hat gerade erst das Ziel bekräftigt, die Ukraine zu unterwerfen. Dafür stellte er im Dezember erst seinen Generälen in Aussicht, dass es für den Krieg keine finanziellen Beschränkungen mehr geben dürfe, dass er die Wirtschaft voll auf diesen Krieg einstellen würde und dass er Hunderttausende weitere Soldaten an die Front schicken würde – und damit viele junge Menschen aus Russland in den Tod.
(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, jeden Tag!)
Er hat seiner Armee einen Blankoscheck ausgestellt und Attacken auf zivile Ziele ausgeweitet. Genau deshalb müssen wir die Ukraine bei ihrem Existenzkampf gegen diese Aggression unterstützen.
Durch die internationale Hilfe bei der Selbstverteidigung können wir die Ukraine in die Lage versetzen, Putin an den Verhandlungstisch zu zwingen. Wir werden die Ukraine nicht alleinlassen, solange sie angegriffen wird. Solange Putin diesen Krieg nicht stoppt, werden wir die Ukraine weiterhin substanziell, finanziell, humanitär und auch militärisch unterstützen. Denn die Bedingungen für Frieden dürfen nicht von einem Aggressor diktiert werden.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Zum Schluss komme ich noch zu der historischen Verantwortung Deutschlands. Natürlich haben wir eine historische Verantwortung. Das nationalsozialistische Deutschland hat beispiellose Verbrechen über Europa und auch über Russland gebracht. Das ist übrigens etwas, was die Mitglieder Ihrer Partei regelmäßig relativieren.
(Dr. Ralf Stegner [SPD]: So ist es!)
Wir dürfen dabei aber nicht vergessen: Einer der Hauptkriegsschauplätze lag in der Ukraine. 8 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer, darunter mehr als 1,5 Millionen Jüdinnen und Juden, verloren da ihr Leben. Und ehrlich gesagt, Herr Moosdorf, finde ich es schon interessant, dass Sie bei der Aufzählung der Schurken auch George Soros miteinbezogen haben; das knüpft an eine antisemitische Verschwörungsideologie an, die Ihnen jegliche Glaubwürdigkeit auch bei der Verantwortung gegenüber Jüdinnen und Juden nimmt.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und der FDP – Abg. Stefan Keuter [AfD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)
Deutschland – ich komme zum Schluss – hat eine historische Verantwortung dafür, dass Imperialismus, Verfolgung, Mord und Vertreibung nicht ohne Gegenwehr bleiben und dass der Versuch der Vernichtung eines Landes in Europa keinen Erfolg hat.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der FDP und der SPD)
Vizepräsidentin Yvonne Magwas:
Wir waren am Ende der Redezeit, darum habe ich die Frage jetzt nicht mehr zugelassen. – Für die FDP-Fraktion hat das Wort die Kollegin Anikó Glogowski-Merten.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)