Rede von Katharina Beck Umsatzeinbußen durch 2-G-Regel in Gastronomie und Einzelhandel

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16.12.2021

Katharina Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen hier im Bundestag! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Lieber Herr Willsch, ich bin aus Hamburg, dem Tor zur Welt, und natürlich spielt der Tourismus bei uns in dieser Ampelkoalition eine Riesenrolle. Darauf können Sie sich verlassen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der AfD, ich finde das, was Sie tun, einfach unredlich. Sie nutzen die tatsächliche Notlage von Millionen von Menschen in Gastronomie, Kultur und Einzelhandel, um hieraus politisches Kapital zu schlagen, um Ihren verqueren Totalitätsanspruch individueller Freiheit voranzutreiben, wo ein „Ich will aber meine Maske nicht tragen“ wichtiger ist als der Schutz des Lebens anderer Menschen.

Wissen Sie, ich wünsche mir auch wieder ein Leben ohne Corona, ja, gerne auch eines ohne Maske, ein Leben mit unbeschwertem Restaurantbesuch, mit einem Bummel in der Innenstadt. Aber wir haben nun mal Corona, und mit Omikron ist die nächste Steigerung schlimmerweise schon in Sicht.

Ihr Eintreten für das Nichtimpfen und das „Ich will aber keine Maske“ führt doch erst dazu, dass wir in der vierten und bald in der fünften Welle stecken und eben zu Maßnahmen wie Masken gezwungen sind, die – darauf können Sie sich verlassen – aufzuhaben hier wirklich niemand auch nur das kleinste bisschen Lust hat.

(Frank Rinck [AfD]: Nein, nein, nicht die Masken!)

Aber das zugrundeliegende Problem heißt nicht 2 G und die anderen Schutzmaßnahmen. Das zugrundeliegende Problem ist der noch immer viel zu große Anteil an Nichtgeimpften und dessen Effekt auf die Belegung der Intensivbetten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Liebe AfD, eine Idee habe ich Ihnen mitgebracht. Wenn Ihnen die Menschen in der Gastro und im Einzelhandel wirklich am Herzen liegen, dann schreiben Sie doch Ihren Mitgliedern mal eine E-Mail, und fordern Sie sie zum Impfen auf. Das wäre effektiv.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Jetzt möchte ich endlich zu dem kommen, worum es eigentlich gehen sollte, nämlich um die Menschen, die hinter den Zahlen stecken, die Millionen von Kleinunternehmern, die Soloselbstständigen, die Ladenbesitzerinnen und Ladenbesitzer, die Jobberinnen und Jobber in Gastro, Einzelhandel und Kultur. Viele von ihnen können einfach nicht mehr.

(Enrico Komning [AfD]: Ja, warum wohl? Weil ihr ihnen den Laden dichtmacht!)

Das Bild des neuen Geschäftsklimaindex für Soloselbstständige und Kleinunternehmen des ifo-Instituts ist dramatisch. Über 25 Prozent stehen vor dem Aus ihrer Existenz, fast doppelt so viele wie in der Gesamtwirtschaft, gar nicht zu sprechen von den psychischen Belastungen, einmal durch die finanzielle Lage, aber eben auch, wenn man seiner beruflichen Leidenschaft – und das prägt gerade Kleinunternehmerinnen und ‑unternehmer und Branchen wie Gastro und Kultur enorm – nicht mehr nachgehen kann.

Somit finde ich es exorbitant gut, dass wir schon im Koalitionsvertrag gemeinsam vereinbaren konnten, dass wir die Rückzahlmodalitäten der – – Entschuldigung, jetzt ist meine Seite hier leider falsch. Ich finde es gleich.

Jetzt möchte ich, liebe Kolleginnen und Kollegen, hier erst noch einmal das Vertrauen dieser Menschen in uns, in die Politik, adressieren. Ein ganz akutes Problem sind nämlich die Rückforderungen der ersten Coronahilfen vom Frühjahr 2020. Diese Soforthilfen als Liquiditätshilfen waren damals nicht das richtige Mittel. Zuständigkeitsgerangel, nicht funktionierende IT, sich dauernd ändernde AGBs kamen hinzu.

(Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Weil das BMF sich quergestellt hat! – Gegenruf des Abg. Timon Gremmels [SPD]: Schwätzer!)

Seit ein paar Monaten flattern Rückzahlungsforderungen bezüglich dieser ersten Coronasoforthilfen in die Briefkästen vieler Soloselbstständiger und Kleinunternehmerinnen und Kleinunternehmer, zur Unzeit, gerade jetzt in der vierten Welle.

(Zuruf von der AfD: Und das mit Zinsen!)

Für uns hier in diesem Haus ist aber noch wichtiger: Da geht es auch um unsere Kommunikation und Glaubwürdigkeit. Lieber Herr Scholz, Sie haben damals im März 2020 richtigerweise den Menschen Mut gemacht, haben die Bazooka angekündigt. Aber leider wurde damals von Ihnen und Herrn Altmaier eben auch angekündigt, dass es sich um Zuschüsse handeln werde, die nicht zurückgezahlt werden müssten. Das steht so wörtlich darin. Anfang April 2020 hatten knapp 1,8 Millionen Menschen in Deutschland diese Hilfen beantragt. In der detaillierten Umsetzung wurde es dann aber leider vor Ort oft anders gehandhabt. Diese Rückforderungen mögen dadurch in vielen Fällen juristisch korrekt sein. Kommunikativ ist das aber schlimm; denn so kann leider Vertrauen kaputtgehen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Doch ich finde es exorbitant gut, dass wir schon im Koalitionsvertrag gemeinsam neue Wege miteinander gehen und sagen: Wir werden die Rückzahlmodalitäten der Coronasoforthilfen prüfen. – Das ist genau die Politik des lernenden Staates, die ich mir wünsche.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Viele Betroffene nehmen das auch wahr, aber wir müssen nun auch Taten folgen lassen, und das dringendst.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist der Grund, warum ich hier heute unbedingt sprechen wollte: Ich möchte Sie alle für zwei konkrete Ideen bezüglich der Coronarückzahlungsforderungen gewinnen. Erstens. Lassen Sie uns ein Rückzahlungsmoratorium in Verbindung mit einer Taskforce beschließen, die diesmal ihren Namen auch verdient, die aus juristischer, unternehmerischer und politischer Perspektive die Regelungen und Zuständigkeiten aufdröselt und Lösungen erarbeitet. Zweitens. Lassen Sie uns dabei bitte Kulanzregeln bis zu einer gewissen Höhe ernsthaft in Betracht ziehen. – Frau Präsidentin, ich sehe die Lampe. – Wenn wir die Gesamtkosten für die Rückzahlungsforderungen und Folgekosten abwägen, dann bekommen wir für einen überschaubaren Betrag in einer Zeit existenzieller Unsicherheit die Hoffnung für ein gesellschaftliches Wir, das auch die Einzelnen stützt. – Ich hoffe, ich konnte Sie dafür gewinnen,

(Zuruf von der AfD: Leider nicht!)

und freue mich auf die weitere Zusammenarbeit.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Vielen Dank. – Meine Kulanz erstreckt sich ausschließlich auf die erste Rede in diesem Haus. Deswegen trifft das jetzt auch im positiven Sinn die Kollegin Kristine Lütke, die gleich für die FDP-Fraktion ihre erste Rede hier halten wird.

(Beifall bei der FDP)