Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz

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12.01.2022

Steffi Lemke, Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz:

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die neue Bundesregierung hat ihre Arbeit aufgenommen, ein halbes Jahr nachdem das Bundesverfassungsgericht ein wegweisendes Urteil gefällt hatte. Darin hatte es der damaligen Regierungskoalition bescheinigt, dass sie die Lasten unserer heutigen Lebens- und Produktionsweise auf jüngere und kommende Generationen verschiebt und dass damit die existenziellen Freiheitsrechte dieser Generationen verletzt werden. Die neue Bundesregierung ist angetreten, das zu ändern. Sie tritt an als Fortschrittsbündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Für das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz beginnt damit ein neues Kapitel. Fünf Kernaufgaben will ich hier beschreiben, die dieses Kapitel prägen werden.

Erstens. Das Artenaussterben ist die zweite große ökologische Krise neben der Klimakrise. Sie muss und sie wird jetzt stärker ins Zentrum der Politik rücken; denn es geht um unsere Lebensgrundlagen: um Wasser, Luft zum Atmen, Lebensmittel. Wer beim Naturschutz alleine an Zauneidechsen und Laubfrösche denkt, hat das Problem immer noch nicht begriffen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Bis zu 1 Million Arten – bis zu 1 Million Arten! – sind innerhalb der nächsten Jahrzehnte vom Aussterben bedroht, sagt uns die Wissenschaft. Diese Arten werden fehlen, und zwar in allererster Linie uns. Fruchtbare Äcker gibt es nicht ohne biologische Vielfalt, Sauerstoff nicht ohne das intakte Ökosystem Meer. Pflanzen brauchen Bestäuber, Hochwasserschutz braucht Auen, Klimaschutz braucht Moore und alte Wälder, und zwar hier und weltweit. Es geht deshalb jetzt darum, nach Jahrzehnten der Naturzerstörung ein Zeitalter der Renaturierung einzuläuten. Es geht darum, den Moorschutz zu stärken, die biologische Vielfalt, den Wasserhaushalt.

Meeresschutz ist Klimaschutz. Die neue Bundesregierung wird eine Offensive für den Meeresschutz starten, global durch neue Schutzzonen, hierzulande durch ein besseres Management der Schutzgebiete und eine verbindliche Meeresstrategie.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Wir brauchen eine Agrarwende, die den Verbraucherschutz, Natur- und Tierschutz und die Wirtschaftsgrundlage für Landwirtinnen und Landwirte neu verbindet, die Pestizide und Nitrateinträge in die Ökosysteme reduziert – am besten, was den Eintrag in Naturschutzgebiete anbetrifft, sehr schnell gegen null.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Zweitens. In diesem neuen Kapitel wird der Verbraucherschutz zur zweiten wichtigen Säule neben dem Umweltschutz. Beide verstärken sich gegenseitig, beide verbessern den Alltag der Bürgerinnen und Bürger. Wenn ein Fernseher oder eine Waschmaschine entsorgt werden muss, nur weil ein Einzelteil kaputt, aber nicht austauschbar ist, kostet das Verbraucher sinnlos Geld und verschwendet Rohstoffe, ebenso wenn ein Handy nicht mehr richtig genutzt werden kann, nur weil kein vernünftiges Update mehr zur Verfügung steht. Die Bundesregierung plant ein Recht auf Reparatur, und sie wird Anreize dafür schaffen, langlebige Produkte herzustellen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Hersteller von IT-Geräten will ich verpflichten, Updates und Ersatzteile zur Verfügung zu stellen, mindestens für die übliche Nutzungsdauer eines Produkts.

Drittens: Kreislaufwirtschaft. Die enge Verknüpfung von Umwelt- und Verbraucherschutz zeigt sich auch bei der dritten Kernaufgabe, dem Ressourcenschutz durch Kreislaufwirtschaft. Plastiktüten und Einwegteller aus Plastik werden bald Geschichte sein. Das ist ein guter, aber nur ein erster Schritt. Das Problembewusstsein wächst, aber gleichzeitig wachsen noch immer die Plastikberge.

Deshalb geht es in Deutschland darum, einerseits Plastikmüll zu reduzieren und andererseits den Rest in hoher Qualität zu recyceln. Erst dann entsteht ein Kreislauf. Ich werde auf europäischer Ebene für höhere Recyclingquoten, für einen verbindlichen Anteil von Rezyklat in Verpackungen und für einheitliche Standards für recyceltes Plastik eintreten und dies vorantreiben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

International müssen wir endlich zu einem wirksamen Abkommen zur Reduktion von Plastikmüll kommen, bevor in den Weltmeeren noch mehr davon schwimmt.

Und: Niemand braucht Mikroplastik in Gesichts- oder Zahncremes – eigentlich eine alte Diskussion, die längst hätte erledigt sein können. Ich will, dass wir europaweit Mikroplastik in Kosmetika und Waschmitteln endlich ausschließen – wenn es nicht anders geht, durch ein Verbot.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Viertens: Atomausstieg. Die vierte Kernaufgabe des Ministeriums wird der Abschluss des Atomausstiegs sein.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Jakob Blankenburg [SPD])

Die Entscheidung zum Ausstieg wurde und wird von einer übergroßen Mehrheit in unserem Land getragen. Die Argumente sind zahlreich: vom Uranbergbau über die Risiken im Betrieb bis zu ungeklärten Haftungsfragen. Die Atomkraft ist eine Hochrisikotechnologie. Sie wird nicht ausreichend versichert, sie ist extrem teuer, und sie kommt nicht ohne staatliche Garantien aus. Daran ändern auch die Märchen und Mythen über neue Reaktoren nichts.

Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU: Was Ihre Außenpolitiker eben gerade zur Taxonomie erzählt haben, war mehr als scheinheilig. Es ist Bundeskanzlerin Merkel gewesen, die diese Debatte so lange hat laufen lassen. Deutschland wird seine Position jetzt natürlich klarmachen. Wenn der EU-Binnenmarktkommissar ankündigt, dass 550 Milliarden Euro für die Atomkraft in Europa bei gleichzeitig sinkendem Anteil an der Stromerzeugung notwendig sein werden, dann muss Deutschland diese Diskussion offensiv führen, damit öffentliche Gelder nicht in diese Technologie fließen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Wir werden das tun und trotzdem das deutsch-französische Verhältnis pflegen und die französische EU-Ratspräsidentschaft unterstützen.

Die fünfte Kernaufgabe: Klimaschutz. Im neuen Kapitel der Umweltpolitik ist diese Aufgabe endlich da angekommen, wo sie hingehört: Überall – in der Wirtschaft, im Verkehr, im Bauressort, in der Landwirtschaft – wird Klimaschutz in Zukunft verortet sein. Natürlich bleibt auch das Umweltministerium Klimaschutzministerium. Das BMUV verantwortet den natürlichen Klimaschutz. Mit einem Aktionsprogramm werde ich naturnahe Wälder und Moore stärken; kanalisierte Flüsse und Bäche und ihre Auen sollen renaturiert werden – Ökosysteme, die Kohlenstoff speichern und gleichzeitig vor dem nächsten Hochwasser schützen.

Die letzten Jahre haben gezeigt, mit welcher Wucht die Klimakrise auch in Deutschland zuschlägt. Wir werden deshalb gemeinsam mit Ländern und Kommunen bessere Vorsorge gegen Klimaschäden treffen, sei es durch Starkregenmanagement, Schutz vor Dürre und Hitze, Renaturierung, mehr Grün in Städten und auf Dächern, eine vorausschauende Stadt- und Regionalplanung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Deshalb werde ich die Förderprogramme des Bundesumweltministeriums verstärken, um die kommunalen Anpassungsstrategien zu unterstützen. Ich werde ein Programm auf den Weg bringen, um unter anderem die Wasserversorgung und unsere Gewässer besser auf die Folgen der Klimakrise vorzubereiten. Und wir werden ein Klimaanpassungsgesetz vorlegen und eine Anpassungsstrategie erarbeiten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, acht Minuten sind knapp; es passt nicht alles in diese Rede.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Der war gut: „Acht Minuten sind knapp“! – Gegenruf der Abg. Amira Mohamed Ali [DIE LINKE]: Weil wir so viel weniger Redezeit haben als Sie!)

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Lassen Sie bitte die Ministerin zum Ende kommen.

Steffi Lemke, Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz:

Dann haben Sie offensichtlich beim Rest nicht zugehört, Herr Kollege. Aber das tut mir dann für Sie und Ihre Fraktion leid, vielleicht auch für den Natur- und Klimaschutz.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Humorlos wie immer!)

– Ja, ja. – Wir werden mit einer aktiven Umwelt- und Verbraucherpolitik für mehr Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit sorgen. Alle Kolleginnen und Kollegen aus den Fraktionen, die diese Ziele teilen, lade ich als Ministerin gerne zur Zusammenarbeit und Mitarbeit ein. Darauf freue ich mich.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)