Rede von Marcel Emmerich Unterbringung von Geflüchteten

Marcel Emmerich MdB
15.03.2024

Marcel Emmerich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Man wundert sich schon, wo die Union in den letzten Wochen und Monaten war; denn diese Koalition hat mit einem ganzen Bündel an Maßnahmen auf die Migrationslage reagiert.

(Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Aha!)

Die Beschlüsse der MPK sind fast vollständig umgesetzt. Deutschland hat GEAS zugestimmt und das Rückführungsverbesserungsgesetz beschlossen. Es gibt mehr Geld.

(Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Der große Wurf!)

Die Binnengrenzkontrollen werden aufrechterhalten und ausgeweitet, das Personal bei BAMF und in den Jobcentern wird aufgestockt.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Super Idee der Grünen!)

Die Arbeitsmöglichkeiten für Asylsuchende werden erweitert, es werden mehr Länder als sichere Herkunftsstaaten ausgewiesen und Leistungen gekürzt.

Die Zustimmung zu diesem Maßnahmenkatalog – ich sage das so offen, weil das kein Geheimnis ist –, fällt meiner Fraktion, meiner Partei in Teilen sehr schwer und stellt eine Zumutung dar. Aber er ist das Ergebnis eines politischen Kompromisses, und den tragen wir auch in Verantwortung für unser Land mit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Den tragen Sie mit, weil er nichts bringt!)

Das aber, was die Union hier mit diesem Antrag macht, ist schon ein starkes Stück und hat überhaupt nichts mit Verantwortung zu tun. Sie ignorieren den Kompromiss der MPK vollkommen

(Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: War der abschließend? – Gegenruf der Abg. Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihr habt doch allem zugestimmt bei der MPK!)

und tun in Ihrem Antrag so, als wäre überhaupt gar nichts umgesetzt.

„Wir haben sehr viel auf den Weg gebracht“,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

sagt Boris Rhein. Und weiter: „Ich hätte mir nicht träumen lassen, dass wir so viel hinbekommen.“ Auch Boris Rhein, CDU-Ministerpräsident, letzte Woche beim Bund-Länder-Treffen.

(Helge Limburg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha! Aha! – Sebastian Hartmann [SPD]: Ach!)

Aber für die Union des Friedrich Merz ist das nach acht Tagen keinen Pfifferling mehr wert. Das zeigt doch schon die ganze Absurdität dieser Debatte.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Dr. Ann-Veruschka Jurisch [FDP] – Sebastian Hartmann [SPD]: Er ist ja auch gegangen!)

Sie sollten mal eine gesunde Form der Anerkennung an den Tag legen; da würde Ihnen kein Zacken aus der Krone fallen. Sie könnten es Ministerpräsident Rhein gleichtun und Ruhe reinbringen, mit Ruhe und Weitblick schauen, was die Maßnahmen bewirken. Stattdessen kommen Sie mit immer weiteren Forderungen um die Ecke.

(Alexander Throm [CDU/CSU]: Die waren vorher schon da!)

Und wem nützt das alles? Sie denken vielleicht: „Super Wahlkampfthema für den Juni!“; aber die rechts von Ihnen können ihr Glück kaum fassen, was für ein Wahlkampfgeschenk Sie denen bescheren.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Luiza Licina-Bode [SPD] und Dr. Ann-Veruschka Jurisch [FDP] – Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Sorry, das ist Ihre Politik! – Alexander Throm [CDU/CSU]: Das sind doch Sie! Entschuldigung!)

Wir müssen weg vom Populismus und von Scheinlösungen und weiter sachlich fundiert an diesen Fragen arbeiten. Es geht auch darum, wie wir den Menschen, die hier sind, eine Perspektive bieten. Es gibt unzählige Beispiele dazu, wie uns diese aufgeheizte Debatte schadet, auch wirtschaftlich.

In den letzten Tagen kam beim MDR ein Bericht über Ahmad: syrischer Flüchtling aus Erfurt, spricht Deutsch, arbeitet seit einem Jahr in einer Elektroinstallationsfirma. Die Firma suchte händeringend nach Personal. Und plötzlich entzieht ihm die Ausländerbehörde die Arbeitserlaubnis, weil seine – ich zitiere – „immer bessere Integration einer späteren Abschiebung im Weg stehen könnte“.

(Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ergebnis: Er bekommt jetzt Sozialhilfe, statt Steuern zu zahlen, und die Firma hat niemanden, der den Job machen wird.

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ach so!)

Gleichzeitig diskutieren wir hier in diesem Land über einen Arbeitszwang für Geflüchtete. Die Leute wollen arbeiten, aber sie dürfen nicht. Da wird doch der Hund in der Pfanne verrückt!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Dr. Ann-Veruschka Jurisch [FDP] – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Das ist doch einfach eine Falschinformation! Und das wissen Sie auch ganz genau! – Alexander Throm [CDU/CSU]: Das stimmt überhaupt nicht! 600 000 Anerkannte leben im Bürgergeld! – Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Sie nehmen einen Einzelfall raus! – Zuruf des Abg. Albrecht Glaser [AfD])

Wir brauchen Zuwanderung, um unsere wirtschaftliche Zukunftsfähigkeit zu erhalten – hektische und ungeduldige Schnellschüsse helfen da überhaupt nicht weiter –, und deswegen müssen wir gerade auch bei der Abschaffung der Arbeitsverbote weiterkommen. Die Koalition hat da auch schon was auf den Weg gebracht. Aber es muss vollkommen klar sein, dass wir alle Arbeitsverbote abschaffen müssen.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Sie finden doch gar kein Arbeitsverbot mehr! Was ist denn das für ein Unsinn!)

Das ist unser Ziel und daran werden wir weiterarbeiten.

(Beifall des Abg. Leon Eckert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das sind die Punkte, bei denen man einfach mal feststellen muss, dass es zu einer Migrationspolitik im 21. Jahrhundert

(Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Eine Politik der offenen Tür betreiben Sie, Herr Emmerich!)

bei der Lage Deutschlands auch dazugehört, anzuerkennen, dass wir 400 000 Beschäftigte zu wenig haben. Wir brauchen 400 000 Menschen mehr in diesem Land, um den Laden am Laufen halten zu können.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Also keine 32-Stunden-Woche, oder? – Alexander Throm [CDU/CSU]: Haben Sie mal die offenen Stellen angeguckt bei Ihrer Wirtschaftspolitik? Quatsch!)

Das könnten Sie auch mal anerkennen, statt sich hier immer nur populistisch zu gebaren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Thorsten Frei [CDU/CSU]: So ein Unsinn!)

Präsidentin Bärbel Bas:

Als Nächste hat das Wort für die FDP-Fraktion Dr. Ann-Veruschka Jurisch.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)