Rede von Bruno Hönel Untersuchungsausschuss Cum-Ex-Geschäfte

Bruno Hönel MdB
20.04.2023

Bruno Hönel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich möchte zu Beginn noch einmal unmissverständlich klarstellen, dass es natürlich zuallererst das parlamentarische Recht der Union ist, einen Untersuchungsausschuss zu beantragen; da gibt es überhaupt keinen Zweifel. Und selbstredend, Herr Hauer, teilen wir als grüne Bundestagsfraktion auch das grundsätzliche Anliegen, Cum-ex lückenlos aufzuklären.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Michael Schrodi [SPD] und Maximilian Mordhorst [FDP])

Frau Beck hat darauf hingewiesen: Das zeigt sich schon dadurch, dass wir 2016 auf den 1. Untersuchungsausschuss zu Cum-ex gedrängt haben.

Gleichzeitig muss man allerdings festhalten, dass wesentliche Fragen zum Versagen von Kontrollinstanzen, zu politischer Untätigkeit, aber auch zum Einfluss der Bankenlobby auf die Gesetzgebung im 1. Untersuchungsausschuss offengeblieben sind, und das ist in Teilen bis heute so.

(Matthias Hauer [CDU/CSU]: Was macht man dann? Aufklären!)

Deswegen finde ich es auch grundsätzlich richtig und geboten, dass wir uns mit diesem brisanten Thema weiterhin auseinandersetzen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Matthias Hauer [CDU/CSU])

Auch wenn das hier im Plenum sicherlich alle wissen, möchte ich – gerade für die Bürger/-innen, die sich für dieses nicht ganz leichte Thema interessieren – noch einmal ganz kurz zusammenfassen, worüber wir hier eigentlich sprechen. Illegale Cum-ex-Geschäfte sind Aktientransaktionen, die kurz vor oder nach dem Tag der Dividendenausschüttung getätigt werden. Was die Betrüger/-innen gemacht haben, war, die Aktien hin und her zu schieben, bis es dem Finanzamt nicht mehr klar war, wer als Inhaber der Wertpapiere eigentlich Anspruch auf die Erstattung der Kapitalertragsteuer hatte. In der Folge haben die Finanzbehörden dann die Kapitalertragsteuer auf Dividenden mehrfach zurückerstattet, die der Staat allerdings nur einmalig eingenommen hatte.

Allein in Deutschland geht es da um einen Schaden von mindestens 10 Milliarden Euro. Diese Milliarden wurden dem Fiskus und damit natürlich auch den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern durch die Finanztricks verschiedener Akteure rechtswidrig geraubt. So klar muss man das hier auch benennen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Allen Bürgerinnen und Bürgern, die in Deutschland arbeiten und ihre Steuern zahlen, ist klar, dass etwas nicht stimmen kann, wenn man vom Finanzamt Steuern zurückerstattet bekommt, die man nie gezahlt hat. Und mir braucht niemand erzählen, dass auch nur einer der beteiligten Akteure

(Stephan Brandner [AfD]: Akteur/-innen! Hallo!)

das nicht wusste.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP und des Abg. Christian Görke [DIE LINKE])

Sie haben bewusst und zielgerichtet das Finanzamt betrogen und so Milliarden auf dem Rücken der Allgemeinheit eingeheimst. Gerade deswegen, wegen des volkswirtschaftlichen Schadens für die Allgemeinheit, geht es hier auch um eine Frage der Gerechtigkeit. Von daher sind sachbezogene Aufklärung und vor allem auch die Schließung weiterer bestehender gesetzlicher Lücken im Bereich der Finanzkriminalität unsere Pflicht gegenüber den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern und gerade auch im Sinne der Gerechtigkeit.

Allerdings, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, hat Ihr Antrag leider wenig mit konstruktiver und sachorientierter Aufklärung zu tun.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD und des Abg. Maximilian Mordhorst [FDP])

Maßgeblich stellen Sie nämlich – das wurde hier mehrfach angesprochen – genau die gleichen Fragen, die im Hamburger Untersuchungsausschuss bereits behandelt wurden. Gleichzeitig vergessen Sie beispielsweise das gesamte Thema Cum-cum, obwohl es auch hier sehr berechtigten Anlass zur Aufklärung gäbe bei einem volkswirtschaftlichen Schaden von schätzungsweise 30 Milliarden Euro, der damit dreimal so hoch ist wie bei Cum-ex.

(Beifall der Abg. Katharina Beck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich sage Ihnen auch: Überraschend ist diese Lücke in Ihrem Antrag nicht; denn Sie haben bereits in Ihrer Regierungszeit dieses Thema konsequent ignoriert. Sie haben keinerlei Ambition gezeigt, derartige Steuergestaltungen durch scharfe Gesetze zu unterbinden.

(Zuruf von der SPD: Hört! Hört!)

Der Finanzminister war Wolfgang Schäuble von der CDU. Das gehört auch zur Wahrheit dazu, liebe Kolleginnen und Kolleginnen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Da muss ich Ihnen ganz klar sagen: Einen Untersuchungsausschuss als Sammelbecken von Schuldzuweisungen und Vermutungen zu instrumentalisieren, führt jeden berechtigten Aufklärungsgedanken ad absurdum

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

und wird dem Schaden dieser illegalen Steuergestaltungen eben gerade nicht gerecht, liebe Kollegen von der Union.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Torsten Herbst [FDP])

Jetzt einmal einen Blick nach vorn: Es gibt noch immer gesetzliche Lücken, die wir dringend schließen müssen. Ich denke da beispielsweise an die Unterbindung von missbräuchlichen Dividendenarbitragegeschäften. Das ist ein ganz konkreter Punkt aus dem Koalitionsvertrag, der jetzt in das Steuerfairnessgesetz reinmuss – wir beraten das bald –,

(Beifall der Abg. Katharina Beck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

damit wir endlich vor die Welle kommen, genau das erreichen, was uns bei Cum-cum und Cum-ex nicht gelungen ist. Hier steht der Finanzminister jetzt in der Pflicht, ganz konkrete Vorschläge für das Steuerfairnessgesetz zu unterbreiten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Abschließend, liebe Kolleginnen und Kollegen, möchte ich noch einmal betonen: Wir Grüne wollen sachgerechte Aufklärung. Wir beteiligen uns aber nicht an einer parteipolitischen Wahlkampfschlacht zwischen Ihnen von der Union und den Kolleginnen und Kollegen von der SPD; das machen wir nicht. Wir werden weiterhin dafür kämpfen, die Finanzkriminalität in Deutschland einzudämmen – im Sinne unseres gemeinsamen Anliegens einer transparenten und gerechten Steuerpolitik ohne Schlupflöcher für Großbanken und Großkonzerne. Ja, dazu braucht es auch weitere Aufklärung, und an der werden wir uns als grüne Bundestagsfraktion intensiv und konstruktiv beteiligen, lieber Herr Hauer.

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Zuruf des Abg. Matthias Hauer [CDU/CSU])

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Patrick Schnieder für die CDU/CSU-Fraktion ist der nächste Redner.

(Beifall bei der CDU/CSU)