Rede von Helge Limburg Untersuchungsausschuss Personal in Bundesministerien

Helge Limburg MdB
15.06.2023

Helge Limburg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der uns vorliegende Antrag der AfD trieft – wie übrigens auch die Rede gerade eben – vor Heuchelei und Doppelzüngigkeit.

(Stephan Brandner [AfD]: Sie meinen die SPD-Rede, oder?)

Mehrfach geben Sie in dem Antrag vor, sich um das Ansehen der Demokratie in Deutschland zu sorgen und genau deshalb diese Forderung zu stellen. Tatsächlich sind Sie es doch, die auf jeder politischen Ebene – Kommunal-, Landes- und Bundesebene – alles unternehmen, um das Vertrauen in die Demokratie, in den Staat und seine Institutionen zu untergraben.

(Stephan Brandner [AfD]: Wir decken auf, Herr Limburg!)

Sie verbreiten Falschinformationen über Corona, über Geflüchtete, über die EU und über Vertreter der demokratischen Parteien. Der frühere Bundesinnenminister Horst Seehofer hat Ihre Partei einst „staatszersetzend“ genannt; ich finde, Herr Seehofer hat recht.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Stephan Brandner [AfD]: Damit hat er vor dem Bundesverfassungsgericht verloren! Er wurde als Verfassungsbrecher verurteilt vom Bundesverfassungsgericht!)

– Sogar da unterliegen Sie einem Irrtum: Nicht die Aussage,

(Stephan Brandner [AfD]: Doch, die Aussage!)

Sie seien staatzersetzend, ist gerügt worden, sondern die Form, diese Aussage auf die Homepage des Innenministeriums zu stellen – das stimmt –,

(Stephan Brandner [AfD]: Das war eine Riesenklatsche, sogar von diesem Bundesverfassungsgericht!)

aber die Aussage an sich, Herr Brandner, die müssen Sie sich nach wie vor gefallen lassen, auch hier an dieser Stelle.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Ihr Versuch, sich mit diesem Antrag als Retter der Demokratie aufzuspielen,

(Jörn König [AfD]: Sind wir doch!)

lässt sich leicht entlarven.

Meine Damen und Herren von der AfD, Ihr Antrag scheint im Übrigen zumindest teilweise von offenkundig falschen Voraussetzungen auszugehen: Sie scheinen der Vermutung anzuhängen, dass politisch-inhaltliche Nähe bei der Besetzung von Staatssekretärspositionen oder auch Positionen von persönlichen Referenten oder Ähnlichem keine Rolle spielen darf.

(Stephan Brandner [AfD]: Es geht um Trauzeugen, um Schwager, um Brüder!)

Tatsächlich gilt für die Gruppe der Beamtinnen und Beamten hier ein Regel-Ausnahme-Verhältnis. Ich empfehle Ihnen insofern dringend die Lektüre von § 54 Bundesbeamtengesetz, § 30 Beamtenstatusgesetz und § 4 der Bundeslaufbahnverordnung.

(Stephan Brandner [AfD]: Da stehen keine Trauzeugen drin und keine Schwager!)

Im Regelfall ist es natürlich so, dass bei der Besetzung von Beamtenpositionen politisch-inhaltliche Nähe keine Rolle spielen darf. Bei einigen wenigen Positionen – und hier kommen wir zu den von mir erwähnten Ausnahmen –, vor allem der Position als Staatssekretär,

(Stephan Brandner [AfD]: Und bei der dena? Und bei der Autobahn GmbH?)

muss aber eine jederzeitige Übereinstimmung mit den politischen Zielen der Ministeriumsspitze gegeben sein. Anders ausgedrückt: Für herausragende Leitungspositionen ist es geradezu zentral, dass eine politische Nähe zur Ministeriumsspitze besteht.

(Jörn König [AfD]: Wenn das in Ordnung ist, warum ist dann Herr Graichen gegangen?)

Der Hintergrund ist auch leicht nachvollziehbar: Eine Regierung wird gewählt, um ein bestimmtes Programm umzusetzen. Dass sie dafür in der höchsten Leitungsebene mit Personen arbeitet, die nicht nur fachlich geeignet sind, sondern diese Ziele auch noch inhaltlich teilen, ist sinnvoll und einleuchtend.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Stephan Brandner [AfD]: Bei der SPD hat übrigens kein Einziger geklatscht!)

Für das Gros der Beamten – das hat Frau Ludwig gerade noch einmal gesagt – gilt natürlich weiterhin, dass die politische Einstellung bei Besetzungsentscheidungen keine Rolle spielen darf, sofern die Beamten, das ist natürlich klar, ihrer Verfassungstreuepflicht nachkommen – ein Thema, mit dem Sie sich ja auch immer wieder beschäftigen müssen, Herr Brandner.

(Stephan Brandner [AfD]: Ist doch wichtig, Verfassungstreue! Wir kämpfen jeden Tag dafür!)

Sie sehen also: Im Regelfall erfolgt keine Besetzung nach politisch-inhaltlicher Nähe. Diesen Regelfall kreiden Sie aber auch gar nicht an, Sie beziehen sich ja lediglich auf einen Staatssekretär und damit auf eine Position, bei der die Nähe bereits angesetzt ist. Insofern gibt es bei der Besetzung von Staatssekretärsposten mit Parteifreunden keinen Skandal, sondern das ist eine Notwendigkeit.

(Zuruf des Abg. Stephan Brandner [AfD])

– Gern geschehen, Herr Brandner: eine kleine Nachhilfe in Sachen Staatsorganisationsrecht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Stephan Brandner [AfD]: Es ist eine Notwendigkeit, Parteifreunde auf Staatssekretärsposten zu setzen?)

– Herr Brandner, Ihr fleißiges Zwischenrufen soll auch belohnt werden. Ich kann Ihnen nämlich verraten: Ähnliches gilt für die Besetzung der Stellen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Abgeordnetenbüros. Wenn zum Beispiel die AfD ihre Mitarbeiter hauptsächlich bei AfD-Parteimitgliedern oder im AfD-Umfeld sucht, dann ist das tatsächlich rechtlich zulässig,

(Stephan Brandner [AfD]: Sie können sich ja bewerben, Herr Limburg!)

abgesehen davon, dass Sie in anderen Bereichen wahrscheinlich auch keine Mitarbeiter bekommen würden; aber das ist jetzt ein anderes Thema.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Sie dürfen Wahrsager einstellen. Sie dürfen Vorbestrafte einstellen. Sie dürfen Rechtsextreme und Nazis einstellen. Das finde ich zwar nicht wirklich legitim – weil es in der Tat dem Ansehen des Deutschen Bundestages schadet –, aber es ist weitgehend legal.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Meine Damen und Herren, Patrick Graichen hat zwei Fehler begangen, für die die maximal mögliche Sanktion, nämlich der Verlust des Amtes, folgte. Patrick Graichen ist zu diesem Schritt gemeinsam mit Robert Habeck gekommen, weil ihm an sachlicher Arbeit gelegen ist; weil er den wichtigen Prozess der Transformation unserer Industriegesellschaft hin zu einer klimaneutralen Industriegesellschaft nicht mit Debatten um seine Person belasten wollte.

(Zuruf des Abg. Norbert Kleinwächter [AfD])

Ihr durchsichtiger Versuch, daraus eine größere Staatsaffäre zu konstruieren, ist typisches Gebaren einer Partei, die ihre eigene Inhaltsleere immer wieder – wir sehen es heute auch – mit hassgetränktem Krawall zu überspielen versucht. Das wird Ihnen nicht gelingen. Die Menschen sind klüger, als Sie denken; sie spüren, dass Sie ihnen nichts zu bieten haben, schon gar nicht moralische Integrität.

(Beifall des Abg. Frank Bsirske [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ganz nebenbei bemerkt – auch das ist gerade schon angesprochen worden –: Auch formal genügt Ihr Antrag überhaupt nicht den Anforderungen.

(Stephan Brandner [AfD]: Bla, bla, bla!)

Es mangelt ihm völlig an Bestimmtheit des Untersuchungsauftrages. Sie legen sich nicht auf ein bestimmtes Ministerium fest, nicht auf einen bestimmten Zeitraum. – Was Sie hier als „bla, bla, bla“ definieren, Herr Brandner, sind die verfassungsrechtlichen Grundlagen der Arbeit dieses Parlaments und eines Untersuchungsausschusses.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD und des Abg. Philipp Hartewig [FDP])

Es ist bezeichnend, wie Sie hier mit Zwischenrufen belegen, was die Grundlage unserer parlamentarischen Arbeit sein muss.

(Stephan Brandner [AfD]: Welcher Punkt ist denn jetzt nicht Ordnung?)

Sie wollen einfach schauen, wen Sie noch mit Schmutz bewerfen können, nach dem Motto: Irgendwas wird schon hängen bleiben.

(Stephan Brandner [AfD]: Der Schmutz kommt von Ihnen! – Weiterer Zuruf von der AfD: Kommt immer von euch!)

Es wird Sie wenig überraschen, dass meine Fraktion und – ich habe es so vernommen – auch alle anderen demokratischen Fraktionen hier keine Zustimmung in Aussicht stellen können. Ihr Antrag, Herr Brandner, wird, fürchte ich, das notwendige Quorum nicht erreichen.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Philipp Hartewig [FDP] – Stephan Brandner [AfD]: Wir stimmen heute ja gar nicht ab!)

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:

Zwischendurch auch mal zuhören, kann auch guttun. Zum Beispiel bei Pascal Meiser für Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)