Rede von Tabea Rößner Verbraucherverträge

24.06.2021

Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vollmundig hatte das Justizministerium das Faire-Verbraucherverträge-Gesetz zu einem der fünf wichtigsten Vorhaben dieser Legislatur erklärt. Bis zur letzten Sitzungswoche haben Sie sich Zeit gelassen, und das Ergebnis ist ernüchternd: Fair ist kaum etwas! Und selbst Ihr eigener Sachverständiger sprach angesichts der homöopathischen Änderungen davon, dass der Titel „grob irreführend“ sei. Das muss man sich auf der Zunge mal zergehen lassen!

Die Idee, verkürzte Vertragslaufzeiten von maximal einem Jahr vorzusehen, hat die Koalition blockiert. Statt Abzocke am Telefon den Garaus zu machen, gilt das Textformerfordernis nur für Energielieferverträge. Und die einzige wirkliche Neuerung haben wir Grünen erarbeitet: den elektronischen Kündigungsbutton.

Sonst zeigen Sie leider keinen Lernfortschritt. Wenn Ihre Regelung nur für Energielieferverträge gilt, dann werden zukünftig Versicherungs- oder Handyanbieter ihre Verträge aufdrängen. Das hatte schon 2013 die Evaluation Ihrer letzten Branchenlösung zutage gebracht. Statt branchenübergreifend für alle am Telefon angebahnte Verträge eine Bestätigung vorzusehen, verlagern Sie das Problem. Offensichtlich fehlte Ihnen der Mumm, sich gegen die Branchen durchzusetzen.

Was den Verbraucherschutz vorangebracht hätte, wäre eine auf ein Jahr begrenzte Vertragslaufzeit unter Ausschluss von Preisänderungen. Stattdessen müssen sich die Verbraucher/‑innen auch in Zukunft mit unflexiblen und undurchsichtigen Langzeitverträgen herumschlagen. Dabei beweisen andere Länder, dass kurze Vertragslaufzeiten den Wettbewerb ankurbeln und die Preise senken.

Immerhin hat die Koalition in letzter Minute noch der automatischen Vertragsverlängerung enge Grenzen gesetzt. Da haben Sie mal auf die Expertinnen und Experten in der Anhörung gehört. Aber warum Sie, Kollege Fechner, Ihrer Verbraucherpolitik die Schulnote „Zwei plus“ geben, ist mir schleierhaft. Zu meiner Schulzeit hätte es mangels Eigenleistung und defizitärer Lösungsvorschläge allenfalls eine Drei bis Vier gegeben.

Dieses Gesetz ist symptomatisch für die Verbraucherpolitik der Bundesregierung: ambitionslos, halbherzig; nur das Nötigste; einknicken vor dem Wirtschaftsministerium und der Wirtschaftslobby. – Das begann schon mit der Musterfeststellungsklage: Erst schlossen Sie unliebsame Verbände aus und führten dann ein viel zu kompliziertes Verfahren ein, sodass Verbraucher/‑innen im Zweifel zur Durchsetzung ihres Schadenersatzes ein zweites Mal klagen müssen.

Bei der Umsetzung der Warenkaufrichtlinie hätten Sie mit längeren Gewährleistungszeiten einen Pflock für nachhaltigen Konsum einschlagen können – Fehlanzeige! Auch in anderen Bereichen sind Sie – zum Schaden der Verbraucher/‑innen – eingeknickt: Das Gesetz zur einheitlichen BaFin-Aufsicht über Finanzanlagenvermittler ist in der Ablage P gelandet, das Tierwohllabel auch. Das Faire-Verbraucherverträge-Gesetz sollte Ihr Aushängeschild werden. Daraus ist allerhöchstens ein Abziehbild geworden.

Verbraucherinnen und Verbraucher verdienen wirksamen Schutz und starke Rechte. Dieses Ziel haben Sie in dieser Legislatur deutlich verfehlt.