Dr. Sebastian Schäfer
23.11.2022

Dr. Sebastian Schäfer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Frau Wehrbeauftragte! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir wissen nicht, wann die schreckliche russische Aggression in der Ukraine endet. In den letzten Wochen und Tagen zeigte sich nach dem Vorrücken der ukrainischen Armee wieder, welche Kriegsverbrechen die russische Armee begangen hat, mit welchem Terror Russland die Ukraine überzieht. Bei einem kurzen Besuch in Lwiw mit Kolleginnen und Kollegen aus dem Haushaltsausschuss habe ich selbst einen kurzen Eindruck vom Leben in der Ukraine bekommen. In den wenigen Stunden, in denen wir die Stadt besucht haben, wurde viermal Luftalarm ausgelöst. Ein geplantes Gespräch in einer Berufsschule wurde kurzfristig in einen Luftschutzkeller verlegt. Ich habe die Dunkelheit in der Stadt gesehen. Putins Terror sorgt dafür, dass die Menschen ständig bedroht sind, dass Elektrizität und Heizung aufgrund der Raketenschläge auf die Infrastruktur ausfallen. Und doch kann ich nicht ermessen, wie unermesslich das Leid ist, das die Menschen in der Ukraine erfahren.

Wir müssen weiterhin alles dafür tun, dass die Ukraine ihre Freiheit und Selbstbestimmung verteidigen kann.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)

Daher ist es wichtig, dass wir im Haushaltsverfahren die Mittel für die Ertüchtigungsinitiative wieder deutlich auf 2,2 Milliarden Euro angehoben haben. Damit finanzieren wir ganz wesentlich die Ausrüstung für die Ukraine. Der Verteidigungshaushalt, lieber Kollege Gädechens, ist eben mehr als der Einzelplan 14. In dieser Notsituation müssen wir jede Möglichkeit nutzen und auch Gerät der Bundeswehr abgeben, um zu helfen. Die entstehenden Lücken können und werden wir schließen. Die Ukraine steht vor einem harten Winter und benötigt dringend weitere Unterstützung.

Gerade für die wichtigen Waffensysteme, die wir geliefert haben, wie die Panzerhaubitze 2000 müssen wir die Ersatzteilversorgung sicherstellen, zur Not auch durch Rückgriff auf die Bestände der Bundeswehr. Dann muss so schnell wie möglich wieder aufgefüllt werden – dazu hat der Haushaltsausschuss eine Maßgabe beschlossen –, das gilt insbesondere für die Munition.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Die Munitionsversorgung ist aber nicht nur ein Thema im Zusammenhang mit der Unterstützung der Ukraine. Auch für unsere Verteidigungsfähigkeit müssen wir da deutlich zulegen. Entsprechend haben wir im parlamentarischen Verfahren – Kollege Schwarz hat es angesprochen – mehr als 1 Milliarde Euro zusätzliche Mittel bereitgestellt. Aber das kann nur ein Anfang sein. Diesen Kurs werden wir konsequent fortsetzen, und wir müssen auch mit der Industrie sprechen, wie wir die Kontinuität bei der Munitionsversorgung sicherstellen können.

Wir haben bei der Verabschiedung des Sondervermögens beschlossen, dass im – ich darf zitieren – „mehrjährigen Durchschnitt von maximal fünf Jahren 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf Basis der aktuellen Regierungsprognose für Verteidigungsausgaben nach NATO-Kriterien bereitgestellt“ werden sollen. Auch wenn Sie von der Union nun wiederholt kritisieren, dass die Ampel das Ziel mit diesem Haushalt nicht erreicht, bleibt diese Kritik falsch.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Unser Ziel ist und bleibt es, die Bundeswehr angemessen auszurüsten.

(Martin Reichardt [AfD]: Sie wollen die Bundeswehr doch auflösen!)

Auch mit dem Blick auf die notwendige schnelle Lieferung von Material dürfen wir uns nicht wieder in die Entwicklung von vielen verschiedenen Rüstungsprojekten verzetteln, die erst einmal erforscht und erprobt werden müssen, sondern müssen endlich den Mut haben, marktverfügbare Rüstungsgüter zu erwerben – auch mit dem Blick auf die Zeitachse, dass wir innerhalb von fünf Jahren das Sondervermögen effektiv genutzt haben wollen.

Bisher hatte ich gedacht, dass auch die Union dieses Ziel teilt. Umso überraschter war ich von Aussagen von Friedrich Merz in der „Welt am Sonntag“ vorvergangene Woche. Herr Merz will offenbar keine marktverfügbaren Kampfflugzeuge zur Tornado-Nachfolge in den USA kaufen, die sogenannte fünfte Generation, die in vielen NATO-Staaten in den kommenden Jahren genutzt wird. Er setze auf FCAS, ein Luftkampfsystem der sechsten Generation. Das könne beschleunigt werden, sagt er. Nun, bisher war der Einsatz dieses Systems ab frühestens 2040 geplant, und das ist schon sportlich. Die Tornados sind ein Auslaufmodell, und wir müssen vertragstreu sein und die nukleare Teilhabe sichern.

(Martin Reichardt [AfD]: Ich denke, Sie sind gegen Kernwaffen!)

Vielleicht erklären die geschätzten Kollegen aus der Unionsfraktion ihrem Fraktionsvorsitzenden einmal, dass wir dringend marktverfügbare Flugzeuge anschaffen müssen und dafür nicht auf ein so umfassendes Entwicklungsprojekt wie FCAS warten können.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Wir müssen jetzt schnell beschaffen, was bei der Bundeswehr so dringend benötigt wird.

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Für die Fraktion Die Linke hat das Wort Dr. Gesine Lötzsch.

(Beifall bei der LINKEN)