Sara Nanni
23.11.2022

Sara Nanni (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Wehrbeauftragte! Meine Damen und Herren! Am 3. Juni 2022 hat dieses Haus mit großer Mehrheit das Sondervermögen für die Bundeswehr beschlossen. Unter dem Eindruck des russischen Angriffs gegen die Ukraine hat man sich auch in der Bundesrepublik die Frage gestellt, ob wir für eine dauerhaft konfrontative Beziehung zu Russland militärisch gut genug aufgestellt sind. Diese Frage wurde mit Nein beantwortet. Ich sage es noch einmal deutlicher: Ein Angriff Russlands gegen die NATO – Gott bewahre uns davor – würde auch die Bundeswehr schnell an die Grenzen bringen, rein materiell.

Das Sondervermögen für die Bundeswehr – ein historisch einmaliger Vorgang – soll das beheben. Es ist ein Vertrauensvorschuss für das BMVg, die Bundeswehr, die Rüstungsindustrie und auch für uns als Parlament. Die Bevölkerung vertraut darauf, dass das Sondervermögen so rasch wie möglich zu einer Verbesserung der Verteidigungsfähigkeit der Bundesrepublik führt. Im Großen und Ganzen, sage ich, zu Recht. Gemeinsam werden wir den Erwartungen gerecht, so gut es geht. Der Kanzler hat es heute Morgen angesprochen: Zaubern kann im BMVg niemand, und Zeitenwende ist kein Sprint.

Aber bei einer Sache wundere ich mich doch sehr.

(Hannes Gnauck [AfD]: Das glaube ich!)

Ich meine nicht die Tatsache, dass die Vorhabenplanung noch einmal neugemacht werden musste, weil bei einer Inflation von 10 Prozent der Bundesrechnungshof zu Recht anmerkte, dass die ursprünglich veranschlagten Projekte über das Sondervermögen nicht zu 100 Prozent zu finanzieren sind. Da muss ich die Kritik der Opposition teilweise zurückweisen: Es ist kein Planungsfehler. Wahr ist, dass die Inflation auch vor diesem Bereich nicht haltmacht. Im Rahmen des Möglichen hat das Haus hier, wie ich finde, sachgerecht priorisiert und uns als Parlament auch umfassend informiert. Dafür vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Die Debatte darüber – das wurde schon mehrfach angesprochen –, wie das Fähigkeitsprofil der Bundeswehr trotz der nötigen Verschiebung vollständig erreicht werden kann, müssen wir zu gegebener Zeit noch einmal führen.

Klar ist auch: Geld allein wird die Fähigkeitslücken der Bundeswehr nicht schließen. Wir müssen es auch effizienter ausgeben, zum Beispiel durch gemeinsame Beschaffung mit anderen europäischen Ländern, und bei den Beschaffungen selbst priorisieren.

Doch was brauchen wir, damit wir sofort die Kampfkraft für den Ernstfall verbessern? Schon im Frühjahr war klar, dass wir auch stark in Munition investieren müssen. Der Generalinspekteur Zorn sprach davon, dass bis 2031 rund 20 Milliarden Euro dafür zu veranschlagen wären. Mit den Abgaben an die Ukraine, die ich ausdrücklich befürworte, ist diese Herausforderung noch einmal gewachsen. Das war im ursprünglichen Haushaltsentwurf, der dem Parlament vorgelegt wurde, nicht sichtbar. Der Haushaltsausschuss hat deshalb dafür gesorgt, dass das BMVg in den nächsten Jahren eine ganze Milliarde mehr für die Beschaffung von Munition zur Verfügung hat.

Doch die Defizite bei der Munition – der Kollege sprach es gerade schon an – sind nicht von gestern auf heute entstanden, sondern waren auch der Union wohlbekannt. Ich bin, sehr geehrter Kollege Wadephul, Herr Florian Hahn, schon auch etwas verwundert, mit welcher Chuzpe Sie sich jedes Mal wieder hier ans Pult stellen und so tun, als hätten Sie nichts damit zu tun.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP – Dr. Johann David Wadephul [CDU/CSU]: Das tun wir gar nicht! Umgekehrt wird ein Schuh daraus! Es wird so getan, als wären nur wir verantwortlich!)

Mit der Bundeswehrreform 2011 wurden zahlreiche Munitionsdepots und Materiallager der Bundeswehr geschlossen. Geplant hat das Vorhaben von Guttenberg, durchgeführt wurde es von de Maizière, nicht korrigiert von Frau von der Leyen und auch nicht von Frau Annegret Kramp-Karrenbauer.

(Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Und die Schließung wurde von den Grünen begrüßt!)

– Das mag der Fall sein.

(Lachen des Abg. Ingo Gädechens [CDU/CSU] – Martin Reichardt [AfD]: Sie sind doch die größte Umfallerpartei überhaupt!)

Dazu kann ich Ihnen eines sagen: Wenn Herr Hahn sich hierhinstellt und lamentiert, dass nie andere dafür gesprochen hätten, mehr Geld in die Bundeswehr zu investieren, muss ich schon fragen: Hat nicht auch die Union mit ihren Wahlkreisgeschenken – dieses Budget wurde teilweise quasi als eine Art Sondervermögen für Unionswahlkreise betrachtet – zu der Skepsis beigetragen, die einer Einigung auf pauschale Erhöhungen im Weg stand?

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP – Florian Hahn [CDU/CSU]: Was ist denn das für ein Unsinn? Was ist das für eine Unterstellung? – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Jetzt wird es ganz schlecht!)

– Ja, jetzt wird es ernst; es ist schon die ganze Zeit ernst.

Ich kann verstehen, dass Sie, Frau Ministerin, zu den genauen Beständen der Munition keine Auskunft geben wollen. Das würde ich auch nicht raten; das wäre viel zu riskant.

(Rüdiger Lucassen [AfD]: Das ist aber schnell durchgezählt!)

Aber wenn ich alleine die Liste dessen, was wir an Munition an die Ukraine abgegeben haben, neben die BMF-Vorlagen halte, die wir in diesem Jahr bekommen haben oder die schon angekündigt sind, dann ergibt sich eben doch eine Lücke in der Planung, insbesondere bei der Munition.

(Martin Reichardt [AfD]: Das ist eben feministische Verteidigungspolitik! Da hat man schnell nichts mehr!)

Es kommt jetzt auf Sie an, Frau Ministerin, und auf Ihr Haus, hier schnell nachzusteuern. Ich bin zuversichtlich, dass Ihnen der Haushalt dafür den nötigen Rahmen gewährt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Für die FDP-Fraktion hat das Wort Nils Gründer.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)