Rede von Dr. Till Steffen Videokonferenztechnik in Gerichten

Dr. Till Steffen
21.09.2023

Dr. Till Steffen (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Buschmann, Sie haben ja tatsächlich auch angekündigt, dass wir mit diesem Gesetzentwurf zum Durchbruch für die Videoverhandlungen kommen, und Sie haben es richtig gesagt: Die Coronazeit hat gezeigt, es funktioniert ziemlich gut. Es ist nicht zum Stillstand gekommen; der Rechtsstaat hat weiterhin funktioniert. – Und das war ja in der Tat eine beachtliche Leistung. Es war ja die Sorge, dass wir wegen der Notwendigkeit, direkte Begegnungen zu vermeiden, mit dem Schließen von Gerichtsgebäuden zum Stillstand des Rechtsstaates kommen. Gar nichts davon ist passiert, sondern wir haben sehr gut arbeiten können mit diesem Mittel, und das, obwohl es in dem Moment für viele Leute neu war.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Ich finde es auch ausgesprochen gut, dass der Dialog mit den Ländern mittlerweile ziemlich gut funktioniert und dass Sie sich ausführlich mit den Ländern ausgetauscht haben. Ich habe das auch gemacht. Ich habe den Eindruck, dass eine bestimmte Perspektive bei den Stellungnahmen der Länder besonders stark vertreten ist, nämlich die Perspektive der Richterschaft.

Ich glaube, gerade weil wir jetzt hier gehört haben: „Ist das irgendwie für oder gegen die Richterschaft, was ist mit den Anwälten usw.?“, finde ich es noch mal absolut richtig, die Frage zu stellen: Worauf kommt es eigentlich an? Kommt es eigentlich darauf an, wessen Interessen hier am ehesten bedient werden, die der Richterinnen und Richter oder die der Anwältinnen und Anwälte? Ich finde, das ist die falsche Frage. Es kommt am Ende darauf an, ob wir durch unsere Gerichtsverfahren Rechtsfrieden erreichen,

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

und das kann sich natürlich wirklich nur danach bestimmen, was die rechtsuchenden Bürgerinnen und Bürger wollen, was die wollen und wie wir die erreichen.

Es gibt durchaus eine ganze Menge Erfahrungen mit bisherigen Präsenzverhandlungen, wo eher große Frustration erzielt wurde, gerade im Zivilprozess, wo sehr viel im Schriftsatz stattfindet. Da habe ich es häufiger erlebt, dass ich mit einem Mandanten zur Verhandlung gegangen bin und gefragt wurde: „Sie stellen die Anträge aus der Klagschrift?“, worauf ich geantwortet habe: „Ja.“ „Und Sie beantragen Klagabweisung?“, und am Schluss wurde vom Gericht gesagt: „Termin zur Verkündung des Urteils ergeht von Amts wegen“, woraufhin mich der Mandant gefragt hat: „Und das war’s?“ Also, da gibt es große Frustration, und es stellt sich die Frage, warum man dafür extra anreisen und die weiten Anreisen in Kauf nehmen muss, die Sie, Herr Buschmann, zu Recht auch angesprochen haben.

Also, es kommt nicht darauf an, zu fragen: „Was wollen die Richterinnen und Richter? Was wollen die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte?“, sondern es kommt darauf an, was wir insgesamt für die Justiz erreichen. Ich finde, wir müssen Kriterien wie konsequente Kundenorientierung anlegen. Wir müssen uns fragen: Wie können wir unnötigen Aufwand reduzieren? Wie können wir zu schnelleren Prozessen kommen? Wie können wir einen Beitrag dazu leisten, Daseinsvorsorge in der Fläche zu leisten? Denn Justiz ist Daseinsvorsorge, und im ländlichen Raum sind weite Wege natürlich eine relevante Frage.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Und wir müssen natürlich auch für Qualitätssicherung sorgen; denn wir wissen ja, dass es für viele Fragen spezialisierte Anwältinnen und Anwälte braucht. Die sind nun mal nicht überall vertreten, und wir sehen ja an vielen Stellen, dass es sinnvoll ist, wenn wir auch spezialisierte Spruchkörper bei den Gerichten haben.

Ich glaube, dass wir uns deswegen noch einiges mehr einfallen lassen können, als jetzt konkret in diesem Gesetzentwurf drinsteckt. Dazu werde ich demnächst im Rahmen der Verhandlungen, auf die ich mich sehr freue, auch konkrete Vorschläge vorlegen. Deswegen, glaube ich, lohnt es sich, dass wir bei dieser Debatte noch mal genau gucken: Wie können wir tatsächlich zu diesem Durchbruch kommen, den Sie uns hier in Aussicht gestellt haben?

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Die Reden von Susanne Hennig-Wellsow für Die Linke und Sonja Eichwede für die SPD nehmen wir zu Protokoll.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN)

Das Wort hat der Kollege Stephan Mayer für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)